Noduläre VaskulitisA18.4

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Bazin`s disease; Bazin-Syndrom; Erythema induratum; Hypodermitis nodularis subacuta saltans (O'Leary); Lipodermatosclerosis; nodöses Tuberkulid; Nodöse Vaskulitis; Noduläre Vaskulitis; Nodular vasculits; Nodularvaskulitis; Phlebitis nodularis; Tuberculosis cutis indurativa; Tuberculosis indurativa cutanea et subcutanea; Vasculitis nodularis; Vaskulitis noduläre

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Erstbeschreiber

Bazin, 1861

Definition

Seltene, chronische, gynäkotrope, meist symmetrische, "infektallergische" lobuläre Pannikulitis kombiniert mit einer Vaskulitis der kleinen Gefäße der Fettlobuli. Betroffen sind v.a. die dorsalen Unterschenkelpartien, die als hyperergische Reaktionslage gegen Mycobacterium tuberculosis (s.u. Tuberkulide) interpretiert wurde. Die Abgrenzung als eigenständige Entität ist nach wie vor umstritten!

Ätiopathogenese

Diskutiert wird eine nekrotisierende Vaskulitis mittlerer Gefäße als hyperergische (Id-Reaktion) gegen Mycobacterium tuberculosis (= Tuberkulid); auch bei atypischen Mykobakteriosen.

Für einen Teil der Fälle kann die Assoziation mit der Tuberkulose als gesichert angesehen werden (Nachweis von mykobakterieller DNA aus Biopsiematerial; Therapieerfolge mit Tuberkulostatika!).

Fehlt dieser kausale Zusammenhang, so wird von vielen Autoren die klinische Diagnose "Erythema induratum" als Nodularvaskulitis oder noduläre Vaskulitis bezeichnet.

Hierbei werden andere infektiöse und nicht infektiöse Auslöser diskutiert:

  • Konstitutionstypus (Akrozyanose, Livedo reticularis, Lipödem) 
  • chronische Kälteexposition
  • Morbus Crohn (K50.9) (Misago N et al. 2012)
  • Streptokokken
  • Hepatitis C
  • HIV

Manifestation

Frauen sind häufiger als Männer betroffen. Auftreten vor allem bei Frauen zwischen 30-50 Jahren, mit pyknischer Konstitution und gesteigerter Kälteempfindlichkeit, Neigung zur Akrozyanose und funktioneller Livedo reticularis.

Lokalisation

Unterschenkel, beugeseitig. streckseitig/ tibial. Seltener an Oberschenkeln, Gesäß, Oberarmen und Mammae.

Klinisches Bild

Entzündliche, in Intervallphasen nur mäßig, in Rezidivphasen deutlich schmerzhafte, rote bis braun-rote, feste, kutane oder subkutane Knoten und Plaques. Größe: 2,5 cm, selten bis zu 10 cm. Häufig, aber nicht immer, mit meist tief reichender, zentraler nekrotischer Einschmelzung und nachfolgender rundlicher, schlecht heilender Ulzeration auftretend. Extrem chronischer, bzw. chronisch rezidivierender Verlauf über mehrere Jahre möglich. Abheilung unter Hinterlassung bräunlich pigmentierter, eingesunkener Narben.

Häufige Begleitsymptome: Akrozyanose, Livedo reticularis, Erythrocyanosis crurum puellarum, Perniosis follicularis.

Histologie

Phasenhafter Ablauf mit 4 Stadien:

Histopathologischer Algorithmus der nodulären Vaskulitis (kleinste gemeinsame Nenner: kursiv, Leitsymptome: fett) variiert n. Ratzinger et al. 2105
Betrifft Arterien (und Venen) der Subkutis und tiefer gelegener Gewebe.
perivaskuläre, intramurale und intraluminale Leukozytoklasie
Schädigung von Endothelzellen
Fibrin in/im Bereich von Gefäßwänden
Perivaskuläre Extravasation von Erythrozyten
Kein Ödem in der papillären Dermis
Lobuläre Pannikulitis mit verkäsendem nekrotischen Gewebe Kollagendegeneration, umgeben von schaumigen Makrophagen Palisadengranulomen, Langhans-Riesenzellen und tuberkuloiden Granulomen  
Keine Eosinophilen
Plasmazellen oder Fibrosklerose in  variablem Ausmaß
Reorganisation durch lymphoyztäre Vaskulitis
  • Akutstadium: Vaskulitis mittelgroßer Gefäße (wird histologisch häufig nicht erfasst). In den Fettgewebsläppchen zeigen sich multiple rosettenartige Palisadengranulome mit Histiozyten und neutrophilen Granulozyten. Peripher anschließend Lymphozytenhülsen. Wenige Plasmazellen. Innerhalb der Entzündungszone erscheinen Lipozyten optisch vergrößert (sog. Mikropseudofettzysten). Weiterhin finden sich Kapillaren und postkapilläre Venulen mit lymphozytären Infiltrathülsen. Die Fettgewebssepten sind ödematös verändert, mit Lymphozyten und einigen Riesenzellen. Diagnose: Lobuläre granulomatöse Pannikulitis.
  • Intermediärstadium: Infolge der Konfluenz der Granulome nehmen Fettgewebsnekrosen zu. Appositionelle Granulombildung zeigt sich in benachbarten (noch nicht befallenen) Lobuli.
  • Vollstadium: Kompletter Befall des klinischen Knotens mit homogener dichter granulomatöser Entzündung. Die Septen sind verbreitert und fibrotisch. Es zeigen sich Nekrosen und Thrombosierungen von septalen kleinen und größeren Gefäßen sowie kleine noch nicht verschlossene, von dichten Lymphozytenmänteln umhüllt Gefäße. Fokal sind eosinophile Fettgewebsnekrosen sichtbar. Weiterhin bilden sich Mikropseudofettzysten. Im Randbereich der Entzündungszone können die Veränderungen des Stadium I noch nachgewiesen werden.
  • Spätstadium: Fibrotisch-narbige Umwandlung. Breite Septen und entsprechend verschmälerte Lobuli beherrschen das Bild.

