Synonym(e)
Erstbeschreiber
Itard beschrieb als erster 1803 den Begriff Pneumothorax. Dieser Begriff wurde dann 1819 von Laennec geprägt als Luftansammlung in der Pleurahöhle. Seinerzeit trat ein Pneumothorax nahezu ausschließlich bei Tuberkuloseerkrankten auf.
Die erste Beschreibung eines primären Spontanpneumothorax ohne Vorerkrankungen stammt 1932 von Kjaergaard.
Einteilung
Ätiologisch wird unterschieden zwischen:
- primärem (Spontan-) Pneu: hier kommt es zu einer Ruptur von max. 1-2 cm großen Pleurablasen, bevorzugt im apikalen Segment und meistens von direkt unter der Pleura gelegenen Blasen.
- sekundärem Pneu: betrifft Patienten mit den unterschiedlichsten Lungenvorerkrankungen
- traumatischem Pneu: bedingt durch Rippenfraktur, Thoraxtrauma etc.
- iatrogenem Pneu: besonders nach Subklaviakatheter, Pleurapunktion, Überdruckbeatmung, Thoraxchirurgie, transbronchialer Biopsie und sehr selten, aber beschrieben, bei schlanken Patienten infolge paravertebraler Quaddelung
- Spannungspneu: tritt gehäuft auf bei beatmeten Patienten, aber auch bei sekundärem bzw. traumatischem Pneu
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Vorkommen/Epidemiologie
Der primäre Pneumothorax tritt bei jüngeren Männern bis zu 6 x häufiger auf als bei Frauen. Die Inzidenz beträgt etwa 9 /100.000. Die Rezidivrate liegt zwischen ca. 30 % - 50 %, je nach Literatur. Betroffen sind in erster Linie Raucher, was den Verdacht auf eine subklinische Lungenerkrankung nahelegt. Diese Art von Pneumothorax kann aber auch bei bislang lungengesunden Nichtrauchern auftreten.
Der sekundäre Pneumothorax tritt deutlich häufiger auf (ca. 5 x so oft). Auch hier sind Männer öfter betroffen als Frauen.
Der Spannungspneu ist ein seltenes Krankheitsbild und macht nur ca. 3 % der Pneumothoraxe aus.
Die Sterblichkeit beim Pneumothorax insgesamt liegt bei unter 45 jährigen bei 0,03 % und steigt dann deutlich an. Bei 90 jährigen beträgt sie über 16 %.
Klinisches Bild
Sobald Luft in den Pleuraraum eindringt, wird der physiologische Unterdruck des Pleuraraumes aufgehoben und es kommt zu einem Lungenkollaps. Der dadurch erfolgte plötzliche Rückgang der Perfusion in der kollabierten Lunge, wird innerhalb von wenigen Sekunden durch den Euler-Liljestrand-Reflex kompensiert und erreicht bereits nach ca. 15 Min. ein Plateau. Aus diesem Grunde besteht beim Patienten bei Eintreffen in der Klinik oftmals keine Hypoxämie, sondern eine kompensatorische Hyperventilation. Entsprechend der Genese des Erkrankung unterscheidet sich das klinische Bild teilweise. Gemeinsam treten meistens folgende Symptome auf:
- an der betroffenen Thoraxseite stechende Schmerzen
- Dyspnoe
- oftmals Tachypnoe
- Hustenreiz
- atemabhängige asymmetrische Thoraxbewegung
- mitunter auch sehr blander Verlauf bei jungen und/oder bislang lungengesunden Patienten
Sekun1därer Spontanpneu
Der sekundäre Spontanpneu, der bei Patienten mit den unterschiedlichsten Lungenvorerkrankungen auftritt, verläuft von den Symptomen her wesentlich bedrohlicher, da diesen Patienten die pulmonale Reservekapazität, über die Lungengesunde verfügen, fehlt.
Iatrogener bzw. posttraumatischer Pneu:
- evtl. Hautemphysem an der betroffenen Thoraxseite
Spannungspneu:
Der Spannungspneu ist eine selten auftretende Erkrankung. Hierbei gelangt bei jedem Atemzug aufgrund des Ventilmechanismus‘ Luft in den Pleuraraum, die bei der Expiration nicht mehr entweichen kann. Es kommt dadurch zu einem Druckanstieg im Pleuraraum, was wiederum das Mediastinum zur gesunden Seite verdrängt. Dieses bewirkt eine Kompression der gesunden Lungenseite und eine Behinderung des venösen Rückflusses. In Folge steigt der ZVD an und das HZV sinkt.
