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Varikose (Übersicht)I83.9
Synonym(e)
Definition
Krankhaft erweiterte, geschlängelte epifasziale Venen, die meist im Verlauf der V. saphena magna und parva zu finden sind. Ursächlich liegt der Varikose ein Versagen des Klappensystems der Venen zugrunde mit sekundären degenerativen Wandveränderungen der epifaszialen Venen der Beine.
Klinisch finden sich spindel-, zylinder- oder sackförmig erweiterte, geschlängelte oberflächliche (epifasziale) Venen, wobei mehrere Windungen regelrechte Varizenknäuel und -konvolute bilden können.
Einteilung
Nach ätiopathogenetischen Gesichtspunkten:
- primäre Varikose (anlagebedingte Wanddegeneration)
- sekundäre Varikose (sekundäre Varizen - erworben): tritt vorwiegend im Rahmen eines postthrombotischen Syndroms (kompensatorisch) auf.
Nach Lokalisation und Kaliber der betroffenen Venen:
- Intrakutane Varizen:
- Besenreiservarizen/Teleangiektasien
- Retikuläre Varizen
- Subkutane/transfasziale Varizen/Varikose
- Stammvarizen
- Seitenastvarizen
- Perforansvarizen
Nach Schweregrad der Varikose (s.a. Klinik):
- Klinisch werden 4 Schweregrade unterschieden (Widmer/Partsch - s.a. CEAP-Klassifikation):
- Grad 1: Varizen, keine nennenswerten Beschwerden.
- Grad 2: Varizen mit Beschwerden (Dysästhesien, Juckreiz, Schweregefühl, Spannungsgefühl, leichte Schwellungsneigung), keine Komplikationen
- Grad 3: Varizen mit Beschwerden (wie Grad 2 nur stärker ausgeprägt) mit Komplikationen
- Ekzem, Hyperpimgentierungen, Atrophien
- Narben eines abheilten Ulcus cruris
- Varikophlebitis
- Grad 4: Varizen mit Beschwerden (wie Grad 3) mit Komplikationen (wie Grad 3 nur stärker ausgeprägt)
- florides Ulcus cruris
Vorkommen/Epidemiologie
50–80% der mitteleuropäischen Bevölkerung leiden an varikösen Veränderungen unterschiedlichen Grades; 15% an einer behandlungsbedürftigen Varikose. Zunehmende Prävalenz mit dem Alter; w:m=3:1
Ätiopathogenese
Die Ätiologie ist nicht in allen Einzelheiten abschließend geklärt. Infrage kommen v.a. lokale hämodynamische Faktoren sowie genetische Faktoren.
Hämodynamisch liegt der Varikose ungeachtet ihrer Ätiopathogenese ein Versagen des Klappensystems mit Reflux des Blutes aus dem tiefen in das epifasziale Venensystem (bidirektionaler Blutstrom) zugrunde. Die Folge ist eine Druckerhöhung im epifaszialen Venensystem mit hieraus resultierenden Veränderungen.
Prädisponierende Faktoren sind u.a.: Alter, Übergewicht, stehende Tätigkeit, hormonelle Faktoren wie Schwangerschaft.
Manifestation
Erstmanifestation im 3. Lebensjahrzehnt
Lokalisation
V.a. im Bereich der Beine, im Verlauf der Vena saphena magna und parva, auftretend.
Klinisches Bild
Die Klinik ist geprägt durch unterschiedliche Krampfaderformen mit differenter klinischer Bedeutung. Als Stammvarikose wird die variköse Degeneration der V. saphena magna oder der V. saphena parva bezeichnet. Weiterhin kann eine Varikose im Bereich von insuffizienten Perforans-Venen auftreten (Perforansvarikose).
- V. saphena magna:
- Komplette Stammvarikose: Proximaler Insuffizienzpunkt liegt in der Krosse (Mündungsklappe der V. saphena magna) selbst. Je nachdem, wie weit die Klappeninsuffizienz nach distal reicht, werden 4 Stadien unterschieden:
- Grad 1: Distaler Insuffizienzpunkt (D.I.) liegt in der Leiste
- Grad 2: D.I. am Oberschenkel
- Grad 3: D.I. am Unterschenkel
- Grad 4: D.I. am Fuß.
- Inkomplette Stammvarikose: Proximaler Insuffizienzpunkt ist nicht mit der Krosse identisch.
Hierbei werden je nach Insuffizienzpunkt verschiedene Typen unterschieden:- Seitenasttyp
- Dodd-Perforanstyp
- dorsaler Typ.
- Komplette Stammvarikose: Proximaler Insuffizienzpunkt liegt in der Krosse (Mündungsklappe der V. saphena magna) selbst. Je nachdem, wie weit die Klappeninsuffizienz nach distal reicht, werden 4 Stadien unterschieden:
- V. saphena parva:
- Komplette Stammvarikose: Proximaler Insuffizienzpunkt liegt in der Schleusenregion der Vena saphena parva. Je nach Insuffizienzstrecke werden 3 Stadien unterschieden: Grad 1: Distaler Insuffizienzpunkt (D.I.) liegt in der Schleusenregion, Grad 2: D.I. liegt im mittleren Unterschenkel, Grad 3: D.I. liegt in der Region des Außenknöchels.
