Muzinose kutane infantile L98.5

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

Cutaneous mucinosis of infancy; Infantile and progressive papular mucinosis; Infantile und progressive papulöse Muzinose; Selbstheilende juvenile kutane Muzinose

Erstbeschreiber

Lum, 1980

Definition

Sehr seltene (<50 Fälle im internationalen Schrifttum), kongenitale oder sich in den ersten Lebensmonaten entwickelnde, persistierende, gutartige, fokale dermale Muzinose, die durch das Vorhandensein asymptomatischer und unterschiedlich großer hautfarbener bis erythematöser Papeln, Plaques oder einzelner Knötchen gekennzeichnet ist. Es bestehen keine Assoziation zu Schilddrüsenstörungen. Über Assoziationen zu weiteren Systemerkrankungen s. u.  

Einteilung

Die kutane Muzinose der Kindheit ist neben

  • der diskret papulösen Muzinose
  • der akral persistierenden papulösen Muzinose
  • der selbstheilenden juvenilen kutanen Muzinose und
  • der nodulären Muzinose

eine von insgesamt 5 Subtypen lokalisierter papulöser Muzinosen (s.a.Muzinosen kutane)

Ätiopathogenese

Die Ätiopathogenese der kutanen Muzinose der Kindheit ist unklar. Normalerweise werden Proteoglykane (Muzin) in nur geringen Mengen von dermalen Fibroblasten produziert. Es wird postuliert (wie bei anderen Muzinosen ebenfalls), dass die Anhäufung von Muzin durch eine Aktivierung dermaler Fibroblasten erfolgt. Das Signal zur vermehrten Bildung von Proteoglykanen erfolgt möglicherweise durch Autoantikörper, durch monoklonale oder polyklonale Immunglobuline, durch proinflammatorische Zytokine z.B. bei viralen Infekten oder auch durch eine Bilanzstörung zwischen Produktion und Abbau der Muzine (Rongioletti F 2020). Da auch Fälle mit familiärer Häufung beschrieben wurden, wird zudem ein genetischer Faktor diskutiert.

Manifestation

Die papulösen Läsionen treten meist bereits in der frühen Kindheit bis spätestens zum 2. Lebensjahr auf. Nicht selten bestehen sie bereits seit Geburt (Morgado-Carrasco D et al. 2020).

Lokalisation

Bevorzugt sind der Stamm sowie die Extremitäten betroffen. Seltener auch das Gesicht, der Kopf und der Hals (Chan C et al. 2018). 

Klinisches Bild

Klinisch eher unscheinbare, 0,2 bis 3,0 cm große, asymptomatische oder juckende, meist hautfarbene bis leicht transluzente, glatte Papeln und Plaques; seltener wurden gruppierte oder lineäre Anordnungen beschrieben. Auch subkutane, weiche Knoten. Symmetrische Verteilungsmuster sind möglich. Kein Hinweis auf sonstige Systemveränderungen.

Histologie

Fokale, meist deutlich gegen die normale Dermis abgegrenzte Ansammlung Alcianblau-positiver Proteoglykane in der oberen Dermis; mäßige Vermehrung von Fibroblasten. Hierdurch netziges Muster der Zellansammlungen. Gering erhöhte Proliferationstendenz der Fibroblasten. Entzündliche Infiltrate fehlen weitgehend.

Differentialdiagnose

Selbstheilende juvenile kutane Muzinose: Das klinische Erscheinungsbild von kutaner Muzinose im Kindesalter (CMI) und der selbstheilende juvenilen kutanen Muzinose (SHJCM) unterscheidet sich deutlich. Im Gegensatz zur SHJCM ist das Muzin bei der CMI auf die Dermis beschränkt, und es gibt keine begleitende fibroblastische Proliferation.

Naevus mucinosus: blaschkoides Verteilungsmuster

Lichen myxoedematosus: kleinpapulöses Erscheinungsbild. Histologisch: neben Muzinablagerungen Vermehrung von Fibroblasten. 

Fibrome: Histologie ist diagnostisch

Juvenile Xanthogranulome: meist solitäre, weiche, elastische, zunächst rote, im weiteren Verlauf gelbe oder hautfarbene, meist völlig symptomlose Papel, Plaque oder Knoten (meist 1-3 cm Ø). Histologie ist diagnostisch. 

Bindegewebsnävi: Histologie ist diagnostisch

Dermale melanozytäre Nävi: Hyperpigmentierung 

Leiomyome: feste rötliche, gruppierte Papeln 

Komplikation(en)

Assoziierte Komorbiditäten wie eine monoklonale Gammopathie beim Skleromyxödem oder Schilddrüsenerkrankungen beim prätibialen Myxödem sind bei den betroffenen jungen Patienten in der Literatur nicht beschrieben. Dokumentiert ist das Auftreten von Autoimmunerkrankungen im erweiterten Familienkreis (Lupus erythematodes, Morbus Basedow) sowie ein konkordantes Auftreten mit einer Arthritis (Morreale C et al. 2021).

