Thrombophilie I82.9

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Julian Baur

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Definition

Erworbene oder genetisch bedingte Neigung zur Bildung zu Thrombosen oder von Embolien infolge veränderter Eigenschaften von korpuskulären oder plasmatischen Anteilen des Blutes, von Blutströmung und/oder Gefäßwänden.

Einteilung

Man unterscheidet erworbene Thrombophilien von hereditären Thrombophilien.

I. Primäre Thrombophilie bei genetischen Störungen:

  • APC-Resistenz (Faktor V Leiden)
  • Antithrombin-Mangel
  • Mutation des MTHFR-Gens
  • Prothrombinmutationen
  • Protein C-Mangel
  • Protein S-Mangel
  • ATIII-Mangel
  • Hyperhomozysteinämie
  • Gestörte Fibrinolyse.

II. Sekundäre Thrombophilie bei erworbenen Risikofaktoren:

  • Übergewicht (Adipositas)
  • Rauchen
  • Bewegungsmangel
  • Östrogenhaltige Kontrazeptiva
  • Schwangerschaft
  • Immobilisierung durch Krankheiten, z.B. Operationen
  • Herzinsuffizienz
  • Maligne Erkrankungen (besonders chronische myeloproliferative Neoplasien)
  • Lupus Antikoagulans
  • nephrotisches Syndrom

Ätiopathogenese

  • Angeborene Thrombophilien bei:
    • APC-Resistenz bei Faktor-V-Leiden-Mutation: Häufigste Ursache einer Thrombophilie bei Patienten mit Thrombose. Der Faktor V ist ein Teil der Gerinnungskette, an dem das Gerinnungssystem von außen gebremst werden kann. Dies erfolgt durch das aktivierte Protein C (APC). Bei der Faktor-V-Leiden-Mutation, wird Faktor V durch die Mutation gegenüber dem Protein C resistent, das Gerinnungssystem kann an dieser Stelle nicht mehr gehemmt werden. Dadurch kann es zu einer überschießenden Gerinnung und somit zu Thrombosen kommen.
    • Protein C- und Protein S-Mangel: Das aktivierte Protein C hemmt die Gerinnungskette am Faktor V (siehe oben). Protein S verstärkt diese Hemmung. Ein Defekt oder ein Fehlen dieser Faktoren kann daher zu einer überschießenden Gerinnung führen.
    • ATIII-Mangel: Das Antithrombin (ATIII) gehört zu den wichtigsten Gerinnungssystem-Hemmern, es kann mehrere Teilschritte der Gerinnungskette gleichzeitig inhibieren.
    • Prothrombinmutation: Die Prothrombinmutation führt zu einem Anstieg bestimmter gerinnungsfördernder Faktoren und so zu einer Verschiebung des Gleichgewichtes in Richtung der Blutgerinnung.
    • Hyperhomozysteinämie: Die klinische Erfahrung hat gezeigt, dass es bei hohen Homozysteinwerten im Blut sehr viel häufiger zu Thrombosen kommt als bei normalen Werten.
    • Gestörte Fibrinolyse: Eine Störung des blutgerinnselauflösenden Systems (Fibrinolyse) ist durch unterschiedliche Faktoren möglich. Es resultiert eine Verschiebung des Gleichgewichtes in Richtung der Blutgerinnung.
    • Merke! Eine Faktor V-Leiden-Mutation liegt in ca. 20-40% der Fälle vor (je jünger die Patienten, desto grösser die Wahrscheinlichkeit für eine Mutation), eine Hyperhomozysteinämie in 18-25% der Fälle, eine Prothrombinmutation bei 2-8% der Fälle, ein Protein-C- oder Protein-S-Mangel bei 1,5-3% der Fälle, ein ATIII-Mangel in 0,5-1% der Fälle, eine gestörte Fibrinolyse bei ca. 20% der Fälle.

