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Noduläre VaskulitisA18.4
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Definition
Seltene, chronische, gynäkotrope, meist symmetrische, "infektallergische" lobuläre Pannikulitis kombiniert mit einer Vaskulitis der kleinen Gefäße der Fettlobuli. Betroffen sind v.a. die dorsalen Unterschenkelpartien, die als hyperergische Reaktionslage gegen Mycobacterium tuberculosis (s.u. Tuberkulide) interpretiert wurde. Die Abgrenzung als eigenständige Entität ist nach wie vor umstritten!
Ätiopathogenese
Diskutiert wird eine nekrotisierende Vaskulitis mittlerer Gefäße als hyperergische (Id-Reaktion) gegen Mycobacterium tuberculosis (= Tuberkulid); auch bei atypischen Mykobakteriosen.
Für einen Teil der Fälle kann die Assoziation mit der Tuberkulose als gesichert angesehen werden (Nachweis von mykobakterieller DNA aus Biopsiematerial; Therapieerfolge mit Tuberkulostatika!).
Fehlt dieser kausale Zusammenhang, so wird von vielen Autoren die klinische Diagnose "Erythema induratum" als Nodularvaskulitis oder noduläre Vaskulitis bezeichnet.
Hierbei werden andere infektiöse und nicht infektiöse Auslöser diskutiert:
- Konstitutionstypus (Akrozyanose, Livedo reticularis, Lipödem)
- chronische Kälteexposition
- Morbus Crohn (K50.9) (Misago N et al. 2012)
- Streptokokken
- Hepatitis C
- HIV
Manifestation
Frauen sind häufiger als Männer betroffen. Auftreten vor allem bei Frauen zwischen 30-50 Jahren, mit pyknischer Konstitution und gesteigerter Kälteempfindlichkeit, Neigung zur Akrozyanose und funktioneller Livedo reticularis.
Lokalisation
Unterschenkel, beugeseitig. streckseitig/ tibial. Seltener an Oberschenkeln, Gesäß, Oberarmen und Mammae.
Klinisches Bild
Entzündliche, in Intervallphasen nur mäßig, in Rezidivphasen deutlich schmerzhafte, rote bis braun-rote, feste, kutane oder subkutane Knoten und Plaques. Größe: 2,5 cm, selten bis zu 10 cm. Häufig, aber nicht immer, mit meist tief reichender, zentraler nekrotischer Einschmelzung und nachfolgender rundlicher, schlecht heilender Ulzeration auftretend. Extrem chronischer, bzw. chronisch rezidivierender Verlauf über mehrere Jahre möglich. Abheilung unter Hinterlassung bräunlich pigmentierter, eingesunkener Narben.
Häufige Begleitsymptome: Akrozyanose, Livedo reticularis, Erythrocyanosis crurum puellarum, Perniosis follicularis.
Histologie
Phasenhafter Ablauf mit 4 Stadien:
Betrifft Arterien (und Venen) der Subkutis und tiefer gelegener Gewebe. |
perivaskuläre, intramurale und intraluminale Leukozytoklasie |
Schädigung von Endothelzellen |
Fibrin in/im Bereich von Gefäßwänden |
Perivaskuläre Extravasation von Erythrozyten |
Kein Ödem in der papillären Dermis |
Lobuläre Pannikulitis mit verkäsendem nekrotischen Gewebe Kollagendegeneration, umgeben von schaumigen Makrophagen Palisadengranulomen, Langhans-Riesenzellen und tuberkuloiden Granulomen |
Keine Eosinophilen |
Plasmazellen oder Fibrosklerose in variablem Ausmaß |
Reorganisation durch lymphoyztäre Vaskulitis |
- Akutstadium: Vaskulitis mittelgroßer Gefäße (wird histologisch häufig nicht erfasst). In den Fettgewebsläppchen zeigen sich multiple rosettenartige Palisadengranulome mit Histiozyten und neutrophilen Granulozyten. Peripher anschließend Lymphozytenhülsen. Wenige Plasmazellen. Innerhalb der Entzündungszone erscheinen Lipozyten optisch vergrößert (sog. Mikropseudofettzysten). Weiterhin finden sich Kapillaren und postkapilläre Venulen mit lymphozytären Infiltrathülsen. Die Fettgewebssepten sind ödematös verändert, mit Lymphozyten und einigen Riesenzellen. Diagnose: Lobuläre granulomatöse Pannikulitis.
- Intermediärstadium: Infolge der Konfluenz der Granulome nehmen Fettgewebsnekrosen zu. Appositionelle Granulombildung zeigt sich in benachbarten (noch nicht befallenen) Lobuli.
- Vollstadium: Kompletter Befall des klinischen Knotens mit homogener dichter granulomatöser Entzündung. Die Septen sind verbreitert und fibrotisch. Es zeigen sich Nekrosen und Thrombosierungen von septalen kleinen und größeren Gefäßen sowie kleine noch nicht verschlossene, von dichten Lymphozytenmänteln umhüllt Gefäße. Fokal sind eosinophile Fettgewebsnekrosen sichtbar. Weiterhin bilden sich Mikropseudofettzysten. Im Randbereich der Entzündungszone können die Veränderungen des Stadium I noch nachgewiesen werden.
- Spätstadium: Fibrotisch-narbige Umwandlung. Breite Septen und entsprechend verschmälerte Lobuli beherrschen das Bild.
Differentialdiagnose
Externe Therapie
Periphere Durchblutungsstörungen: Warme Fußkleidung, Vermeidung von Bodenkälte und bevorzugter Aufenthalt in warmen Räumen. Wechselbäder oder Bäder mit nikotinsäureesterhaltigen durchblutungsfördernden Mitteln (z.B. Rubriment-Bäder), durchblutungsfördernde Salben (z.B. Enelbin Paste). Besonders wichtig und gut wegen zirkulatorischen und wärmenden Einflusses sind Kompressionsverbände.
Ansonsten indifferente Therapie mit blanden, pflegenden Externa wie Ungt. emulsificans aquosum (DAB) oder Puder (z.B. Talkum, Zinkoxid).
Interne Therapie
Bei (heute seltene Konstellation!) nachgewiesener Tuberkulose muss eine tuberkulostatische Polychemotherapie durchgeführt werden (Therapiedauer > 6 Monate).
Bei Patienten ohne Tuberkulosenachweis initialer Therapieversuch mit systemischen Glukokortikoiden (Bemerkung: Glukokortikoide sind bei dieser Erkrankung in hoher und mittlerer Dosierung ausnahmslos wirksam; sie stellen jedoch keine Dauertherapie dar, da bei Unterschreiten einer individuellen Dosisschwelle ein Rezidiv vorprogrammiert ist!).
Ergänzend: Symptomatische Schmerztherapie mit Analgetika.
Alternative Therapieansätze (schlechte Datenlage!): Mycophenolsäure (1,4g/Tag), Ciclosporin (3,0-5,0mg/kgKG/Tag), Tetracycline, Dapson (150mg/Tag).
Alternativ (Fallberichte): Adalimumab ( initial 40mg s.c./alle 14 Tage, als Erhaltungsdosis 40mg s.c./alle 3 Wochen)
Verlauf/Prognose
Hinweis(e)
Die synonym gebräuchlichen Begriffe: Tuberculosis cutis indurativa; Tuberculosis indurativa cutanea et subcutanea sollten nicht verwendet werden, da sie eine aktive Tuberkulose implizieren.
Literatur
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- Braun-Falco O et al. (1995) Zum Tuberkulid-Begriff aus heutiger Sicht. Hautarzt 46: 383-387
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-
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