Synonym(e)
Erstbeschreiber
Bühler et al. erkannten als Erste den Zusammenhang zwischen HCA und oraler Kontrazeptiva im Jahre 1982. Aber bereits im Jahre 1977 beschrieben Edmondson et al. die Rückbildung eines HCA nach Absetzen oraler Kontrazeptiva.
Als erster Subtyp wurde HNF- 1A- inaktiviertes HCA von Bluteau et a. 2002 geschrieben (Wang 2022). Im Jahre 2017 empfahl eine Gruppe französischer Forscher auf Grundlage einer Genomanalyse eine neue Klassifizierung des HCA und identifizierte dabei 3 neue Subtypen (Renzulli 2019).
Definition
Beim hepatozellulären Adenom (HCA) handelt es sich um eine heterogene Gruppe (Wang 2022) eines monoklonal entstandenen benignen Lebertumors (Herold 2022), der singulär oder multipel auftreten kann (Berg 2023).
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Einteilung
Das HCA zählt zu den benignen Tumoren der Leber (Heise 2023). Er kann mehr als 10 cm Durchmesser erreichen. In den letzten zwei Jahrzehnten gab es erhebliche Fortschritte bei der Erforschung und Diagnostik des HCA, was zur molekularen und immunhistologischen HCA- Klassifikation führte (Bioulac- Sage 2022).
Unterteilt wird das HCA derzeit in 6 verschiedene Hauptsubtypen, die mit spezifischen Risikofaktoren zusammenhängen und ein unterschiedliches biologisches Verhalten zeigen (Klompenhouwer 2020):
1. H- HCA (HNF1A inaktiviertes HCA [Klompenhouwer 2020]):
- Risikofaktoren: MODY Typ 3, HNF1A- Keimbahnmutationen, Mikrosatelliteninstabilität
- Klinische Merkmale: Hepatische Adenomatose
- Histologische Merkmale: Intraläsionale Steatose (Hahn 2020)
- Häufigkeit: 30 – 35 % (Renzulli 2019)
2. I- HCA (entzündliches HCA [Klompenhouwer 2020]):
- Risikofaktoren: Adipositas, Alkohol, Glykogenose
- Klinische Merkmale: Entzündliches Syndrom
- Histologische Merkmale: Entzündliches Infiltrat, sinusförmige Erweiterung
- Häufigkeit: 30 – 50 % (Hahn 2020)
3. b ex3- HCA
- Risikofaktoren: Androgen- Therapie, männliches Geschlecht, Lebergefäßerkrankung
- Klinische Merkmale: Häufig auftretende maligne Entartung
- Histologische Merkmale: Leichte Kernatypie, pseudoazinäre Bildung (Hahn 2020)
- Häufigkeit: 7 % (Renzulli 2019)
4. b- ex- 7,8 HCA
- Risikofaktoren: Keine spezifischen Risikofaktoren bekannt
- Klinische Merkmale: Keine spezifischen klinischen Merkmale bekannt
- Histologische Merkmale: Keine besonderen Merkmale bekannt (Hahn 2020)
- Häufigkeit: 3 % (Renzulli 2019)
5. sh- HCA
- Risikofaktoren: Adipositas
- Klinische Merkmale: Symptomatische Blutung
- Histologische Merkmale: Intratumorale Blutung (Hahn 2020)
- Häufigkeit: 4 % (Renzulli 2019)
6. U- HCA (nicht klassifiziertes HCA [Klompenhouwer 2020])
- Risikofaktoren: Keine spezifischen Risikofaktoren bekannt
- Klinische Merkmale: Keine spezifischen klinischen Merkmale bekannt
- Histologische Merkmale: Keine besonderen Merkmale bekannt
- Häufigkeit: 7 % (Hahn 2020)
Vorkommen
Ein HCA tritt nur selten auf. Frauen sind 4 x häufiger betroffen als Männer (Herold 2022). Dennoch ist es – nach der fokalen nodulären Hyperplasie (FNH) bei nicht zirrhotischen Patienten die zweithäufigste benigne Läsion hepatozellulären Ursprungs (Renzulli 2019).
Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei 36 – 38 Jahren (Wang 2022). Es sind aber HCA in jedem Lebensalter beschrieben, selbst bei Säuglingen (Bioulac – Sage 2017). Bei Kindern liegt das Erkrankungsalter bei durchschnittlich 14 Jahren (Hahn 2020).
Ätiologie
Risikofaktoren für das Auftreten von HCA sind:
- Orale östrogenhaltige Kontrazeptiva
- Anabolika (Herold 2022)
- Adipositas (Berg 2023)
- Hereditäre Glykogenspeichererkrankungen (GDS) wie z. B. Typ I und III HGS (Kasper 2015)
- Lebergefäßerkrankungen (Wang 2022)
- Metabolisches Syndrom (Renzulli 2019)
- Alkoholkonsum
- Chronische Virushepatitis (Hahn 2020)
Pathophysiologie
Das HCA entsteht durch eine monoklonale, benigne Proliferation von Hepatozyten. Die Tumorzellen ähneln im Normalfall den normalen Hepatozyten (Klompenhouwer 2020).
Klinisches Bild
In den meisten Fällen wird ein HCA als Zufallsbefund bei einer Abdomensonographie entdeckt (Heise 2023).
Diagnostik
Die Diagnose eines HCA kann u. a. durch eine abdominelle Sonographie, Kontrastmittel- Ultraschall (CEUS), Farbdoppler, MRT und Biopsie etc. erfolgen (Herold 2022).