Folgende Symptome sind charaktersitisch:
- dramatisches Krankheitsbild
- mitunter innerhalb von Minuten oder Stunden stärkste Luftnot
- Zyanose
- Tachykardie
- Hautemphysem an der betroffenen Seite
- Zeichen der oberen Einflussstauung
- oftmals Schocksymptomatik
- ZVD steigt
- HZV sinkt
Diagnose
Anamnese: insbesondere Hinweise auf früheren Pneu, zeitnahe ärztliche Eingriffe, Thoraxtrauma, bestehende Lungenerkrankungen etc. erfragen
Auskultation: Fehlendes oder abgeschwächtes Atemgeräusch auf der betroffenen Seite (nicht oder kaum auskultierbar bei Patienten mit Lungenvorerkrankungen, insbesondere Lungenemphysem).
Sonografie: Die Sonografie ist der Röntgenaufnahme eines Pneus gleichwertig, bei der Diagnose eines okkulten Pneus sogar überlegen. Das Ausmaß des Pneus und des Lungenkollapses lassen sich durch die Sonografie aber nicht abschätzen. Hinweis: Die Sonografie sollte in Rückenlage erfolgen, der Sonokopf über der MCL an der höchsten Erhebung des Brustkorbes liegen.
Sofern ein Pneu vorliegt, lassen sich im B-Mode weder ein Lungengleiten, noch im M-Mode das sogenannte Seashore-Zeichen erkennen. Stattdessen sind horizontale Skylinien, sog. Barcode-Sign oder Stratosphere-Sign, darstellbar. Diese treten typischerweise bei Patienten mit Pneumothorax auf.
Besondere Bedeutung bei der Ultraschalldiagnostik des Pneus kommt dem sogenannten Lungenpunkt (lung point) im M-Mode zu, d. h. dem Übergang der der Thoraxwand anliegenden Lunge und dem Beginn des Pneus. Der Lungenpunkt hat (je nach Literatur) eine Spezifität von 98% bis sogar 100%. Da dieser Punkt aber nicht immer darstellbar ist, liegt die Sensitivität deutlich niedriger.
Differentialdiagnose
Beim Spontanpneu:
- Lungenembolie
- Myokardinfarkt
- Pleuritis
- Perikarditis
- Frühform der Histiocytosis X (auch Langerhans-Zell-Histiozytose genannt)
Therapie
Abhängig von der klinischen Symptomatik sind therapeutisch möglich:
- kontrolliertes Abwarten
- Sauerstoffgabe
- Pleuradrainage mit oder ohne Sog
- thoraxchirurgische Interventionen
Pleurasaugdrainage: Dazu wird die Pleura im 2. ICR medioklavikulär am oberen (!) Rippenrand punktiert. Alternativ kann die Punktion auch im 4. ICR in der hinteren Axillarlinie erfolgen. Nach einem initialen Ansaugen wird ein Dauersog mit ca. 10 cm H²O (bei zu starkem Sog besteht die Gefahr eines Reexpansionsödems) angelegt. Die Drainage sollte so liegen, dass die Pleurakuppe drainiert wird.
Primärer Spontanpneu: Falls es sich um einen sehr kleinen Pneu handelt und der Patient nicht über Atemnot klagt, ist eine ambulante Behandlung mit der Vorgabe, sich bei Zunahme der Symptomatik umgehend wieder vorzustellen, möglich. Eine Kontrolluntersuchung sollte aber auf jeden Fall innerhalb von 24 h erfolgen. Es empfiehlt sich dann die wöchentliche Röntgenübersichtsaufnahme zur Kontrolle des Verlaufes. Die vollständige Resorption eines Pneumothorax kann bis zu 6 Wochen dauern, bei persistierenden Luftlecks auch länger.
Selektierte Patienten mit größerem Pneu können nach Anlegen einer kleinlumigen Thoraxdrainage (8 - 14 CH) ebenfalls ambulant behandelt werden. Ein entsprechendes Nachsorgeprogramm mit wöchentlicher Röntgenübersichtsaufnahme zur Kontrolle ist erforderlich.
