Herpes simplex genitalis

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

Co-Autor: Dr. med. Katja König

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Zuletzt aktualisiert am: 18.01.2025

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Synonym(e)

Balanoposthitis herpetica; Genitalherpes; Herpes der Glans penis; Herpes der Schamlippen; Herpes der Vulva; Herpes des Penis; Herpes genitalis; Herpes simplex genitalis; HSV-2 induziertes Ulcus genitalis; HSV-induziertes Ulcus genitalis

Definition

Unter dieser Bezeichnung werden sowohl eine Primärinfektion als auch Rezidivinfektionen durch Herpes simplex-Viren im Bereich der Genitalien subsummiert. Mehrere Krankheitsbilder fallen darunter:

Vorkommen/Epidemiologie

Im Jahr 2016 waren schätzungsweise 491,5 Millionen Menschen im Alter von 15 bis 49 Jahren mit HSV-2 infiziert (Seroprävalenz von 13,2 %) und 3,75 Milliarden Menschen im Alter von 0 bis 49 Jahren mit HSV-1 (Seroprävalenz von 66,6 %). Die Seroprävalenz ist in der Region Afrika am höchsten. Im Bericht der National Health and Nutrition aus den Vereinigten Staaten von 2015 bis 2016

Während lange angenommen wurde, dass HSV-2 direkt von HSV-1 abstammt, zeigt die Genomsequenzierung, dass HSV-2 von Herpesviren von Menschenaffen abstammt und wahrscheinlich vor etwa einer Million Jahren als zoonotische Infektion auf den Menschen übertragen wurde. Sowohl HSV 1 und HSV-2 verfügen über ausgeklügelte Mechanismen, um Aspekte des Immunsystems des Wirts zu umgehen, was zu ihrer asymptomatischen Übertragung und ihrem asymptomatischen Erwerb beiträgt. HSV-1 und HSV-2 dringen durch Epitheldefekte in der Epidermis in die Haut und Schleimhaut ein und vermehren sich in der Dermis.

Ätiopathogenese

Der größte Teil der Infektionen (80-90%) ist auf HSV-2 zurückzuführen. Infektionen mit HSV-1 sind zunehmend (Mathew R et al. 2018). Die häufigsten klinischen Manifestationen sind die Vulvovaginitis herpetica und die Balanitis (Balanoposthitis) herpetica.

Die Primärinfektionen des Herpes genitalis verlaufen in 2/3 der Fälle asymptomatisch. Bei einem symptomatischen Verlauf kommt es nach einem kurzen Prodromalstadium zu einem akuten Krankheitsbild mit Allgemeinsymptomatik: Unwohlsein, Fieber, mäßig schmerzhafte regionale Lymphadenitis. Am Ort der Infektion entwickeln sich schmerzende gruppierte Bläschen auf erythematösem Grund. Die Bläschen platzen oder sie trüben sich eitrig ein. Im Hautbereich kommt es anschließend zur Krustenbildung und Abheilung. Im Schleimhautbereich entwickeln sich keine Krusten. Die Abheilung erfolgt über erosive Läsionen, die narbenlos epithelisieren.

Die primäre Vulvovaginitis herpetica macht sich nicht selten durch Dysurie und Miktionsbeschwerden bemerkbar!

Der rezidivierende Herpes genitalis verläuft klinisch sehr viel leichter als die Primärinfektion, häufig auch unbemerkt. Patienten mit einer HSV-2 induzierten Virusinfektion entwickeln häufiger Rezidive als HSV-1-Infizierte (5xjährlich/1xjährlich).

Leichte Prodromi wie bei einem interkurrenten grippalen Infekt können auftreten. Viele Frauen bemerken das Rezdiv überhaupt nicht. Die gruppierte Bläschenbildung ist von einer leichten brennenden Schmerzsymptomatik begleitet. Lymphadenitis kann vorhanden sein aber auch fehlen. Frauen mit einem dokumentierten rezidivierenden genitalen Herpes simplex weisen in einem hohen Prozentsatz asymptomatische Virusausscheidungen auf.

Komplikation(en)

Aciclovir-Resistenzen werden zunehmend häufiger beobachtet. Die HSV-Resistenzen entstehen meist durch Deletion der viralen Thymidinkinase (Kälber KA et al. (2024).  