Diagnose
Anamnese, klinische Untersuchung, Dopplersonographie. Vor operativen Eingriffen in Leiste und Kniekehle Duplex-Sonographie. Mittels photopletysmographischer Verfahren z.B. der Lichtreflexions-Rheographie und der D-PPG (digitale Photoplethysmographie) lässt sich eine Einteilung in besserbare und nicht besserbare Veneninsuffizienzen vornehmen; diese gibt Auskunft über die hämodynamische Relevanz des Krampfaderleidens wenn eine Duplex-Sonographie nicht ausreichend ist.
Komplikation(en)
- Chronische venöse Insuffizienz
- Varizenrupturen mit Varizenblutungen
- unterschiedlich schwere Ödeme
- Varikose als prädispopnierender Faktor für eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT) und Lungenembolie (Bemerkung: bei Thromboseformen werden als "venöse Thromboembolie- VTE- zusammengefasst: explizit zu diesem Thema existieren keine belastbaren größeren Studien: jedoch spricht die aktuelle Datenlage für einen Zusammenhang zwischen Varikose und VTE (zit.n. Lavall H).
- Eine oberflächliche Thrombophlebitis der Stammvenen ist ein relevanter Risikofaktor für eine tiefe Beinvenenthrombose (TVT). Eine TVT ist in diesem Zusammenhang definitiv auszuschließen.
- chronische trophische Hautveränderungen
Therapie
- Je nach Venenbeteiligung und Schweregrad (Stammvenen, Seitenäste, s. Tabelle 1) Sklerosierung oder Operation (Krossektomie, Stripping) und Kompressionstherapie (s.a. Tabelle 2).
-
Stammvarikose: Die Stammvarikosis der V. saphena magna (s. Tabelle 3), insbes. bei Vorliegen von Mündungsinsuffizienzen, sollte eher operativ angegangen werden. Gute Erfolge bringt die Kombination der Venenexhairese der V. saphena magna bis in Kniehöhe mit der postoperativen Venenverödung der verbliebenen Varizen am Unterschenkel.
Bei einer Krosseninsuffizienz (s.u. Krosse) der V. saphena magna mit unkomplizierter Stammvarikosis wird als neues operatives Therapieverfahren die extraluminale Valvuloplastie eingesetzt. Dabei wird ein Dacron-Ring um die Schleusenklappenebene der V. saphena magna gelegt und dadurch der Gefäßdurchmesser auf 4-5 cm reduziert und so ein suffizienter Klappenschluss erreicht. Die Krossenverödung ist daher ein nicht mehr aktuelles Therapieverfahren und gehört ohnehin nur in sehr geübte Hände.
Die Stammvarikosis der V. saphena parva (s. Tabelle) sollte ebenfalls eher operativ angegangen werden, kann in leichten Fällen mit nicht maximaler Erweiterung aber durchaus auch verödet werden. Wichtig ist die exakte Unterbindung der Einmündungsstellen der V. saphena magna in die V. femoralis und der V. saphena parva in die V. poplitea. Alternativ stehen neuere endovaskuläre Verfahren wie die endoluminale Lasertherapie, die Radiowellentherapie zur Verfügung; weiterhin die Schaumsklerosierung. - Seitenastvarikosis/Insuffizienz der Vv. perforantes: Für insuffiziente Perforantes kleineren Kalibers ist die Sklerosierungsbehandlung ausreichend. Operativ behandelt werden können größere, lokalisierte Venenkonvolute und ausgedehnte insuffiziente Vv. perforantes (Perforantes-Diszision).
- Retikuläre Varizen/Teleangiektasien: Klassische Indikation für die Sklerosierungstherpie. Für größere Teleangiektasien (> 0,4 mm Durchmesser) sowie für die retikulären Varizen hat sich eine Kombination aus Sklerosierung und gepulstem Farbstofflasertherapie.
- Kompressionstherapie: Anwendung von Kompressionsstrumpf oder Kompressionsverbänden, s.u. Kompressionsstrumpf, medizinischer, s.u. Kompressionsverband, phlebologischer.
-
Merke! Kompressionsverband: Verbessern des Zustandes und Reduktion des Ödems (kurzfristiger Einsatz).
Merke! Kompressionsstrumpf: Geringe Verbesserung des Zustandes oder Halten des Zustandes (langfristiger Einsatz).