Ansonsten empfiehlt sich beim erstmaligen Ereignis die einfache Absaugung der Blasen unter Röntgenkontrolle. Damit sich die Lunge wieder entfalten kann, sollte der Drain mit oder ohne Sog (dann mit Heimlich-Ventil) für 2-3 Tage belassen bleiben. Nach dieser Zeit sollten etwa 80 % der Lunge expandiert sein. Falls das nicht der Fall ist, empfiehlt sich ein erneuter Sog mit einem großen Katheter für weitere 3-4 Tage. Sollte sich die Lunge auch darunter nicht entfalten können, muss der Patient dem Chirurgen vorgestellt werden.
Bei einem Rezidiv auf der selben Seite sollte der Patient umgehend dem Chirurgen überwiesen werden. Bei einem Rezidiv auf der Gegenseite muss im Einzelfall entschieden werden, ob zunächst ein Versuch mit einer Drainage sinnvoll ist oder ob der Patient sofort dem Chirurgen vorgestellt werden sollte.
Sekundärer Pneumothorax: Bei Patienten mit einer vorbekannten fibrosierenden Lungenerkrankung ist die Indikation zu einer operativen Versorgung sehr zurückhaltend zu stellen. Retrospektive Studien haben gezeigt, dass sowohl die Rezidivrate als auch die Mortalität in solchen Fällen deutlich höher sind als z. B. bei COPD-Vorerkrankten. Es empfiehlt sich deshalb die Behandlung mit einer Drainage.
Hinweis: Bei potenziellen Patienten zur Lungentransplantation tritt nicht selten ein Pneumothorax auf. Hier sollte das therapeutische Vorgehen immer engmaschig mit dem Transplantationszentrum abgestimmt werden, da die Pleurodese z. B. das postoperative Risiko nach der Transplantation zu versterben, erhöht. Ansonsten empfiehlt sich bei den meisten Patienten mit sekundärem Pneu zunächst eine Saugdrainage. Falls das Leck persistieren sollte, sich die Lunge nach dreitägiger Drainage nicht entfaltet oder es sich um ein Pneumothorax-Rezidiv handelt, muss der Patient dem Thoraxchirurgen vorgestellt werden.
Traumatischer/iatrogener Pneumothorax: Ein traumatischer /iatrogener Pneu wird i. d. R. mit einer Thoraxdrainage versehen. Ausnahme: sehr kleiner Pneu (bis zu einem Querfinger). Hierbei kann die Behandlung in reiner Beobachtung mit oder ohne Sauerstoffzufuhr bestehen. Falls ein Hämatopneumothorax vorliegt, sollte der Patient dem Thoraxchirurgen vorgestellt werden. In anderer Literatur wird auch eine zunächst konservative Behandlung empfohlen. Man sollte dem Patienten eine Drainage in die obere Brustkorbhälfte legen, um die Luft entleeren zu können und eine weitere Drainage in die untere Thoraxhälfte, um das Blut abfließen zu lassen. Wenn diese Maßnahme nicht erfolgreich ist, sollte ein Thoraxchirurg hinzugezogen werden.
Spannungspneumothorax: Hierbei handelt es sich um einen dringenden medizinischen Notfall. Der Patient kann durch den Überdruck im Pleuraraum innerhalb kurzer Zeit an nicht ausreichendem Herzvolumen oder an schwerer Hypoxie versterben. Notfallmäßig (auch bei zu langen Vorbereitungen zur Diagnostik) sollte deshalb eine großkalibrige lange Kanüle (20 G oder 1er Nadel) ohne aufgesetzte Spritze durch den 2. ICR medioklavikulär in die Pleurahöhle eingeführt werden. Durch die venöse Einflussstauung kann es ungewöhnlich stark bluten, die Nadel sollte aber dennoch weiter vorgeschoben werden, bis der Thoraxraum erreicht ist und Luft austritt. Sobald sich eine Menge von ca. 50 – 100 ml/min an Gas entleert hat, führt das schon i. d. R. zu einer sofortigen klinischen Stabilisierung. Die Kanüle sollte so lange belassen werden, bis eine Pleuradrainage gelegt werden kann.
Verlauf/Prognose
Bei bis zu 50 % der Patienten mit primärem Spontanpneu kommt es im 1. Jahr zu Rezidiven. Es empfiehlt sich deshalb - sofern der Patient Raucher ist - ein dringender Verzicht auf das Rauchen.
Tauchsport sollte dauerhaft vermieden werden. Nur Patienten, bei denen eine offene chirurgische bilaterale Pneumektomie durchgeführt wurde und bei denen postoperativ sowohl die CT-Untersuchung als auch die Lungenfunktion unauffällige Befunde zeigen, können diese Sportart weiterhin ausüben.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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