Eczema herpeticumB00.0

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. Selina Herbst

Co-Autoren:Dr. Elisabeth Hanf, Hadrian Tran

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

This article in english

Synonym(e)

Eccema herpeticatum; Eccema herpetiforme Kaposi; Eccema herpetiformis; Eczema herpeticatum; Eczema herpeticum; Ekzema herpeticatum; Eruption Kaposi varizelliforme; Kaposi's varicelliform eruption; Kaposis varicelliform eruption; Kaposi varicelliform eruption; Pustulosis acuta varicelliformis; Pustulosis acuta varioliformis Juliusberg; Pustulosis herpetica infantum; Pustulosis vacciniformis acuta; Varizelliforme Eruption Kaposi

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Erstbeschreiber

Kaposi, 1887; Juliusberg, 1898

Definition

Das Ekzem herpeticum ist eine akute, fieberhafte, schwere, regional lokalisierte oder generalisierte Herpes simplex Infektion (HSV Infektion), die bei Menschen mit ausgedehnter atopischer Dermatitis (AD) auftritt. Die schwere virale Infektion äußert sich durch disseminierte, monomorphe Papeln und Bläschen. Sie wird im Allgemeinen von Lymphadenopathie oder Fieber begleitet (Wollenberg A 2012). Vor Einführung von Aciclovir führte die Krankheit mit einer Sterblichkeitsrate von bis zu 70 % zu einem tödlichen Ausgang ( Sanderson IR et al. 1987). Bis zur Diagnosestellung dauerte es im Durchschnitt 4,2 ± 3,4 Tage (Seegräber M et al. 2020).

Auch bei M.Darier, Pityriasis rubra pilaris, Mycosis fungoides, erythrodermischer Psoriasis, M. Grover sind generalisierte Herpes-simplex-Infektionen beschrieben. 

Einige Fälle wurden während der Behandlung mit Vemurafenib und anderen Biologika beobachtet.  

Vorkommen/Epidemiologie

Die Geschlechterverteilung war in einer größeren Studie mit 122 männlichen und 102 weiblichen Patienten nahezu gleich. Das Durchschnittsalter der Patienten bei Beginn der EH lag bei 27,3 ± 11,9 Jahren. Das mittlere Alter beim Auftreten der zugrunde liegenden atopischen Dermatitis betrug 9,5 ±10,1 Jahre (Seegräber M et al. 2020)

Ätiopathogenese

Verschiedene Risikofaktoren beeinflussen die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer EH, so die läsionale atopische Haut bei der Defizienzen von Nectin-1 eine Rolle spielen, wodurch das Virus in die Zelle eindringen kann (Yoon M et al. 2002; De Benedetto A et al. 2011). Die antivirale Immunantwort bei atopischer Dermatitis ist aufgrund eines Mangels an plasmazytoiden dendritischen Zellen unzureichend. Damit kommt es zu einer unzureichenden IFN- γ-Produktion (Wollenberg A et al. 2002), was zu einem allgemein höheren Risiko für virale Hautinfektionen verbunden ist. Außerdem ist der AD-assoziierte Cathelicidin-Mangel ein prädisponierender Faktor für das Eczema herpeticum (Howell MD et al. 2006). Triggerung durch UV-Exposition ist beschrieben. 

Lokalisation

Vor allem Gesicht, Hals, Nacken, Brust, Arme.

Klinisches Bild

Meist fulminant, in einem einzigen akuten Schub verlaufendes, generalisiertes, symmetrisches Exanthem aus  0,1-0,2 cm großen, roten oder braunroten, krustigen, uniformen Erosionen. Bläschen werden häufig nicht (mehr) gefunden. Die punktierten, typischerweise gruppierten, auch einmal linear angeordenteten Läsionen treten in einem nahezu harmonisiertem, gleichförmigem Abstand zueinander auf. Sie befinden sich alle in einem identischen Entwicklungsstadium (offenbar findet, im Gegensatz zu den schubaktiven Varizellen -Sternenhimmel-, meist nur 1 einziger Krankheitsschub statt). 

Seltener konfluieren, dichter gestaffelte Erosionen, zu größeren, pyodermisierten Wundflächen. Bakterielle Superinfektionen sind typische Begleiterscheinungen dieser generalisierten Herpes-simplex-Infektionen. Es besteht ein ausgesprochen starkes Krankheitsgefühl, hohes Fieber, Kopfschmerzen. Regionäre schmerzhafte Lymphadenopathie.

Labor

Meist nur geringe Leukozytose, inkonstante Lymphopenie. Deutlich erhöhtes CRP. In einer größeren Kohorte an Patienten mit Eczema herpeticum berichteten 66,1 % über eine Vorgeschichte von Rhinokonjunktivits allergica, 37,5 % über eine Vorgeschichte von Asthma (Seegräber M et al. 2020). Der durchschnittliche Gesamt-IgE-Serumspiegel betrug 976,64 kU/l, mit einem Minimum von 17 kU/l und einem Maximum von 37.940 kU/l.

Diagnose

S.u. Herpes simplex. Kulturelle Anzüchtung des Virus aus Bläscheninhalt (Goldstandard; spezifische und sicherste, aber aufwendige Methode).

Im Tzanck-Test vom Blasengrund Nachweis multinukleärer, epidermaler Riesenzellen.

Elektronenmikroskopie: Virusnachweis aus Bläscheninhalt mit Hilfe der Negativkontrastierung.