Interne Therapie
Tabellen
Einteilung der Venen (nach Etage und Kaliber)
Epifasziales System |
Subkutan |
Stammvarizen der Vena saphena magna et parva, Seitenastvarizen: Arkaden und Bogenvenen |
Intradermal |
Besenreiservarizen, Teleangiektasien, retikuläre Varizen |
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Transfasziales System |
Perforansvenen |
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Subfasziales System |
Leitvenen: Vv. tibiales et fibulares, V. poplitea und V. femoralis |
Therapieentscheidung
Lokalisation der Störung |
Therapie |
Stammvarizen |
Operation oder endoluminale Lasertherapie oder Radiowellen |
Seitenastvarizen |
Operation oder Sklerosierung + Kompression |
Retikuläre Varizen |
Sklerosierung |
Besenreiservarizen |
Sklerosierung oder Laser |
Chronische venöse Insuffizienz |
Dauerkompression, Befund-adaptierte Sanierung der extra- und transfaszialen Venen durch Operation, Radiowellen, Sklerosierung oder endoluminale Lasertherapie |
Grad I |
Kurzer Rückfluss bis handbreit unter dem Leistenband/Krosseninsuffizienz |
Grad II |
Rückfluss bis in das distale Oberschenkeldrittel |
Grad III |
Rückfluss bis handbreit unterhalb des Kniegelenkes |
Grad IV |
Rückfluss bis in die Region des Innenknöchels |
Einteilung der primären Stammvarikosis der Vena saphena parva
Grad I |
Insuffizienz an der Einmündungsstelle |
Grad II |
Reflux bis zur Unterschenkelmitte |
Grad III |
Reflux bis zum Außenknöchel |
Medikamentöse Unterstützung
Medikamente/Dosierung |
Bemerkungen |
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Venentonisierende Medikamente |
Dihydroergotamin (z.B. DET MS): Erwachsene: 2mal 1 Kps./Tag p.o. oder 3mal 1020 Trp. oder 3mal 12 Tbl./Tag. Alternativ z.B. Dihydergot: Erwachsene: 2mal 1 Retard Tbl./Tag oder 2mal 1 Forte Tbl./Tag oder 3mal 20 Trp./Tag. |
Die Wirkung ist nicht einheitlich geklärt. Vermutlich wirksam durch Anregung der Kontraktilität der Venolen, Reduktion des Gefäßquerschnittes, Zunahme der Strömungsgeschwindigkeit, erhöhte Blutkonzentration, reflektorische Diurese, Erhöhung der Blutviskosität. Daher die Therapie daher immer einschleichend beginnen. Heutzutage selten verwendetes Therapieverfahren. |
alpha-Symphatikomimetika wie Norfenefrin (z.B. Novadral): Erwachsene: 2-3mal 30 Trp./Tag oder 3mal Drg./Tag. Alternativ: Etilefrin (z.B. Effortil) 3mal 10-20 Trp./Tag oder 3mal 1-2 Tbl./Tag. |
V.a. bei der Kombination der CVI und des Hypotonus indiziert. |
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Ödemprotektive Medikamente |
Saponine: Rosskastanienextrakte wie Aescin (z.B. Venostasin Retard) 2mal 1 Kps./Tag p.o. Alternativ: Venoruton 2mal 1 Kps. oder Retard Tbl./Tag. |
Zumeist pflanzliche Glykoside, die über eine membranstabilisierende Wirkung und Hemmung proteolytischer Enzyme wirksam sein sollen und kapillarabdichtend sowie antiexsudativ sind (keine eindeutigen wissenschaftlichen Nachweise). Venentonika und Ödemprotektiva werden in verschiedenen Zubereitungsformen auch zur externen Therapie (Gel, Lotio, Creme) angeboten. Die Wirksamkeit über eine perkutane Resorption ist unsicher. |
Flavonoide (gelbe Schalen der Zitrusfrüchte wie Diosmin oder Rutoside): Z.B. Troxerutin 3mal 1 Kps./Tag p.o. oder Tovene 2mal 2 Tbl./Tag p.o. |
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Hesperidine: Z.B. Phlebodril 2mal 2 Kps./Tag bis 3mal 2 Kps./Tag p.o. |
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Mäusedornextrakte: Systemisch wie Phlebodril mono 2-3mal/Tag 1 Tbl. p.o. oder topisch wie Phlebodril N Creme, Venostasin N Salbe, Hoevenol Emulsion |
Literatur
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- Lorenz MB et al. (2014) Sclerotherapy of varicose veins in dermatology. J Dtsch Dermatol Ges 12:391-393
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- Pfisterer L et al. (2014) Pathogenesis of varicose veins - lessons from biomechanics. Vasa 43:88-99
- Siedentopf F et al. (2014) Chronic pelvic pain in women. Schmerz 28:300-304
- Staubensand J et al. (1994) Spätschäden an peripheren Nerven durch Paravasate von Polidocanol - eine elektronenmikroskopische Studie. Phlebol 23: 112-119
- Ströbel P (2010) Ätiologie der Varikose. In: T Noppeney, H Nüllen Diagnostik und Therapie der Varikose. Springer Medizin Verlag Heidelberg S 34 -36