Bei HIV-Infizierten kann es bei HSV-2-Infektion zu Koinfektionen mit Cytomegalieviren kommen. Klinisch äußeren sich derartige duale Infektionen in therapieresistenten (großflächigen) Ulzera im Genitalbereich (Rawre J et al.2018). Koinfektionen mit Molluscipoxviren können pseudotumoröse Strukturen hervorrufen.  

Therapie allgemein

Die azyklischen Nukleosidanaloga Aciclovir und sein Prodrug Valaciclovir sowie Famciclovir sind zur Behandlung von Herpes simplex genitalis zugelassen. Diese Guanosin-Nukleosid-Analoga erfordern eine anfängliche Phosphorylierung durch die HSV-kodierte Thymidinkinase, gefolgt von einer Phosphorylierung durch zelluläre Kinasen. Dieses Nukleotidtriphosphat wird dann von der HSV-DNA-Polymerase während der DNA-Replikation in die wachsende DNA-Kette eingebaut und führt zu einem Kettenabbruch. Diese antiviralen Mittel haben hervorragende Sicherheitsprofile.

Interne Therapie

Primärinfektion:

  • In schweren Fällen systemische Therapie mit Aciclovir (Zovirax 200) 5mal/Tag 1 Tbl. alle über 5-10 Tage. Eine orale Therapie ist zumeist ausreichend (Milpied B et al. 2019).
  • Alternativ: Aciclovir 400mg p.o. 3x tgl. über 7-10 Tage
  • Alternativ: Ggf. kann eine intravenöse Therapie mit Aciclovir erwogen werden (Aciclovir 5 mg/kg KG 3mal/Tag alle 8 Stunden über 5 Tage).
  • Alternativ: Valciclovir: 500-1000mg p.o./2x/Tag über 5-10 Tage.
  • Famciclovir: 250mg p.o. 3x/Tag über 5-10 Tage.
  • Patienten mit Immunsuppression: Aciclovir 400mg 4x/Tag oder Zovirax 800mg 5mal/Tag.

Rezidiv:

  • Systemische Therapie mit Aciclovir (Zovirax 200) 2mal/Tag 1 Tbl. über 5-10 Tage. Eine orale Therapie ist zumeist ausreichend.
  • Alternativ: Aciclovir 800mg p.o. 3x tgl. über 2 Tage
  • Alternativ: Valciclovir: 500mg p.o./2x/Tag über 3-5 Tage (Milpied B et al. 2019).
  • Famciclovir: 125mg p.o. 2x/Tag einmalig

Rezidivprophylaxe:

  • Systemische Therapie mit Aciclovir (Zovirax 400) 2mal/Tag
  • Alternativ: Valciclovir: 500mg p.o./1x/Tag
  • Famciclovir: 250mg p.o. 2x/Tag
  • Üblicherweise wird eine Rezidivprophylaxe über Monate bis Jahre durchgeführt. Sie ist bei 80% der Betroffenen erfolgreich, die Rezidive reduzieren sich signifikant. Periodisch sind Therapiepausen einzulegen um das Rezidivverhalten zu kontrollieren.

Prophylaktische Therapie während der Schwangerschaft:

  • Bei Frauen mit einer Primärinfektion oder Redivinfektion während der Schwangerschaft kann ab der 36. WA (weeks' amenorrhoea) prophylaktisch bis zur Geburt therapiert werden:
  • Aciclovir : 400mg/Tag p.o.
  • Alternativ: Valciclovir 500mg/Tag p.o.

Hinweis: Nicht bewiesen ist ein positiver Effekt einer suppressiven Dauertherapie mit Nukleosidanaloga auf das Risiko des Säuglings an einem neonatalem Herpes zu erkranken (Milpied B et al. 2019).

Empfohlene Vorgehensweise in der Schwangerschaft:

Primärinfektion:

  • 3 x 400 mg Aciclovir über 10 Tage 

Primärinfektion 1.+2. Trimenon:

  • ab 32. SSW vulvovaginale Abstriche (PCR). Bei negativem Abstrich ohne Läsionen vag. Entbindung.
  • Bei positivem Abstrich oder Läsionen Sectio.

Primärinfektion > 34. SSW:

  • 3 x 400 mg Aciclovir/d bis zur Geburt, primäre Sectio.

Rezidive:

  • Die Dosierung für die Prophylaxe ab der 36. SSW ist 3 x 400mg Aciclovir/d.
  • Vulvovaginale Abstriche um den ET herum (PCR); falls negativ: vaginale Entbindung. Falls positiv oder Läsionen: primäre Sectio.