Verlauf/Prognose

Insgesamt ist  von einer guten Prognose der Erkrankung mit der großen Möglichkeit einer spontanen Rückbildung auszugehen. Verläufe mit an Anzahl und Größe progredienten Hautläsionen sind ebenso beschrieben wie auch Fälle mit spontaner Rückbildung im Laufe der Pubertät (Podda M et al. 2001). Bei einer Langzeitbeobachtung einer Patientin mit bereits seit Geburt bestehender kutaner Muzinose der Kindheit am Oberschenkel kam es bis zum Alter von 2 Jahren zum Auftreten multipler weiterer größenprogredienter Plaques am Stamm und an den Extremitäten. Danach bildete sich zunächst die kongenitale Plaque am Oberschenkel spontan zurück, und bis zum Alter von 7 Jahren hatten sich alle Läsionen unter Hinterlassung lediglich einiger atropher Papeln am Stamm zurückgebildet (Morgado-Carrasco D et al. 2020).

Hinweis(e)

Der Zusammenhang zwischen der Arthritis und der CMI ist noch nicht klar. Einige interessante In-vitro-Studien haben immunologische Funktionseigenschaften spezifischer Glykosaminoglykane (GAGs) aufgedeckt: Hyaluronan (HA) mit niedrigem Molekulargewicht (LMW) aktiviert Makrophagen und dendritische Zellen und spielt eine Rolle bei der Rekrutierung von Immunzellen an Entzündungsherde; Chondroitinsulfat (CS) hingegen fördert die Aktivierung von Neutrophilen, und die Chondroitin-4-Sulfat-Form (C4S) von CS aktiviert Monozyten zur Produktion von Monokinen (Morreale C 2021). Auch wurde vermutet, dass die Muzinose bei rheumatischen Erkrankungen mit zirkulierenden Antikörpern zusammenhängen könnte, die die Synthese von Glykosaminoglykanen durch Hautfibroblasten stimulieren. McAdam et al. berichteten über eine 58-Jährigen mit papulöser Muzinose schwerer proximalen Myopathie, seronegativer entzündliche Polyarthritis und ausgeprägter Eosinophilie. Dies deutet daraufhin, dass die kutane papulöse Muzinose auch schwerwiegende rheumatische Manifestationen umfassen kann. Inwieweit es sich bei der Konstellation von Arthritis und CMI um eine zufällige Assoziation oder um eine pathogene Korrelation handelt ist derzeit unklar.

Literatur
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  1. Chan C et al. (2018) Cutaneous mucinosis of infancy: report of a rare case and review of the literature. Dermatol Online J. 24:13030/qt75k5r526.
  2. Carapeto FJ et al. (1985) Infantile and progressive papular mucinosis. Med Cutan Ibero Lat Am 13: 525-530
  3. Chen CW et al. (2009) Congenital cutaneous mucinosis with spontaneous regression: an atypical cutaneous mucinosis of infancy? Clin Exp Dermatol 34:804–807.
  4. Eholzer L et al. (2021) Kutane Muzinose der Kindheit. Hautarzt 72: 797-800.
  5. Gonzalez-Ensenat MA et al. (1997) Self-healing infantile familial cutaneous mucinosis. Pediatr Dermatol 14: 460-462
  6. Lum D (1980) Cutaneous mucinosis of infancy. Arch Dermatol 116: 198-200
  7. McAdam LP et al. (1977) Papularmucinosis with myopathy, arthritis, and eosinophilia. A histopathologic study. Arthritis Rheum 20:989–996.
  8. McGrae JD. Cutaneous mucinosis of infancy. A congenital and linear variant. Arch Dermatol 119:272–273.
  9. Mir-Bonafé JM et al. (2015) Cutaneous mucinosis of infancy: a rare congenital case with coexisting progressive, eruptive, and spontaneously involuting lesions. Pediatr Dermatol 32:e255–e258.
  10. Morgado-Carrasco D et al. (2020) Long-term follow-up of a patient with congenital cutaneous mucinosis of infancy and description of a new case. Int J Dermatol 59:e153–e155.
  11. Morreale C et al. (2021) Cutaneous mucinosis of infancy: a rare case of joint involvement. Pediatr Rheumatol Online J 19:99.
  12. Müller H (2014) Selbstheilende juvenile kutane Muzinose:eine diagnostische und therapeutische Herausforderung. JDDG 12: 815-817
  13. Podda M et al. (2001) Cutaneous mucinosis of infancy: is it a real entity or the paediatric form of lichen myxoedematosus (papular mucinosis)?Br J Dermatol 144: 590-593
  14. Reddy SC et al. (2016) Cutaneous mucinosis of infancy. JAAD Case Rep2:250–252.
  15. Rongioletti F (2020) Primary paediatric cutaneous mucinoses. Br J Dermatol182:29–38.
  16. Rongioletti F et al. (2001) Updated classification of papular mucinosis, lichen myxedematosus, and scleromyxedema. J Am Acad Dermatol 44:273–281.

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