Xanthogranulom nekrobiotisches mit ParaproteinämieD76.3

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Necrobiotic xanthogranuloma; Necrobiotic xanthogranuloma with paraproteinemia; nekrobiotisches Xanthogranulom

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Erstbeschreiber

Kossard u. Winkelmann, 1980

Definition

Den adulten  Non-Langerhanszell-Histiozytosen zuzuordnende (s.u. Histiozytosen), seltene, normolipämische, infiltrierend und destruierend wachsende, lokalisierte oder disseminierte, histioproliferative Neubildung (Systemerkrankung), die häufig (>70%) mit einer monoklonalen Gammopathie kombiniert ist.

Vorkommen/Epidemiologie

Sehr seltene Erkrankung. Derzeit sind weltweit weniger als hundertfünfzig Fälle dieses Syndroms in der Literatur beschrieben worden. Inzidenz und Prävalenzen sind nicht bekannt.  

Ätiopathogenese

Ungeklärt. Assoziationen mit monoklonalen Gammopathien (MGUS) werden bei etwa 70% der Fälle beobachtet (z.B. Plasmozytome in 50% der Fälle, z.T. auch Assoziation mit einem multiplen Myelom), weiterhin gibt es Zusammenhänge mit anderen  lymphoproliferativen (z.B. M. Waldenström, M. Hodgkin, chronische lymphatische Leukämie) Erkrankungen.  

Manifestation

Durchschnittserkrankungsalter: 6. Lebensdekade. Der jüngste Patient über den berichtet wurde, war 17 Jahre alt. Männer und Frauen sind gleich häufig betroffen.

Lokalisation

Die Hautläsionen bei NXG können überall am Körper auftreten. Etwa zwei Drittel der Patienten sind jedoch periorbital betroffen, insbesondere an den oberen und/oder unteren Augenlidern oder an anderen Stellen des Gesichts. Die am zweithäufigsten betroffene Stelle war der Rumpf, vor allem die Brust. Viele Hautläsionen treten jedoch zunächst am Rumpf oder an den Extremitäten auf und befallen anschließend den periorbitalen Bereich. In etwa 90 % der veröffentlichten Fälle war mehr als ein Körperbereich betroffen. In Einzelfällen wurde das Auftreten von NXG innerhalb von Narben, nach einem Trauma oder in einem zuvor mit Röntgenstrahlen bestrahlten Bereich festgestellt.

Klinisches Bild

Meist multiple, disseminierte oder auch gruppierte, langsam über Monate bis Jahre wachsende, 0,3-20 cm große, rötlich-bräunliche, oder rötlich-gelbliche, teils auch livide, Plaques bzw. Knoten (selten) mit atrophischer Oberfläche. Konsistenz derb-elastisch.

Ulzerationen der Läsionen wurden bei etwa 50 % der Patienten beobachtet und waren in der Regel ausgedehnt und progressiv.

Die Läsionen können asymptomatisch sein; mehr als die Hälfte der befragten Patienten berichtete jedoch über verschiedene Symptome, vor allem Juckreiz, aber auch Brennen, Empfindlichkeit und sogar Schmerzen. Periorbitale Hautläsionen gehen häufig mit ophthalmologischen Manifestationen einher, vor allem Skleritis, Choroiditis oder Konjunktivitis, und mit Komplikationen wie Blepharoptose, eingeschränkter Augenbeweglichkeit und Proptosis.

Extrakutane Läsionen treten am häufigsten in den Atemwegen auf, einschließlich der Lunge und des Kehlkopfs, gefolgt von Herzmuskel, Mundhöhle, Skelettmuskeln, Nieren, Ovarien, Darm und anderen Stellen. Über eine extrakutane Beteiligung wurde in weniger als 20 % der Fälle berichtet.

Labor

BSG deutlich beschleunigt. Häufig monoklonale Gammopathie vom IgG-oder IgA-Typ, Kryoglobulinämie, Leukopenie, Neutropenie oder Hypokomplementämie (C4 vermindert). 

Histologie

Destruierende granulomatöse Gewebereaktion, die die gesamte Dermis, ggf. auch das subkutane Fettgewebe und darunter gelegene Organe erfasst. Histiozyten, Lymphozyten, bizarre Riesenzellen vom Fremdkörper- und Touton-Typ; Nekrobiosezonen ähnlich der Necrobiosis lipoidica. Diese können band-oder sternförmig sein, und reichen nicht selten in das subkutane Fettgewebe hinein. Cholesterinablagerungen innerhalb der Granulome.

Wie bei allen Non-Langerhanszell-Histiozytosen keine Expression von CD1a, und S100B. Keine Birbeck-Granula. Hingegen Nachweis zahlreicher CD68 (Makrophagen) - positiver Zellen (s.a. CD-Klassifikation).

