Kälteinduziertes autoinflammatorisches Syndrom 1, familiäresL50.2
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Kile und Rusk (1940) beschrieben erstmals die familiäre Kälteurtikaria. Der Proband in ihrer Familie entwickelte nach Kälteeinwirkung urtikarielle Quaddeln, Schmerzen und Schwellungen der Gelenke, Schüttelfrost und Fieber. Witherspoon et al. (1948) beschrieben ebenfalls eine familiäre Urtikaria nach Kälteexposition.
Definition
Das „Kälteinduzierte autoinflammatorische Syndrom, familiäre Form 1, auch FCAS1 genannt, ist ein hereditäres autoinflammatorisches Syndrom, das durch eine heterozygote Mutation im NLRP3-Gen (1q44) verursacht wird.
Einteilung
Das Krankheitbild FACS1 wurde, früher als andere Entitäten dieser Familie, unter dem Begriff "Kälteurtikaria" subsummiert. Inzwischen wurde diese Erkrnakungsgruppe den hereditären periodischen Fiebersyndrome zugeordnet. Alle Entitäten sind durch kälteprovozierbare juckende, brennende oder auch leicht schmerzende Exantheme (meist auf die Kontaktstelle begrenzt) gekennzeichent, die von Fieberschüben und weiteren Zeichen der Inflammation begleitet werden können.
Bisher wurden 4 Genotypen mit nur gering unterschiedlichem Phänotypus (s.u. Heterogenie) beschrieben, die jetzt unter der Bezeichnung "Kälteinduzierte autoinflammatorische Syndrome, familiäre Form 1-4" (FACS1-4) geführt werden. Folgende genotypische Varianten gehören zu dieser Familie:
- Das „Familiäre kälteinduzierte autoinflammatorische Syndrom 1 " (FCAS1; Mutationen im NLRP3-Gen).
- Das "Familiäre kälteinduzierte autoinflammatorische Syndrom 2" (FCAS2; OMIM: 609648; heterozygote Mutationen im NLRP12-Gen)
- Das "Familiäre kälteinduzierte autoinflammatorische Syndrom 3" (FCAS3; Mutationen im PLCG2-Gen)
- Das „ Familiäre kälteinduzierte autoinflammatorische Syndrom 4“ (FCAS4; Mutationen im NLRC4-Gen).
Klinisches Bild
FCAS1 ist klinisch durch wiederkehrende Schübe (bei wiederholter Exposition) urtikarieller Exantheme gekennzeichnet, die mit Arthralgien, Myalgien, Fieber und Schüttelfrost sowie Schwellungen der Extremitäten nach Kälteeinwirkung einhergehen. Nach jahrzehntelangem Verlauf können sich in seltenen Fällen komplikativ auch eine Nierenamyloidose entwickeln (Hoffman et al. 2000).
Zu den sich überschneidenden CAPS-Syndromen, die ebenfalls alle durch eine Mutation im NLRP3-Gen verursacht werden, gehören:
- das Muckle-Wells-Syndrom (CAPS2; 191900), das eine hohe Häufigkeit von Amyloidose und spät einsetzender sensorineuraler Taubheit aufweist
- und
- das "Chronische neurologische kutane und artikuläre Syndrom" (CINCA, CAPS3; 607115), das früher einsetzt und einen schwereren Phänotyp aufweist.
Differentialdiagnose
Erworbene Kälteurtikaria: Bei FACS1 sind die die Dauer der Schübe deutlich länger als bei der erworbenen Kälteurtikaria. Die Läsionen sind bei FACS1 eher erythematös als urtikariell und werden von Fieber, Schüttelfrost, Arthralgien und Steifigkeit der Gelenke begleitet. Eine Leukozytose ist häufig vorhanden. Eine Leukozytose fehlt bei der erworbenen Form (Zip et al.1993).
Muckle-Wells-Syndrom: Durch die Analyse von 5 Familien mit familiärer Kälteurtikaria identifizierten Hoffman et al. (2000) eine Kopplung an 1q44. Die Autoren vermuteten, dass die familiäre Kälteurtikaria und das Muckle-Wells-Syndrom durch allelische Störungen hervorgerufen werden.
Hinweis(e)
Aufgrund der genetischen Evidenz und der phänotypischen Ähnlichkeit mit hereditären periodischen Fiebersyndromen (z. B. Familiäres Mittelmeerfieber/ 249100) schlugen Hoffman et al. (2001) die Bezeichnung "familiäres autoinflammatorisches Kältesyndrom/'familial cold autoinflammatory syndrome " für die zuvor als "familiäre Kälteurtikaria " bezeichnete Erkrankung vor.
Fallbericht(e)
Doeglas (1973) berichtete über eine große Verwandtschaft mit 10 betroffenen Personen. Ein Patient entwickelte nach dem Auftreten des Exanthems ein Leukozytose.
Ormerod et al. (1993) untersuchten 8 von 20 betroffenen Mitgliedern einer 46-köpfigen Familie. Die Urtikaria trat meist erst im frühen Erwachsenenalter auf.
Zip et al. (1993) berichteten über eine große und umfangreich betroffene Familie. Sie fanden Berichte über 10 Stammbäume, 7 aus den Vereinigten Staaten und je einen aus Holland, Frankreich und Südafrika. In ihrer eigenen Familie wurde die Krankheit über 6 Generationen und folglich über 8 Generationen weitergegeben. Der Beginn der Erkrankung lag im Säuglingsalter. Das Auftreten der urtikariellen Symptome trat eine halbe bis 6 Stunden nach einer Kälteeinwirkung auf.
Literatur
- Aganna E (2002) Association of mutations in the NALP3/CIAS1/PYPAF1 gene with a broad phenotype including recurrent fever, cold sensitivity, sensorineural deafness, and AA amyloidosis. Arthritis Rheum 46: 2445-2452
- Hoffman HM et al. (2001) Familial cold autoinflammatory syndrome: phenotype and genotype of an autosomal dominant periodic fever. J Allergy Clin Immunol 108: 615-620
- Johnstone RF et al. (2003) A large kindred with familial cold autoinflammatory syndrome. Ann Allergy Asthma Immunol 90: 233-237
- Kile RL, Rusk HA (1940) A case of cold urticaria with unusual family history. JAMA 114: 1067-1068
- Raghawan AK et al. (2011) HSC70 as a sensor of low temperature: role in cold-triggered autoinflammatory disorders.The FEBS Journal https://doi.org/10.1111/febs.16203