Eine genaue Differenzierung der Subtypen b- HCA, sh- HCA und U- HCA ist derzeit durch eine Bildgebung nicht möglich (Klompenhouwer 2020).
Bildgebung
Sonographie
Kleinere HCA, d. h. mit einem Durchmesser von < 5 cm, sind i. d. R. isoechogen zum Lebergewebe. Größere HCA liegen meistens oberflächlich (Herold 2022).
MRT
Die MRT ist allen anderen bildgebenden Verfahren bei der Erkennung eines HCA überlegen. Bis zu 80 % der HCA lassen sich damit typisieren (Renzulli 2019). Es lässt sich damit insbesondere zwischen H- HCA und I- HCA differenzieren: Bei einem H- HCA mit einer Sensitivität von 87 – 91 % und einer Spezifität von 89- 100 %, bei einem I- HCA mit einer Sensitivität von 85 – 88 % und einer Spezifität von 88- 100 % (Herold 2022 / Renzulli 2019).
Da H- HCA und I- HCA mit insgesamt 95% die Mehrheit aller HCAs ausmachen, stellt die MRT mit Abstand die Überlegenheit in der Diagnostik dar (Renzulli 2019).
Kontrastmittelverstärktes CT
Hiermit ist sowohl eine Visualisierung von Läsionsverstärkungsmustern als auch die Dilatation intratumoraler Sinusoide möglich (Klompenhouwer 2020).
Biopsie
Sollten Unsicherheiten in der Diagnostik bestehen, so wird eine Biopsie empfohlen (Herold 2022). Die Biopsie ist allerdings auf grund der Heterogenität des Tumors bisweilen zweifelhaft. Unklar ist derzeit noch, wie viele Biopsien für eine Diagnose erforderlich sind (Renzulli 2019).
Histologie
Bioptisch zeigen sich:
- Fehlen von Gallengängen
- Fehlen von Zentralvenen
- Nicht selten Einblutungen und Nekrosen (Herold 2022)
Differentialdiagnose
- Maligne Lebertumoren (Renzulli 2019)
- Fokale noduläre Hyperplasie (Klompenhouwer 2020)
Komplikation(en)
Blutung
Bei ca. 15 - 20 % treten Blutungen auf (Nault 2017). Bei einem großen HCA kann es sogar bis zu einer Ruptur des Tumors mit lebensbedrohlicher Blutung kommen (Herold 2022).
Infarzierung
Eine weitere Komplikation stellt die Infarzierung des Tumors dar (Herold 2022).
Maligne Entartung
Bei bestimmten Hochrisiko- Subtypen ist eine maligne Entartung möglich (Wang 2022). Man findet eine maligne Entartung bei ca. 5 % der Patienten mit HCA (Nault 2017).
Therapie allgemein
Eine spontane Rückbildung des HCA unter Östrogenentzug ist beschrieben (Renzulli 2019 / Edmondson 1977). Im letzten Jahrzehnt konnte durch mehrere Studien belegt werden, dass eine Gewichtsreduktion bei adipösen Patienten ebenfalls zu einer Rückbildung des HCA führen kann (Klompenhouwer 2020).
Ein großes oberflächliches HCA stellt immer eine OP- Indikation dar (Näheres s. „Operative Therapie“). Vor einer operativen Maßnahme sollte jedoch unbedingt der histologische Typ gesichert sein (Berg 2023), da das Risiko von Komplikationen vom Subtyp abhängig ist (Wang 2022).
Operative Therapie
Das Geschlecht spielt ebenfalls eine Rolle hinsichtlich der Komplikation und des Risikos einer malignen Transformation. Von empfiehlt Wang (2022) inzwischen allen Männern mit HCA eine operative Entfernung.
Bei Frauen sollte zunächst nach Bestimmung des HCA- Subtyps eine 6- monatige Kontrolle erfolgen, in der orale Kontrazeptiva abgesetzt, das Körpergewicht reduziert und die Größe des Tumors kontrolliert werden. Bei Tumoren, die > 5 cm groß sind bzw. trotz Änderung des Lebensstils weiterwachsen, ist - unabhängig vom Subtyp - eine Resektion zu empfehlen (Wang 2022).
Bei Tumoren < 5 cm mit Nachweis von Subtyp H- HCA, entzündlichen Veränderungen und beta- Catenin- negativ, wird eine konservative Therapie empfohlen. Bei b-HCAs, b-IHCAs und A-HCAs/HUMPs wird - unabhängig von der Größe des Tumors - eine chirurgische Resektion empfohlen (Wang 2022).
Bei Beta- Catenin- aktivierten Adenomen besteht immer die Indikation zur operativen Entfernung, da hierbei eine erhöhte maligne Transformationsgefahr besteht (Herold 2022).
Hinweis(e)
Bei Nachweis eines HCA besteht eine Kontraindikation für anabole Steroide und Östrogene. Außerdem sollte eine Gewichtsnormalisierung angestrebt werden (Herold 2022).
Bislang wurde Patientinnen mit einem nicht resezierbaren HCA von einer Schwangerschaft abgeraten, da in einer Studie aus dem Jahre 2004 von Cobey et al. das Sterblichkeitsrisiko durch HCA- Ruptur für die Mutter mit 44 % und für den Fötus mit 38 % angegeben wurde. Noels et al. konnten 2011 jedoch zeigen, dass bei Patientinnen mit einem HCA < 5 cm, die bereits schwanger waren, die Schwangerschaft ohne Ruptur verlief. Bei 25 % zeigte sich lediglich ein Wachstum des Tumors (Klompenhouwer 2020).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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