Porphyria cutanea tardaE80.1

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Aktinisch-traumatisch-bullöse Porphyrindermatose; Chronische hepatische Porphyrie; Chronisches Porphyriesyndrom; Epidermolysis bullosa traumatica bei Porphyrie; Melanodermie-Porphyrie; MIM 176100; Porphyria bullosa congenita tarda; Porphyria bullosa et erosiva; Porphyria cutanea tarda symptomatische; Porphyria cutanea tarda toxische; Porphyria hepatica chronica; Porphyrie chronische hepatische; Porphyriesyndrom chronisches; Porphyrindermatose aktinisch-traumatisch-bullöse

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Erstbeschreiber

Günther, 1922; Waldenström, 1937

Definition

Photodermatose mit massiver aktinischer Elastose (Faltenbildung), erhöhter Vulnerabilität, Hyperpigmentierungen, Blasenbildungen und Vernarbungen im Bereich der chronisch belichteten Hautareale. Häufigste Porphyrieerkrankung (hepatische Porphyrie) mit verminderter Aktivität der Uroporphyrinogen-1-Decarboxylase.

Einteilung

  • Typ I Sporadische oder erworbene Porphyria cutanea tarda (erworbener Uroporphyrinogen-1-Decarboxylase-Mangel, z.B. Porphyria turcica: in der Türkey 1954 nach Genuss von Hexachlorobenzol- versetztem Saatweizen beschriebene Form, auch als Hexachlorbenzolporphyrie bezeichnet - klinisch: auffällige Hypertrichose = Affenkinder), Digoxin- oder östrogeninduzierte Formen (s.a. Pseudoporphyrie).
  • Typ II Familiäre Form  
    • Familiäre, autosomal-dominante  Porphyria cutanea tarda (heterozygot; Mutation im URO-D-Gen).
    • Sonderformen:
      • Sporadische oder erworbene Porphyria cutanea tarda mit  familiärer Häufung.
      • Porphyria hepatoerythropoetica (schwere mutilierende Porphyrie mit Erstmanifestation in der Kindheit; autosomal-rezessiv, homozygot).

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 1/30.000 - 1/70.000 Einwohner/Jahr. Prävalenz: 15/100.000 Einwohner. Anteil an allen Porphyrien: 30-40%.

Ätiopathogenese

  • Bei hereditären Formen: Autosomal-dominante oder autosomal-rezessive Vererbung von Mutationen der Uroporphyrinogen-Decarboxylase (URO-D), die auf dem Genlokus 1p34 kartiert ist (bekannt sind derzeit >100 Mutationen).
  • Bei der autosomal-dominanten PCT findet sich die UROD-Hemmung in allen Geweben und nicht nur in der Leber. Die Enzymaktivität in den Erythrozyten ist bei der (seltenen) homozygoten Form der PCT auf 5% des normalen Wertes herabgesetzt, bei der heterozygoten auf 50%.
  • Bei den hereditären Formen können neben den Mutationen im UROD-Gen auch Mutationen im HFE-Gen (führt zur Hämochromatose) auftreten. Der  durch die Hämochromatose bewirkte Anstieg des Eisenspiegels führt zu einer zusätzlichen Funktionsminderung der UROD-Aktivität, wodurch die Krankheitssymptomatik wiederum verstärkt wird. 
  • Bei erworbenen Formen: Ein Gendefekt der URO-D allein führt nicht zur Manifestation des Krankheitsbildes. Die katalytische Hemmung der URO-D in der Leber wird über Triggerfaktoren bewirkt. Triggerfaktoren: Alkoholismus, Lebererkrankungen (Hepatitis C und B), HIV-Infektion, Arzneimittel (Barbiturate, Arsen, Androgene, Griseofulvin, Hydantoin, Nalidixinsäure, Phenytoin, Rifampicin, Sulfonamide, Tetrazykline, Steroide, orale Kontrazeptiva, Östrogene), Hexachlorbenzol, Dioxin, Vinylchlorid, Eisen, Hämodialyse. Ein eindrucksvolles Beispiel einer exogen ausgelösten PCT war Ende der 50er-Jahre des letzten Jahrhunderts eine Hexachlorophen-Vergiftung größerer Bevölkerungsgruppen in Anatolien. Ausgelöst wurden diese durch eine Verwechslung von Saat- (enthielt das Pestizid Hexachlorphen) und Backweizen. Hexachlorphen führt zu einer Hemmung der UROD und zu massiven Krankheitsbildern.    
  • Bei der Hämodialyse-induzierten PCT liegt eine der seltenen Indikationen für eine Porphyrinbestimmung im Serum bzw. Plasma vor.
  • Cytochrom-P450-Polymorphismus (Cytochrom p450 spielt eine wichtige Rolle beim Metabolismus des Prophyrins)
  • Bei ca. der Hälfte der so genannten sporadischen oder erworbenen PCT-Fälle (Familienanamnese negativ) kann aufgrund einer verminderten Enzymaktivität in den Erythrozyten eine genetische Anlage vermutet und durch Familienuntersuchungen verifiziert werden.

