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Eosinophile Granulomatose mit PolyangiitisM30.1
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Definition
Die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis, auch als "Churg-Strauss-Syndrom" bezeichnet ist eine seltene, pANCA+ (in 50-70% der Fälle), systemische (nekrotisierende) Vaskulitis, die verschiedene Gefäßgrößen (klein bis mittelgroß) betrifft und mit intra- und extravaskulärer Granulombildung, Asthma bronchiale sowie hoher Bluteosinophilie einhergeht.
Weiterhin besteht:
- deutliche BSG-Beschleunigung
- inkonstant Fieber
- inkonstant Anämie
- flüchtige Lungeninfiltrate
- kardiale Beteiligungen (50%) - eosinophile granulomatöse Myokarditis und Koronaritis, hohe Eosinophilie, meist ANCA-negativ,
- Mono-Polyneuropathie
- Nierenbeteiligung in Form der "Rapid Progressiven Glomerulonephritis"
- ZNS-Vaskulitis
- rezidivierende Thrombembolien
- Hautbeteiligungen (40%) - eosinophile granulomatöse Dermatitis
Vorkommen/Epidemiologie
Selten. Inzidenz: 0,5–1,0/100.000 Einwohner/Jahr.
Ätiopathogenese
Die Pathogenese ist bisher unbekannt. Als Auslöser werden versch. Inhalationsallergene diskutiert. Weiterhin Infektionen, Vakzinierungen, Medikamente. Wiederholt wurden Fälle unter Omalizumab, einem monoklonalen IgE-Antikörper beschrieben.
Manifestation
Lokalisation
Rumpf, distale Extremitäten, seltener Kopf, kein Schleimhautbefall
Klinisches Bild
Die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (Churg-Strauss) entwickelt sich in 3 Phasen:
- Allergische Phase mit allergischem Asthma, allergischer Rhinitis und Sinusitis
- Eosinophile Phase mit eosinophilen Infiltraten in Lunge, Herz (Haut) und Gastrointestinaltrakt
- Vaskulitische Phase mit peripherer Neuropathie und weiteren Organmanifestationen
Die Hauterscheinungen sind klinisch wenig charakteristisch und diagnostisch nur in der Gesamtschau der klinischen Symptome zu bewerten.
Sie treten in etwa 40% der Churg-Strauss-Patienten, bei etwa 20% als Erstmanifestation auf und imponieren als kutan oder subkutan gelegene, derbe, schmerzhafte rote (hämorrhagische) Plaques, Knoten oder Ulzera, dem Verlauf hautnaher Gefäße folgend (2/3 der Fälle). Es können aber auch ausschließlich 5,0-10,0 cm große, flächige oder figurierte Erytheme oder Plaques auftreten, die unter Hyperpigmentierungen abheilen (Bild wie bei eosinophiler Zellulitis/Wells-Syndrom).
Entsprechende Granulome finden sich in zahlreichen Organen:
- Lunge (100%) zunächst als flüchtige Löffler Infiltrate imponierend.
- Ferner Milz, Herz, Leber, Gastrointestinaltrakt, Genitale, Muskulatur, Niere.
Schubaktivitäten sind häufig assoziiert mit Fieber, Arthralgien oder unspezifischen Hautreaktionen wie:
- Palpable Purpura
- Erythema exsudativum multiforme
- fixe Arzneimittelreaktion
- Urtikaria.
Labor
- Entzündungsparameter erhöht (BSG-Beschleunigung, CRP)
- Ausgeprägter Eosinophilie (bis zu 80% bzw. 5000/μl)
- IgE i.S. erhöht
- Positiver Rheumafaktor
- Positive ANA
- p-ANCA (in 40-60% der Fälle)
- Positive zirkulierende Immunkomplexe
- IgG4 häufig erhöht
- Evtl. AP erhöht.
Histologie
Nekrotisierende Vaskulitis: Bild gleicht weitgehend der Wegener-Granulomatose mit Gewebseosinophilie: Nebeneinander von leukozytoklastischer Vaskulitis mit Vaskulitis subkutaner Arterien. Außerdem ausgedehnte, extravaskuläre Palisadengranulome mit zentralen, landkartenartigen Nekrosezonen, vielen mehrkernigen Riesenzellen sowie ausgeprägten Infiltraten mit eosinophilen und neutrophilen Leukozyten (Churg-Strauss-Granulome).
Akzentuiert um postkapilläre Venolen und größere Gefäße in Haut und Subkutis |
Kapillaren ausgespart oder weniger stark beteiligt |
perivaskuläre und intramurale Leukozytoklasie |
Schädigung von Endothelzellen |
Fibrin in/im Bereich von Gefäßwänden |
Perivaskuläre Extravasation von Erythrozyten |
Kein/leichtes Ödem in der papillären Dermis |
Kollagendegeneration mit leichten basophilen nekrotischen Läsionen, umgeben von Palisadengranulomen |
Signifikante vorherrschende Eosinophilie |
Plasmazellen oder Fibrosklerose in variablem Ausmaß |
Reorganisation durch lymphozytäre Vaskulitis |
Diagnose
Kriterien der American College of Rheumatology für die Diagnose der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiits (bei Vorleigen von mindestens 4 Kriterien ist die Diagnose wahrscheinlich)
- Asthma bronchiale
- Eosinophilie(>10%) des Blutes.