Differentialdiagnose

Externe Therapie

Periphere Durchblutungsstörungen: Warme Fußkleidung, Vermeidung von Bodenkälte und bevorzugter Aufenthalt in warmen Räumen. Wechselbäder oder Bäder mit nikotinsäureesterhaltigen durchblutungsfördernden Mitteln (z.B. Rubriment-Bäder), durchblutungsfördernde Salben (z.B. Enelbin Paste). Besonders wichtig und gut wegen zirkulatorischen und wärmenden Einflusses sind Kompressionsverbände.

Ansonsten indifferente Therapie mit blanden, pflegenden Externa wie Ungt. emulsificans aquosum (DAB) oder Puder (z.B. Talkum, Zinkoxid).

Interne Therapie

Bei (heute seltene Konstellation!) nachgewiesener Tuberkulose muss eine tuberkulostatische Polychemotherapie durchgeführt werden (Therapiedauer > 6 Monate).

Bei Patienten ohne Tuberkulosenachweis initialer Therapieversuch mit systemischen Glukokortikoiden (Bemerkung: Glukokortikoide sind bei dieser Erkrankung in hoher und mittlerer Dosierung ausnahmslos wirksam; sie stellen jedoch keine Dauertherapie dar, da bei Unterschreiten einer individuellen Dosisschwelle ein Rezidiv vorprogrammiert ist!).

Ergänzend: Symptomatische Schmerztherapie mit Analgetika.

Alternative Therapieansätze (schlechte Datenlage!): Mycophenolsäure (1,4g/Tag), Ciclosporin (3,0-5,0mg/kgKG/Tag), Tetracycline, Dapson (150mg/Tag).

Alternativ (Fallberichte): Adalimumab ( initial 40mg s.c./alle 14 Tage, als Erhaltungsdosis 40mg s.c./alle 3 Wochen)

Verlauf/Prognose

Eminent chronischer, meist rezidivierender Verlauf über Monate oder Jahre. Knoten ohne Ulzerationen heilen in der Regel nach 8-12 Wochen unter Hinterlassung einer Narbe ab. Ulzerierte Knoten zeigen nur eine geringe Heilungstendenz.

Hinweis(e)

Die synonym gebräuchlichen Begriffe: Tuberculosis cutis indurativa; Tuberculosis indurativa cutanea et subcutanea sollten nicht  verwendet werden, da sie eine aktive Tuberkulose implizieren. 

Literatur

  1. Bazin PAE (1861) Leçons théoriques et cliniques sur la scrofule, considérée en ellemême et dans ses rapports avec la syphilis, la dartre et l'arthritis. Adrien Delahaye (París), 2nd edition, S. 145, 501
  2. Bilan P et al. (2015) Cutaneous tuberculosis and erythema induratum: A retrospective study of 13 cases in France. Ann Dermatol Venereol 142: 237-244
  3. Braun-Falco O et al. (1995) Zum Tuberkulid-Begriff aus heutiger Sicht. Hautarzt 46: 383-387
  4. Chang MW (1999) Erythema induratum of Bazin in an infant. Pediatrics 103: 498-499
  5. Campbell SM et al. (2013) Erythema Induratum Caused by Mycobacterium chelonei in an Immunocompetent Patient. J Clin Aesthet Dermatol 6:38-40
  6. Degitz K (1993) Successful treatment of erythema induratum of bazin following rapid detection of mycobacterial DNA by polymerase chain reaction. Arch Dermatol 129: 1619-1620
  7. Fischer C et al. (2011) Erfolgreiche Therapie einer nodösen Vaskulitis mit Adalimumab (Humira®). Abstract-CD 46. DDG-Tagung: P16/15
  8. Heinemann C (2000) Erythema induratum of Bazin and Poncet's disease -- successful treatment with antitubercular drugs. J Eur Acad Dermatol Venereol 17: 334-336
  9. Jacinto SS (2003) Erythema induratum of bazin: role of polymerase chain reaction in diagnosis. Int J Dermatol 42: 380-381
  10. Marker M et al. (2004) Erythema induratum Bazin-Nodulärvaskulitis. JDDG 3: 206-213
  11. Misago N et al. (2012) Erythema induratum (nodular vasculitis) associated with Crohn's disease: a rare type of metastatic Crohn's disease. Am J Dermatopathol 34:325-329. 

  12. Müller CSL et al. (2016) Diagnostik und histologische Besonderheiten der kutanen Vaskulitiden/Vaskulopathien. Akt Dermatol 42: 286-301
  13. Ratzinger G et al. (2015) Das Vaskulitis-Rad-ein algorithmischer Ansatz für kutane Vaskulitiden. JDDG 1092-1118
  14. Sharma S et al. (2015) Clinicopathologic Spectrum of Cutaneous Tuberculosis: A Retrospective Analysis of 165 Indians. Am J Dermatopathol 37: 444-450
  15. Teramura K et al. (2014) Disseminated erythema induratum of Bazin. Eur J Dermatol 24:697-698

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