Manifestation

Auftreten v.a. 40. bis 70. Lebensjahr, häufiger bei Männern als bei Frauen (m:w=2/3:1).

Lokalisation

Hautveränderungen in den lichtexponierten Arealen, vor allem im Gesicht, an den Unterarmstreckseiten und an Handrücken.

Klinisches Bild

Saisongebunden (Frühjahr, Sommer) vermehrt auftretende und auch durch geringe mechanische Belastung ausgelöste Hautveränderungen.

Labor

  • Pathologische Leberenzyme (Transaminasen, gamma-GT); oft auch durch Alkoholabusus
  • Urin: Uroporphyrin(III)-Ausscheidung ist 10-20fach erhöht, Rotfluoreszenz im Wood-Licht. Koproporphyrin III ist erhöht. Evtl. dunkler Urin!
  • Stuhl: Koproporphyrin III.
  • Serum: Uroporphyrin I ist erhöht, Hypersiderinämie; im akuten Schub erhöhte Transaminasen; meist erhöhte Eisenspiegel.

Histologie

Hyperkeratosen, Akanthose, verdickte Gefäßwände, ggf. subepidermale Blase mit charakteristischem, zottenartig aufgebautem Blasenboden.

Direkte Immunfluoreszenz

Ablagerungen verschiedener Immunglobuline sowie von Fibrinogen an der dermoepidermalen Junktionszone (homogenes lineares Muster) sowie v.a. in den papillären Gefäßwänden (geringer auch in retikulären Gefäßwänden). Derartige Fluoreszenzmuster werden auch bei Patienten mit chronischer Dialyse gefunden.

Differentialdiagnose

Therapie allgemein

Strikte Alkoholkarenz, da häufigster Auslöser! Bei Frauen Absetzen der hormonellen Kontrazeption. Behandlung von Grunderkrankungen.

Externe Therapie

Symptomatisch: Textiler Lichtschutz (Tragen geeigneter Kopfbedeckungen), zusätzlich geeignete Lichtschutzmittel. Vermeidung traumatisierender Belastungen.

Interne Therapie

  • Chloroquin (z.B. Resochin) verursacht Mobilisierung der Prophyrine im Gewebe mit nachfolgender Ausscheidung durch Urin. Chloroquin initial 2mal/Woche 250 mg über 1 Monat, anschließend Reduktion auf 2mal/Woche 125 mg. Dauer der Therapie: Mehrere Monate.
  • Aderlass erfolgt unter der Vorstellung, dass Siderose und Siderämie pathogenetisch relevante Faktoren darstellen. Aderlass initial: 1mal/Woche 500 ml. Erhaltungsdosis nach 4 Wochen: 500 ml 1mal/Monat (Hb 10-12 g/dl). Bei schweren kutanen Symptomen und Gesamtporphyrinausscheidung > 8 μmol/Tag: Beginn mit Aderlass-Therapie 1mal/Woche 500 ml. Nach 4 Wochen 1mal monatlich 500 ml (Hb auf 10-12 g/dl einstellen). In Kombination niedrig dosierte Chloroquin-Therapie (125-250 mg 1mal/Woche) über 8-12 Monate. Unter dieser Therapie gehen Hautsymptome nach 3 und die Porphyrinurie nach 6 Monaten zurück.
  • Deferoxamin (z.B. Desferal) 1-4 g/Tag i.v. zur Reduktion der Eisenmenge.

Literatur

  1. Bulaj ZJ et al. (2000) Hemochromatosis genes and other factors contributing to the pathogenesis of porphyria cutanea tarda. Blood 95: 1565-1571
  2. Fritsch C et al. (1998) Porphyria cutanea tarda. Hautarzt 49: 870-882
  3. Fritsch S et al. (2012) Increased photosensitivity? Case report of porphyria cutanea tarda associated with systemic lupus erythematosus. Rev Bras Reumatol 52:968-97
  4. Günther H (1911) Die Hämatoporphyrie. Dtsch Arch Klin Med 105: 89-146
  5. Karamfilov T et al. (2003) Pansclerotic porphyria cutanea tarda after chronic exposure to organic Solvents. Hautarzt 54: 448-452
  6. Lee SC et al. (2001) A case of porphyria cutanea tarda in association with idiopathic myelofibrosis and CREST syndrome. Br J Dermatol 144: 182-185
  7. Merk HF (2016) Porphyria cutanea tarda. Hautarzt 67: 207-210
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  10. Sinha A et al. (1999) Porphyria cutanea tarda in a patient with systemic lupus erythematosus. Rheumatology (Oxford 38: 1166-1168
  11. Stolzel U et al. (2003) Hemochromatosis (HFE) gene mutations and response to chloroquine in porphyria cutanea tarda. Arch Dermatol 139: 309-313
  12. Waldenström J (1937) Studien über Porphyrie. Acta Med Scand 82 (Suppl): 1-254

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