Differentialdiagnose

 Eccema vaccinatum, akute Exazerbation des atopischen Ekzems, Pyodermie,

Komplikation(en)

Ausbreitung des HSV (Virämie) auf andere Organe. Die häufigsten Komplikationen treten im ZNS auf (aseptische Meningitis und Enzephalitis). Cave! HSV-Enzephalitis verläuft unbehandelt in 55-70% der Fälle letal. 

Weitere seltene systemische Komplikationen mit möglichem letalem Ausgang: Rhabdomyolyse, Bronchopneumonie.

Okuläre Beteiligung in Form einer Keratitis herpetica.

 

Externe Therapie

Austrocknende Maßnahmen, antiseptische und antibiotische Trockenpinselungen: Lotio alba, evtl. mit Zusatz von 0,5-2,0% Clioquinol R050 . Bei sehr schmerzhaften Hautspannungen vorsichtige Cremebehandlung (z.B. Ungt. emulsif. aq.), jedoch keine Salben oder Fettsalben (Nachcremen nach Behandlung mit Clioquinol-Lotio).

Externa mit antiviralem Zusatz wie Idoxuridin-Lösung (Zostrum, 4mal/Tag auf befallene Haut auftragen, nicht länger als 4 Tage anwenden) kommen insbes. in den ersten 48 Stunden nach dem Auftreten der Bläschen zur Anwendung.

Interne Therapie

Aciclovir (z.B. Zovirax) i.v. (Dosis: 5 mg/kg Kg/Tag, bei immunsupprimierten Patienten 10 mg/kg KG/ alle 8 h) über 5-8 Tage. Bei wenig ausgedehnten Befunden kann eine orale Therapie mit Aciclovir 5mal/Tag 200 mg in Abständen von 4 Std. ausreichend sein. Alternativ Famciclovir (Famvir Filmtbl.) 3mal/Tag 250 mg.

Schwangerschaft: Laut Studien konnte kein Anhalt für eine fruchtschädigende Wirkung von Aciclovir nachgewiesen werden. Daher wird trotz fehlender Zulassung nach individueller Risikobewertung eine Therapie in der Schwangerschaft befürwortet ( Off-Label-Use!).

Bei bestehender Aciclovir-Therapieresistenz oder bei immunsuppressiver Erkrankung Foscarnet (Foscavir) 3mal/Tag 40 mg/kg KG als 1stündige Tropfinfusion.

Bei bakterieller Superinfektion (meist Staphylococcus aureus) Antibiotika wie Flucloxacillin (z.B. Staphylex) 3-4mal/Tag 0,5-1,0 g p.o. oder i.m. oder Dicloxacillin (z.B. InfectoStaph) 4mal/Tag 0,5-1,0 g p.o. oder Erythromycin (z.B. Erythromycin Wolff) 4mal/Tag 500 mg/Tag. Sobald als möglich Antibiose nach Antibiogramm.

Evtl. Therapieversuch mit Immunglobulinen (s.a.u. IVIG) oder Immunstimulantien (z.B. Isoprinosine, Dosis: 6-8 Tbl./Tag p.o.), insbes. zur Prophylaxe.

Verlauf/Prognose

Die Mortalität des Eccema herpeticatum, bedingt durch Virämie und multiples Organversagen, lag vor der Einführung von Aciclovir im Jahre 1977 noch bei 10-50%.

Literatur

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  2. Bunce PA et al. (2013) Grover's disease secondarily infected with herpessimplex virus and Staphylococcus aureus: case report and review. Australas J Dermatol 54:88-91
  3.  De Benedetto A et al. (2011) Reductions in claudin-1 may enhance susceptibility to herpes simplex virus 1 infections in atopic dermatitis. J Allergy Clin Immunol 128: 242-246 e5.
  4. Garg G et al.(2012) Psoriasis Herpeticum due to Varicella Zoster Virus: A Kaposi's Varicelliform Eruption in Erythrodermic Psoriasis. Indian J Dermatol 57:213-214
  5. Gupta M et al. (2012) Unusual complication of vemurafenib treatment of metastatic melanoma: exacerbation of acantholytic dyskeratosis complicated by Kaposi varicelliform eruption. Arch Dermatol 148:966-968
  6. Howell MD et al. (2006) Cathelicidin deficiency predisposes to eczema herpeticum. J Allergy Clin Immunol. 2006;117(4):836-41.
  7. Juliusberg F (1898) Über Pustulosis acuta varioliformis. Arch Derm Syph 46: 21-28
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  9. Mathes EF et al. (2013) "Eczema coxsackium" and unusual cutaneous findings in an enterovirus outbreak. Pediatrics 132:149-157
  10. Rappersberger K (1999) Infektionen mit Herpes-simplex- und Varizella-Zoster-Viren in der Schwangerschaft. Klinische Manifestation bei Mutter, Fötus und Neugeborenen - therapeutische Optionen. Hautarzt 50: 706-714
  11.  Sanderson IR et al. (1987) Eczema herpeticum: a potentially fatal disease. Br Med J (Clin Res Ed) 294(6573):693-694.
  12. Moustafa GA et al. (2022) Facial Eczema Herpeticum. J Pediatr 248:126.
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  15. Wollenberg A et al. (2002)  Plasmacytoid dendritic cells: a new cutaneous dendritic cell subset with distinct role in inflammatory skin diseases. J Invest Dermatol 119(5):1096-1102.
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