Rickettsia

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

Orientia tsutsugamushi; Orientta; R.acari; R.australis; R.conori; Rickettsia; Rickettsiaceae; Rickettsien; R.prowazekii; r.rickettsii; R.typhi

Erstbeschreiber

Rickettsien wurden nach dem englischen Pathologen Howard Taylor Ricketts benannt, der unter anderem das Rocky-Mountains-Fleckfieber beschrieb. Er konnte dessen Erreger  im Blut infizierter Menschen nachweisen. Howard Taylor Ricketts infizierte sich bei seinen Forschungsarbeiten mit Rickettsien und verstarb im Jahre 1910 an dieser Infektion.

Rickettsien wurden früher als nahe Verwandte der Viren angesehen, da sie kleiner als Bakterien sind und da ihre Vermehrung — ähnlich wie die der Viren — nur innerhalb lebender Zellen stattfindet. Abgesehen davon, dass Rickettsien extrem anspruchsvoll in ihren Wachstumsbedingungen sind, ist jedoch heute gesichert, daß Rickettsien kleine, obligat parasitäre, echte Bakterien sind, bei denen sich alle strukturellen Besonderheiten der Bakterien, ferner sämtliche Enzyme sowie alle Bauelemente der Bakterienzellwand nachweisen lassen. So oxydieren sie intermediäre Stoffwechselprodukte wie Brenztraubensäure, Bernsteinsäure und Glutaminsäure und können Glutaminsäure in Asparaginsäure umwandeln.

Definition

Die Gattungen Rickettsia /und Orientia umfassen pleomorphe, kokkoide oder kurze Stäbchenbakterien mit einer Größe von 0,5-1,5μm.  Ihr Zellaufbau entspricht dem von gramnegativen Bakterien. Rickettsien vermehren sich ausschließlich intrazellulär im Zytoplasma von Endothelzellen und Makrophagen. Auch die Vermehrung durch Querteilung findet im Inneren der Wirtszelle statt. Die Freisetzung der Bakterien erfolgt anschließend durch Abschnürung aus der Zellmembran (Exozytose) oder durch Lyse, wodurch die Wirtszelle zerstört wird. Aufgrund ihrer Abhängigkeit von der Wirtszelle können die Bakterien im Labor nicht in künstlichen Nährmedien gehalten werden. Man züchtet sie daher entweder in biologischen Geweben oder Embryo-Kulturen (typischerweise werden Hühnerembryonen verwendet). Menschenpathogene Rickettsien werden ausschließlich von Arthropoden übertragen.

Rickettsien vermehren sich in verschiedenen Anteilen der Zelle. Die zur Gruppe des Fleckfiebers gehörenden Arten lassen sich im Allgemeinen im Zytoplasma der Zellen nachweisen, die Arten, die der "spotted fever-Gruppe" zuzurechnen sind, dagegen im Zellkern. Die physiologische Grundlage für den obligaten Parasitismus der Rickettsien ist jedoch seit mehr als 90 Jahren rätselhaft geblieben.

Das natürliche Reservoir dieser Mikroorganismen sind Arthropoden, in denen sie — ohne daß eine fassbare Krankheit bei diesem Wirt entsteht — leben können. Werden sie dagegen auf einen „Fehlwirt“ wie z. B. den Menschen, übertragen, so können sie für diesen Fehlwirt pathogene wirken. Der Mensch als Endwirt spielt nur bei den Spätrezidiven des klassischen Fleckfiebers (Brill-Zinsser-Krankheit) eine Rolle. Eine Anzüchtung und Anreicherung gelingen in Zellkulturen oder im Tierversuch, erfordern aber die Sicherheitsstandards eines Hochsicherheitslabors (BSL 3). Eine Isolierung ist auf gängigen mikrobiologischen Nährböden nicht möglich.