- Mono- oder Polyneuropathie
- Radiologisch nachweisbare wandernde pulmonale Infiltrate
- Akute oder chronisch rezidivierende Sinusititden
- Bioptischer Nachweis einer extravaskulären Eosinophilie
Differentialdiagnose
Die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis unterscheidet sich klinisch von anderen Vaskulitiden, insbesondere von der Polyarteriitis nodosa (PAN), durch das Vorhandensein eines schweren (allergischen) Asthma bronchiale (evtl. zusammen mit einer allergischen Rhinitis) in Kombination mit einer ausgeprägten Eosinophilie (>10%) des Blutes. Weiterhin sind differenzialdiagnostisch abzugrenzen:
Interne Therapie
Glukokortikoide in mittleren Dosen (1,5-2,0 mg/kg KG Prednisonäquivalent/Tag) ist oft ausreichend. Gutes Ansprechen im Allgemeinen. Symptomadaptierte Reduzierung der Steroidmedikation über eine längere Periode. Erhaltungsdosis: 2,5-7,5 mg Prednisolonäquivalent/Tag.
Alternativ bzw. ergänzend: Bei schweren Verläufen kann eine ergänzende Therapie mit Cyclophosphamid nach dem Fauci-Schema (s.u. Takayasu-Arteriitis) erfolgen. Diese sollte mindestens 6 Monate bis 1 Jahr nach Vollremission fortgesetzt werden.
Alternativ: Mepolizumab. In einer randomisierten, multizentrischen, doppelt-blind angelegten Phase III-Studie wurde Mepolizumab bei der Eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis über einen Zeitraum von 52 Wochen eingesetzt (Dosierung 300mg s.c. alle 4 Wochen). Unter dieser Therapie kam es zu einer deutlich verminderten Krankheitsaktivität (Reduktion der Rezidivrate, Reduktion des Glucocorticoidverbrauchs).
Experimentell: Positive Einzelbeobachtungen existieren von Plasmapherese-Behandlungen.
Verlauf/Prognose
Unbehandelt fast immer letaler Verlauf innerhalb weniger Jahre (kardiale Ursachen); unter Therapie oft völlige Remission. 5-Jahresüberlebensrate bei optimaler Therapie >80%.
Häufigste Todesursache kardiales Versagen, Herziinfarkt.
In seltenen Fällen kann eine eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis mit einer allergischen bronchopulmonalen Aspergillose kombiniert auftreten (Ren S 2013).
Hinweis(e)
Das CS-Syndrom entwickelt sich bei Pat. mit chronischem Asthma; schleichend hinzutretend findet sich eine zunehmende Bluteosinophilie (1.500-5.000/ul), Löfflerschen Infiltraten in der Lunge, vaskulitische Infiltrate in nahezu allen Organen.
Klinik, Labor, Histologie (Kriterien des American College of Rheumatology -1990-)
Die Diagnose ist wahrscheinlich, wenn 4 der nachstehenden 6 Kriterien erfüllt sind:
- (Schwer therapierbares) Asthma (mit transienten pulmonalen Infiltraten)
- Eosinophilie > 10% im Differenzialblutbild
- Mononeuropathie oder Polyneuropathie mit einer systemischen Vaskulitis assoziiert
- Wandernde oder vorübergehende radiologisch nachweisbare pulmonale Infiltrate mit einer systemischen Vaskulitis assoziiert
- Akute oder chronisch-rezidivierende Sinusitiden der Nasennebenhöhlen oder radiologische Verändeurngen im Sinne einer chronischen Sinusitis
- Bioptische Sicherung einer Vaskulitis mit dem Nachweis einer Eosinophilie im extravaskulären Gewebe.
Fallbericht(e)
- Der 42 Jahre alte Mann mit langzeitig bestehendem, therapeutisch schwer einstellbarem Asthma bronchiale und einer saisonalen allergischen Rhinitis (Birkenpollenallergie), entwickelte seit etwa 16 Monaten schmerzhafte rote Knoten an Brust und Hüften, die sich zu 5,0-10,0 cm großen roten, nur noch mäßig schmerzenden, bizarr konfigurierten (offenbar dem tiefen Gefäßplexus der Haut folgend), scharf beränderten Plaques weiterentwickelten. Ein rezidivierender Verlauf mit mäßiger Schubaktivität (Rezidive mit 1-2 neuen Knoten alle 4-6 Wochen) war kennzeichnend. Die Abheilung der Plaques erfolgte unter läsionaler Hyperpigmentierung.
- Zur Behandlung des Asthmas mit Dyspnoe waren regelmäßig systemische Steroidgaben (Prednisolon zwischen 50 und 20 mg p.o./Tag) notwendig. Hierauf sprachen auch die kutanen Läsionen mit hoher Sensibilität an (Abklingen unter Hyperpigmentierung, Rezidiv der Hautläsionen bei Unterschreitung einer kritischen Grenze bei etwa 5-10mg/Tag).
- Labor: Bluteosinophilie: 35% (absolut: 2085/ul); CRP-Erhöhung (7,5 mg/dl); IgE:1000 U/ml, BSG 30/70 mm; Rheumafaktor, ANA, MPO-p-ANCA normwertig. Bei späterer Kontrolle konnte bei weiter steigender Eosinophilie (30%) MPO-p-ANCA nachgewiesen werden.
- Histologie: Ausgeprägte perivaskulär orientierte Infiltrate aus Lymphozyten, Histiozyten, eosinophilen und neutrophilen Granulozyten und Kernstaub. Weiterhin Zeichen der leukozytoklastischen Vaskulitis mit Vaskulitis subkutaner Arterien. Ganz vereinzelt angedeutete Palisadengranulome mit zentralen Nekrobiosezonen.
- Rö.Thorax: Die röntgenologisch nachweisbaren Infiltrate der Lunge wurden als "Pneumonie" gedeutet.
- Die Therapie erfolgte in Zusammenarbeit mit Pneumologen mit intern applizierten Steroiden (initial 100 mg Prednisolon in absteigender Dosierung) sowie ergänzend mit Cyclophosphamid nach dem Fauci-Schema über 1 Jahr. Darunter Vollremission.
Literatur
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