Bei Patienten ohne bekannte myeloproliferative Störung kann die Knochenmarksbiopsie atypische oder vermehrte Plasmazellen und sehr selten ein echtes multiples Myelom ergeben.

Differentialdiagnose

Necrobiosis lipoidica, kutanes B-Zell-Lymphom, Non-Langerhanszell-Histiozytosen wie:

In 5 Fällen aus der Literatur wurde über koinzidentelle Auftreten von diffusen planen Xanthomen und NXG berichtet.

Komplikation(en)

Angioneurotisches Ödem; ophthalmologische Komplikationen (Konjunktivitis, Skleritis, Keratitis); Komplikationen durch die Gammopathien. Gefahr der Erblindung.

Therapie

Eine wirksame Kausaltherapie ist nicht bekannt. Randomisierte kontrollierte Studien und Studien zu den langfristigen Ergebnissen nach der Behandlung existieren bisher nicht.  

Einzelne störende Granulome können exzidiert werden. Intraläsionale Injektionen von Triamcinolonacetonid (z.B. Volon A) wurde ohne großen Erfolg versucht. Häufig Rezidive. 

Zu den Behandlungsmöglichkeiten gehören topische und systemische Kortikosteroide, Thalidomid, hochdosiertes intravenöses Immunglobulin (IVIG), Chlorambucil, Fludarabin, Rituximab, Melphalan, Infliximab, Interferon alpha, Cladribin, Hydroxychloroquin, Azathioprin, Methotrexat, Lasertherapie, Strahlentherapie, Operation, PUVA und extrakorporale Photopherese und autologer Knochenmarktransplantation.

Alternativ: Pulstherapie mit Cyclophosphamid und Dexamethason.

Alternativ: Therapieversuch mit DADPS, (z.B. Dapson-Fatol) initial 100 -150 mg/Tag. Dosisreduktion nach Klinik auf 50 mg/Tag. Ggf. Auslassversuch. Sporadische Therapieerfolge mit Plasmapherese, insbesondere zur Senkung hoher Paraproteinspiegel.

Kontrovers diskutiert werden Therapieergebnisse nach Anwendung von Melphalan, Thalidomid, Fumarsäure-Ester oder Radiotherapie, insbesondere bei lokalisierten Hautveränderungen mit Augensymptomatik. Methotrexat scheint unwirksam zu sein.

Die lokale Therapie, einschließlich lokaler Steroide, CO2-Laser oder Strahlentherapie, führt zu einer teilweisen Verbesserung. Hautläsionen, die rezidivieren oder auf die Behandlung nicht ansprechen, können chirurgisch entfernt und die Defekte mit Hauttransplantaten wiederhergestellt werden.

 

Verlauf/Prognose

Die hämatologischen Erkrankungen können viele Jahre vor oder nach dem Auftreten von Hautläsionen auftreten (sogar bis zu 11 Jahre). Den verfügbaren Literaturdaten zufolge ist der Krankheitsverlauf in der Regel chronisch und langsam fortschreitend, und die Prognose ist relativ gut, wenn nicht gleichzeitig maligne hämatologische Störungen auftreten.

Fallbericht(e)

Bei einer 57-jährigen Frau traten innerhalb von drei Monaten gelb-rötliche xanthomatöse Knötchen und Plaques auf, die Xanthome imitierten und hauptsächlich den periorbitalen Bereich und die Brust betrafen. Ihre Serumcholesterin- und Triglyceridwerte waren normal.

Eine eingehende Laboranalyse ergab das Vorhandensein einer monoklonalen Gammopathie mit dem Vorhandensein von Immunglobulin G (IgG) Kappa-Leichtketten, die jedoch nach internistischer Rücksprache keiner Therapie bedurfte.

Die bildgebende Untersuchung und die Ultraschalluntersuchung zeigten keine spezifische Beteiligung der inneren Organe.

Die Hautbiopsie zeigte ein diffuses dermales Infiltrat aus epitheloiden, schaumigen Histiozyten neben auffälligen Riesenzellen vom Touton-Typ und Fremdkörper-Typ sowie einer variablen Anzahl von Lymphozyten, Plasmazellen und Neutrophilen. Weiterhin zeigten sich nekrobiotische Bereiche, die sich in der gesamten retikulären Dermis mit Ausdehnung ins subkutane Gewebe abwechselten. Innerhalb der Nekrobioseherde und der xanthogranulomatösen Infiltration waren Lipidvakuolen zu sehen. Zwei Monate nach der Erstbeurteilung zeigten sich in den Läsionen nekrotische Areale. Diese Entwicklung führte zur Diagnose: „nekrobiotisches Xanthogranulom“.

Bei dieser Patientin waren das extrem späte Auftreten der Krankheit, der aggressive Verlauf, das Fehlen einer malignen hämatologischen Erkrankung bemerkenswert.

Literatur

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