Einteilung

In der Ordnung Rickettsiales findet sich in der Familie Rickettsiaceae mit diversen Gattungen  und wichtigen humanpathogene Vertreter. Die humanpathogenen Spezies der Gattung Rickettsia lassen sich in 3(4) Gruppen zusammenfassen (s.a. Rickettsiosen):

Fleckfiebergruppe (typhus-group)

Zeckenbissfieber (spotted fever group)

  • Rickettsia akari (Rickettsienpocken)
  • Rickettsia africae (Afrikanisches Zeckenbissfieber/(African tick bite fever)
  • Rickettsia australis (Queensland-Zeckenbissfieber)
  • Rickettsia conorii (Mittelmeerfleckfieber/Boutonneuse-Fieber)
  • Rickettsia rickettsii (Rocky Mountain spotted Fever)
  • Rickettsia sibiricae (nordasiatisches oder sibirisches Zeckenbissfieber/sibirian tick typhus)
  • Rickettsia japonica (japanisches Fleckfieber)
  • Rickettsia felis (Flohfleckfieber/Katzenflochtyphus, cat flea typhus)

Tsutsugamushi-Fieber-Gruppe

  • Orientia tsutsugamsuhi (Japanisches Fleckfieber; scrub typhus)

Coxiella burnetti (Q-Fieber): wird taxonomisch als eigene Gruppe geführt

Rickettsiosen im weiteren Sinne

  • Zu den Rickettsiosen im weiteren Sinne gelten Ehrlichia, Anaplasmen und Neorickettsiosen  

 

Pathophysiologie

Rickettsia wird mit den Fäzes von Arthropoden, bei Zecken auch mit dem Speichel übertragen. Um in eukaryotische Zellen einzudringen nutzen Rickettsien offenbar die Proteinkinase Ku 70 in Endothelzellen, die einen Rezeptor für OmpB Proteine an der Zellwand von Rickettsien darstellt. Über diesen Rezeptor wird erst die Invasion in die Endothelzelle des Wirtes mit nachfolgender schwerer Schädigung bis zu Apoptose ermöglicht.  Die Erreger befallen v.a. die Endothelzellen der kleinen Blutgefäße. Innerhalb der Wirtszelle liegen die Rickettsien in einer Vakuole in der sie sich vermehren können. Dies führt zu einer Ausdehnung der Vakuole, die das ganze Zytoplasma einnehmen kann. Die Zelle stirbt ab. Der Erreger gelangt schubweise in den Blutstrom wo sie von Makrophagen phagozytiert werden. Es resultieren kleine Endothelläsionen die zu einer fokalen Vaskulitis mit Thrombosierungen der Kapillaren und Hyperplasie der Endothelien führt. Die Folge der Vaskulitiden sind fokale Nekrosen.  

Ähnlich erklärt man sich auch funktionell die Pathophysiologie der sehr schwer verlaufenden Rickettsiosen; wie z. B. beim klassischen Fleckfieber oder beim Rocky-Mountain-Spotted-Fieber. Hier kommt es disseminiert in der Haut, im Gehirn, im Myokard, in den Nieren und in vielen weiteren Organen zum Auftreten multipler Vaskulitiden, die mit Mikrothrombosierungen und konsekutiven Nekrosen einhergehen und so die Schwere dieser Krankheitsverläufe und ihre hohe Letalität erklären. Rickettsiosen hinterlassen eine lange andauernde, wahrscheinlich zellvermittelte Immunität. Die Ursachen der zum Teil sehr deutlichen Unterschiede in der Virulenz innerhalb der Rickettsienarten sind noch nicht näher bekannt.     

Klinisches Bild

Alle Rickettsiosen im klinischen Verlauf ähnlich: Inkubationszeit 3 – 20 Tage, Beginn mit allgemeinen Krankheitszeichen:  Hohes Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien, abdominelle Schmerzen, Lymphadenopathie, allgemeines Krankheitsgefühl, Nausea, glgtl. Hepatosplenomegalie,  Transaminasenerhöhung, Thrombozythämie.  

Komplikationen: pulmonal, neurologisch, okulär, hepatisch, kardial in unterschiedlicher Ausprägung. Verlauf hängt von kardialer und ZNS Beteiligung ab.

Unbehandelt Letalitätsraten:

  • klassischem Fleckfieber 40 %
  • Rocky mounted spotted Fever > 20 %
  • mediterranes Zeckenbissfieber < 3 % 
  • bei adäquater Behandlung 1 – 2 %.

Die Infektionen hinterlassen langzeitige Immunität.