Bei Aciclovir-Resistenz: kann auf ein lokales Cidofovir-Gel (aus Natrosol-Basis 1% - 2x täglich) zurückgegriffen werden. 

Komplementärmedizinische Therapieverfahren

Systemisch hat sich die Behandlung mit Lysin, einer Aminosäure, im akuten Fall 3000 mg / Tag.  Die  Aminosäure Lysin führt in einer Dosis von 3 x 500-1000 mg / Tag zu einer rascheren Linderung bis Abheilung des akuten Herpes simplex. Handelspräparat zur diätetischen Behandlung: Lyranda® Kautabletten. Diese enthalten neben L-Lysin noch Zink, Selen, Vitamine und Bioflavonoide. Empfohlene Dosierung bis zur Abheilung  3 Kautabletten / Tag. Desweiteren gibt es Lysin 500 und A Vitale L Lysin 750® Tbl.

Lokal zusätzlich Therapie mit Melissenblätter (Lomaherpan® Creme), zu Beginn 4 x / Tag, dann 2-4 x täglich aufgetragen. Auch zur Prophylaxe und Pflege geeignet- hier gibt es eine Kombination aus Melissenblättern mit zusätzlichem Lichtschutzfaktor 30  (Lomaprotect ®)

Desweiteren werden Gerbstoffdrogen, Salbeiblätter in Kombination mit Rhababerwurzel (Rhei radix) (Pyralvex®) zu Pinselungen eingesetzt, In der Studie von Saller R. et al zeigte sich eine gleichwertige Wirkung zu Aciclovir bei weniger Studienabbrüchen.

Desweiteren  wird Purpursonnenhutkraut (Echinaceae herba) (Echinacin® Salbe Madaeus) eingesetzt.

 

Fallbericht(e)

Fallbericht: 41-jährige Frau mit HIV, die sich mit ausgedehnten und schmerzhaften Geschwüren im Genitalbereich vorstellte. Die histologische Untersuchung einer Biopsieprobe deutete auf eine Herpesinfektion hin, und es wurde mit der intravenösen Gabe von Aciclovir begonnen, was jedoch nur zu einer teilweisen Besserung führte. Die Biopsieprobe wurde einer PCR unterzogen, und es wurde sowohl HSV- als auch CMV-DNA nachgewiesen. Die orale Gabe von Valganciclovir wurde mit therapeutischem Erfolg begonnen. Eine CMV-Infektion ist bei HIV-infizierten Patienten weit verbreitet, doch über das Auftreten von CMV in mukokutanen Läsionen wird selten berichtet. Dieser Fall veranschaulicht die Schwierigkeiten bei der Diagnose von Genitalgeschwüren bei HIV-infizierten Patienten. Das Auftreten von exzessiven und persistierenden HSV-Genitalgeschwüren bei HIV-Patienten sollte auch den Verdacht auf eine Koinfektion mit anderen Organismen wie CMV aufkommen lassen (Jumpertz M et al. 2023).

Fallbericht 2 Ein 25-jähriger Mann suchte die Notaufnahme mit einer 3-monatigen Vorgeschichte von mehrfachen, wiederkehrenden und schmerzhaften Genitalgeschwüren auf. Die Läsionen hatten als mehrere Bläschen an seinen Genitalien und in der Leistengegend begonnen und waren gerissen und zu Geschwüren zusammengewachsen, die sich allmählich weiterentwickelten und mit Blutungen einhergingen. Bei dem Patienten war 1,5 Monate vor der Vorstellung HIV diagnostiziert worden, und er hatte eine antiretrovirale Behandlung (Kombination aus Tenofovir, Lamivudin und Dolutegravir) begonnen. Er hatte seit einem Jahr einen erheblichen Gewichtsverlust und Dysurie.

Die körperliche Untersuchung ergab mehrere, gut definierte, üppige, empfindliche und nicht verhärtete Geschwüre von unregelmäßiger Form und Größe, die zwischen 10 × 10 mm und 70 × 40 mm variierten und mit hämorrhagischer Krustenbildung bedeckt waren. Sie befanden sich im rechten Leistenbereich, an der Eichel und auf der rechten Seite des Hodensacks und des Unterbauchs. Es lag eine Phimose vor und die Öffnung des Meatus war verdeckt. Es lag eine beidseitige feste und empfindliche inguinale Lymphadenopathie vor (Agrawal A et al. 2023).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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