  • Erworbene Thrombophilien (Ursachen/Risikofaktoren):
    • Lupus-Antikoagulanz und Antiphospholipid-Antikörper bei Autoimmunerkrankungen
    • Malignome und Nephropathien
    • schwere Herzkrankheiten (Herzinsuffizienz)
    • hohes Alter
    • Östrogentherapie
    • längere Bettlägrigkeit (> 7-10 Tage)
    • längere Flug- oder Busreisen (Reisethrombose)
    • schwere Verletzungen und Operationen
    • entzündliche Darmerkrankungen
    • Übergewicht, Krampfadern, frühere Thromboembolien
    • mangelnde Flüssigkeitszufuhr v.a. bei älteren Menschen
    • Schwangerschaft (eine normale Schwangerschaft erhöht das Thromboserisiko um etwa das 5-fache, kurz nach der Geburt ist dieses Risiko auf das 25-fache erhöht).

Therapie

  • Bei mittlerem und höherem Risiko ist eine medikamentöse Prophylaxe erforderlich. Eine vorbeugende medikamentöse Behandlung wird in Risikosituationen wie z.B. Schwangerschaft, Wochenbett und Stillzeit, im Rahmen von Operationen, bei längerer Bettlägrigkeit und längeren Flugreisen empfohlen.
  • Bei höherem Risiko, insbesondere bei Mehrfachthrombosen, ist eine lebenslange vorbeugende Behandlung mit Heparinen oder Marcumar erforderlich.

Prophylaxe

  • Für alle Thrombophilie-Patienten ist eine Beratung und gegebenenfalls auch eine regelmässige Betreuung, am besten durch einen speziell geschulten Arzt oder eine Gerinnungsambulanz, wichtig. Das Ausmaß der vorbeugenden Maßnahmen ist von der Höhe des Risikos abhängig.
  • Bei geringem Risiko ist eine physikalische Thrombembolieprophylaxe ausreichend. Diese sollte von allen Risikogruppen durchgeführt werden. Sie umfasst 3 Säulen:
    • Thromboseprophylaxestrümpfe
    • Venengymnastik
    • Risikoreduktion durch Vermeidungsstrategien.
  • Risikoreduktion durch Vermeidungsstrategien:
    • Wärme über 28 °C meiden: keine Sonnenexposition bzw. keine Saunanutzung, keine Wärmflaschen bzw. Heizkissen, nicht heiß baden.
    • Meiden von stehenden und sitzenden Tätigkeiten von > 1 Stunde.
    • Tägliches Messen der Beinumfänge an Knöchel und Wade (Ödeme).
    • Bei Beinödemen: Beine nachts hochlagern. Dabei soll das Fussende des Bettes hochgestellt werden.
    • Kaltes Abduschen der Beine, v.a. der Füße und Unterschenkel, wenn möglich 2mal/Tag. Wassertemperatur: 16-18 °C. Die Duschzeit sollte 5-10 Min. betragen.
    • Kein Heben von schweren Lasten; kein übermäßiges Pressen (z.B. Kraftsport oder Obstipation).
    • Leichte sportliche Tätigkeiten sind möglich z.B. Laufen, Schwimmen, Radfahren.
    • Meiden von Sportarten mit grossem Verletzungsrisiko (Fussball, Squash, Tennis).
    • Bei Ausdauerlauf ist auf eine ausreichende Trinkmenge zu achten: nie durstig laufen, ältere Menschen sollten unabhängig vom Durstgefühl 2 l trinken (Durstgefühl nimmt mit zunehmendem Alter ab).
    • Bei neu auftretenden Beschwerden, insbesondere langanhaltendem Muskelkater der Beine (> 2-3 Tage), Husten, Atemnot, über mehrere Tage anhaltendem Schwindel aufsuchen des Hausarztes.
    • Ausreichend Trinken, vor allem während der warmen Jahreszeit, mindestens 2 l/Tag.
    • Tragen von geeignetem Schuhwerk mit flachen Absätzen.

Hinweis(e)

Namensgebung: Ableitung von "thrombos" (griechisch) (= Klumpen) und "philos" (griechisch) (= Freund).

Weiterführende Artikel (2)

APC-Resistenz; Thrombophilie, hereditäre;

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