Diagnostik

In der Frühphase der Infektion können die Erreger mittels real time-PCR aus EDTA-Blut des Patienten detektiert werden, nach der Entwicklung des Eschars (bei Fleckfieber) mittels Realtime-PCR auch in dieser nekrotischen Hautläsion, die der Inokulationsstelle der Erreger entspricht. Hierzu kann eine kleine Probe des Eschars in das Labor eingesendet werden, gute Ergebnisse werden auch mit einem feuchten Abstrich des Eschars erzielt. Bei positiver PCR erfolgt die Sequenzierung und Bestimmung der verantwortlichen Rickettsien-Spezies.  Auch Zecken, Kleiderläuse und Flöhe von Patienten mit entsprechender Symptomatik können mit der Real time-PCR und, im positiven Falle mit anschließenden Sequenzierung, auf diese Erreger untersucht werden. 

Serologie: Zusätzlich zur PCR kann das Patientenblut auch serologisch auf das Vorliegen einer Rickettsiose untersucht werden. Bis zur Serokonversion vergehen allerdings oft mehr als 5 Tage. In der indirekten Immunfluoreszenz werden IgM- und IgG-Antikörper gegen Rickettsien (Zeckenbissfieber-Rickettsien und gegen Fleckfieber-Rickettsien) bestimmt.

Histologie

Eschar: Histopathologisch zeigt sich an  der Eintrittsstelle eine nekrotisierende Vaskulitis, die sich klinisch mit einer zentralen Nekrose in einem livide roten Infiltrat manifestiert. Diese mit schwärzlichem Schorf belegte Primärläsion wird in der Tropenmedizin als „Eschar“ oder „tache noir“ bezeichnet und ist oft von einer Lymphangitis begleitet. Sie ist beispielsweise Leitsymptom für das afrikanische Zeckenbissfieber.

Therapie

Tetracycline, z.B. zweiwöchige Gabe von Doxycyclin.

Alternativ können Chinolone eingesetzt werden.

Bei Infektionen des Zentralen Nervensystems kommen Chloramphenicol oder (das Tetrazyklin) Doxycyclin in Kombination mit Chinolonen und/oder Rifampicin als antimikrobielle Arzneimittel in Betracht.

In feuchten Medien erfolgt eine Abtötung bei 50 °C in 15 Minuten. Auch mit herkömmlichen Desinfektionsmitteln lassen sich die Pathogene wirksam zerstören.

Hinweis(e)

Wegen ihrer Zellabhängigkeit und ihres reduzierten Stoffwechsels wurden Rickettsien in der Vergangenheit zwischen den Viren und den Bakterien eingruppiert, gleichsam als eine „Zwischenspezies“. Man bezeichnete sie lange auch als „Große Viren“.

In Europa verstarben zum Zeitpunkt der beiden Weltkriege noch Millionen von Menschen an Fleckfieber. Infolge der Vernichtung der Kleiderlaus ist die Erkrankung in Europa verschwunden. Retrospektiv können nach Aussagen von US Epidemiologen  im Vietnam-Krieg 1966 -1969 etwa 40 - 45 % der 225000 durch Fieber unklarer Genese (FUO) hervorgerufenen „lost man days“ auf Rickettsiosen zurückgeführt werden. In einigen Andentälern sind Rickettsiosen noch endemisch.

Coxiella burnetii, Rickettsia prowazekii, Rickettsia typhi und Rickettsia rickettsii sind besonders wichtig, da sie länger außerhalb ihres Vektors überleben können und extrem infektiös sind. Sie gelten als potenzielle Erreger für bioterroristische Anschläge.

Literatur
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  1. Badger LF (1993) Rocky Mountain spotted fever and boutonneuse fever. A study of their immunological relationship. Publ Hlth Rep (Wash.) 48: 507
  2. Caron  J et al. (2008) Rickettsia sibirica subsp. mongolitimonae infection and retinal vasculitis. Emerg Infect Dis 14:683–684.
  3. Fournier  PE et al. (2005) Lymphangitis-associated rickettsiosis, a new rickettsiosis caused by Rickettsia sibirica mongolotimonae: Seven new cases and review of the literature. Clin Infect Dis 40:1435–1444.
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  5. Loftis  AD et al. (2006) Rickettsial agents in Egyptian ticks collected from domestic animals. Exp Appl Acarol 40:67–81.
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  8. Ricketts HT (1909): A micro-organism which apparently has a relationship to Rocky Mountain spotted fever. J Amer med Ass 52: 379
  9. Wilson  ME et al. (2007) Fever in returned travelers: results from the GeoSentinel Surveillance Network. Clin Infect Dis 44:1560–1568.
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