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Eczema herpeticumB00.0
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Kaposi, 1887; Juliusberg, 1898
Definition
Das Ekzem herpeticum ist eine akute, fieberhafte, schwere, regional lokalisierte oder generalisierte Herpes simplex Infektion (HSV Infektion), die bei Menschen mit ausgedehnter atopischer Dermatitis (AD) auftritt. Die schwere virale Infektion äußert sich durch disseminierte, monomorphe Papeln und Bläschen. Sie wird im Allgemeinen von Lymphadenopathie oder Fieber begleitet (Wollenberg A 2012). Vor Einführung von Aciclovir führte die Krankheit mit einer Sterblichkeitsrate von bis zu 70 % zu einem tödlichen Ausgang ( Sanderson IR et al. 1987). Bis zur Diagnosestellung dauerte es im Durchschnitt 4,2 ± 3,4 Tage (Seegräber M et al. 2020).
Auch bei M.Darier, Pityriasis rubra pilaris, Mycosis fungoides, erythrodermischer Psoriasis, M. Grover sind generalisierte Herpes-simplex-Infektionen beschrieben.
Einige Fälle wurden während der Behandlung mit Vemurafenib und anderen Biologika beobachtet.
Vorkommen/Epidemiologie
Die Geschlechterverteilung war in einer größeren Studie mit 122 männlichen und 102 weiblichen Patienten nahezu gleich. Das Durchschnittsalter der Patienten bei Beginn der EH lag bei 27,3 ± 11,9 Jahren. Das mittlere Alter beim Auftreten der zugrunde liegenden atopischen Dermatitis betrug 9,5 ±10,1 Jahre (Seegräber M et al. 2020)
Ätiopathogenese
Verschiedene Risikofaktoren beeinflussen die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer EH, so die läsionale atopische Haut bei der Defizienzen von Nectin-1 eine Rolle spielen, wodurch das Virus in die Zelle eindringen kann (Yoon M et al. 2002; De Benedetto A et al. 2011). Die antivirale Immunantwort bei atopischer Dermatitis ist aufgrund eines Mangels an plasmazytoiden dendritischen Zellen unzureichend. Damit kommt es zu einer unzureichenden IFN- γ-Produktion (Wollenberg A et al. 2002), was zu einem allgemein höheren Risiko für virale Hautinfektionen verbunden ist. Außerdem ist der AD-assoziierte Cathelicidin-Mangel ein prädisponierender Faktor für das Eczema herpeticum (Howell MD et al. 2006). Triggerung durch UV-Exposition ist beschrieben.
Lokalisation
Vor allem Gesicht, Hals, Nacken, Brust, Arme.
Klinisches Bild
Meist fulminant, in einem einzigen akuten Schub verlaufendes, generalisiertes, symmetrisches Exanthem aus 0,1-0,2 cm großen, roten oder braunroten, krustigen, uniformen Erosionen. Bläschen werden häufig nicht (mehr) gefunden. Die punktierten, typischerweise gruppierten, auch einmal linear angeordenteten Läsionen treten in einem nahezu harmonisiertem, gleichförmigem Abstand zueinander auf. Sie befinden sich alle in einem identischen Entwicklungsstadium (offenbar findet, im Gegensatz zu den schubaktiven Varizellen -Sternenhimmel-, meist nur 1 einziger Krankheitsschub statt).
Seltener konfluieren, dichter gestaffelte Erosionen, zu größeren, pyodermisierten Wundflächen. Bakterielle Superinfektionen sind typische Begleiterscheinungen dieser generalisierten Herpes-simplex-Infektionen. Es besteht ein ausgesprochen starkes Krankheitsgefühl, hohes Fieber, Kopfschmerzen. Regionäre schmerzhafte Lymphadenopathie.
Labor
Meist nur geringe Leukozytose, inkonstante Lymphopenie. Deutlich erhöhtes CRP. In einer größeren Kohorte an Patienten mit Eczema herpeticum berichteten 66,1 % über eine Vorgeschichte von Rhinokonjunktivits allergica, 37,5 % über eine Vorgeschichte von Asthma (Seegräber M et al. 2020). Der durchschnittliche Gesamt-IgE-Serumspiegel betrug 976,64 kU/l, mit einem Minimum von 17 kU/l und einem Maximum von 37.940 kU/l.
Diagnose
S.u. Herpes simplex. Kulturelle Anzüchtung des Virus aus Bläscheninhalt (Goldstandard; spezifische und sicherste, aber aufwendige Methode).
Im Tzanck-Test vom Blasengrund Nachweis multinukleärer, epidermaler Riesenzellen.
Elektronenmikroskopie: Virusnachweis aus Bläscheninhalt mit Hilfe der Negativkontrastierung.
Differentialdiagnose
Eccema vaccinatum, akute Exazerbation des atopischen Ekzems, Pyodermie,
Komplikation(en)
Ausbreitung des HSV (Virämie) auf andere Organe. Die häufigsten Komplikationen treten im ZNS auf (aseptische Meningitis und Enzephalitis). Cave! HSV-Enzephalitis verläuft unbehandelt in 55-70% der Fälle letal.
Weitere seltene systemische Komplikationen mit möglichem letalem Ausgang: Rhabdomyolyse, Bronchopneumonie.
Okuläre Beteiligung in Form einer Keratitis herpetica.
Externe Therapie
Austrocknende Maßnahmen, antiseptische und antibiotische Trockenpinselungen: Lotio alba, evtl. mit Zusatz von 0,5-2,0% Clioquinol R050 . Bei sehr schmerzhaften Hautspannungen vorsichtige Cremebehandlung (z.B. Ungt. emulsif. aq.), jedoch keine Salben oder Fettsalben (Nachcremen nach Behandlung mit Clioquinol-Lotio).
Externa mit antiviralem Zusatz wie Idoxuridin-Lösung (Zostrum, 4mal/Tag auf befallene Haut auftragen, nicht länger als 4 Tage anwenden) kommen insbes. in den ersten 48 Stunden nach dem Auftreten der Bläschen zur Anwendung.
Interne Therapie
Aciclovir (z.B. Zovirax) i.v. (Dosis: 5 mg/kg Kg/Tag, bei immunsupprimierten Patienten 10 mg/kg KG/ alle 8 h) über 5-8 Tage. Bei wenig ausgedehnten Befunden kann eine orale Therapie mit Aciclovir 5mal/Tag 200 mg in Abständen von 4 Std. ausreichend sein. Alternativ Famciclovir (Famvir Filmtbl.) 3mal/Tag 250 mg.
Schwangerschaft: Laut Studien konnte kein Anhalt für eine fruchtschädigende Wirkung von Aciclovir nachgewiesen werden. Daher wird trotz fehlender Zulassung nach individueller Risikobewertung eine Therapie in der Schwangerschaft befürwortet ( Off-Label-Use!).
Bei bestehender Aciclovir-Therapieresistenz oder bei immunsuppressiver Erkrankung Foscarnet (Foscavir) 3mal/Tag 40 mg/kg KG als 1stündige Tropfinfusion.
Bei bakterieller Superinfektion (meist Staphylococcus aureus) Antibiotika wie Flucloxacillin (z.B. Staphylex) 3-4mal/Tag 0,5-1,0 g p.o. oder i.m. oder Dicloxacillin (z.B. InfectoStaph) 4mal/Tag 0,5-1,0 g p.o. oder Erythromycin (z.B. Erythromycin Wolff) 4mal/Tag 500 mg/Tag. Sobald als möglich Antibiose nach Antibiogramm.
Evtl. Therapieversuch mit Immunglobulinen (s.a.u. IVIG) oder Immunstimulantien (z.B. Isoprinosine, Dosis: 6-8 Tbl./Tag p.o.), insbes. zur Prophylaxe.
Verlauf/Prognose
Die Mortalität des Eccema herpeticatum, bedingt durch Virämie und multiples Organversagen, lag vor der Einführung von Aciclovir im Jahre 1977 noch bei 10-50%.
Literatur
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- Kaposi M (1887) Pathologie und Therapie der Hautkrankheiten. Urban & Schwarzenberg, Wien & Leipzig, S. 483
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