Angioödem hereditäres, Mutation in ANGPT1 D84.1

Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

Angioödem hereditäres Typ 5; Angioödem hereditäres Typ V; Angiooedema hereditary 5; HAE5; Hereditäres Angioödem Typ 5; Hereditäres Angioödem Typ V; nC1-INH-HAE; NonC1-INH-HAE; OMIM: 619361

Definition

Das Hereditäre Angioödem mit Mutation in ANGPT1, verursacht durch eine heterozygote Mutation im ANGPT1-Gen (601667) auf Chromosom 8q23 (ANGPT1 steht für „Angiopoietin 1“), ist eine sehr seltene,  autosomal-dominante Erkrankung (Bafunno V et al. 2018), die durch ein lokalisiertes und selbstlimitierendes Ödem des subkutanen oder submukösen Gewebes aufgrund einer episodischen Zunahme der Gefäßpermeabilität gekennzeichnet ist. Bei den Betroffenen treten akute Schwellungen v.a. im Gesicht, an den Lippen, an den Händen und am Unterleib auf. Diese Variante eines hereditären Angioödems wird auch hereditäres Angioödem-5 bzw. HAE5 genannt.

Das ANGPT1-Gen kodiert ein sekretiertes Glykoprotein, das zur Angiopoietin-Familie gehört. Mitglieder dieser Familie spielen eine wichtige Rolle bei der Gefäßentwicklung und Angiogenese. Alle Angiopoietine binden mit ähnlicher Affinität an einen endothelzellspezifischen Tyrosin-Protein-Kinase-Rezeptor.

Definition

Das Hereditäre Angioödem mit Mutation in ANGPT1 wird durch eine heterozygote Mutation im ANGPT1-Gen (601667) auf Chromosom 8q23 verursacht.

Bemerkung: Das Wissen über seltene genetische Krankheiten wie das hereditäre Angioödem (HAE) hat sich parallel zur Entwicklung neuer molekularer Werkzeuge weiterentwickelt. Der Mangel an C1-Inhibitor (C1-INH) ist seit den 1960er Jahren als Hauptursache des HAE (HAE-C1-INH) anerkannt. Die Entdeckung des breiten Spektrums an Mutationen, die das C1-INH-Gen (SERPING1) betreffen, war erst ab Ende der 1980er Jahre möglich, als die Sanger-Sequenzierung verfügbar und weltweit leichter zugänglich wurde.

Die Beteiligung anderer Gene am HAE wurde jedoch erst 2006 mit der Beschreibung von Mutationen im F12-Gen bei Patienten mit HAE und normalem C1-INH entdeckt. Die durch die neue Ära der Genomik gewonnenen Erkenntnisse waren entscheidend für die Entdeckung von Mutationen in weiteren Genen, die das Verständnis für die komplexe Pathogenese dieses phänotypisch weitgehend identischen  Krankheitsbildes verbessert bzw. erklärbar macht. In den letzten drei Jahren ermöglichten fortschrittliche Sequenzierungstechniken der nächsten Generation die Identifizierung von Mutationen in fünf weiteren neuen Genen, die mit hereditären Angioödemvarianten mit normalem C1-INH (nC1-INH-HAE) in Verbindung gebracht werden konnten: ANGPT1 (Angiopoietin-1), PLG (Plasminogen), KNG1 (Kininogen), MYOF (Myoferlin) und HS3ST6 (Heparansulfat-Glucosamin-3-O-Sulfotransferase 6).

Ätiopathogenese

Bei 4 betroffenen Frauen aus einer italienischen Familie mit HAE5 in der dritten Generation identifizierten Bafunno et al. (2018) eine heterozygote Missense-Mutation im ANGPT1-Gen (A119S; 601667.0002). Die Mutation wurde durch Ganz-Exom-Sequenzierung gefunden und durch Sanger-Sequenzierung bestätigt wurde. Das Plasma der Patienten wies normale ANGPT1-Konzentrationen auf, aber es gab eine Verringerung der multimeren Formen im Vergleich zum Wildtyp. Das mutierte Protein zeigte auch eine verminderte Bindung an seinen Membranrezeptor TIE2 (600221). Bafunno et al. (2018) stellten die Hypothese auf, dass die veränderte ANGPT1-Funktion die Bradykinin-vermittelte endotheliale Permeabilität beeinflusst.

Manifestation

Meist zweiten Lebensdekade

Therapie

Die Behandlung mit Tranexamsäure kann den Schweregrad und die Häufigkeit der Anfälle wirksam reduzieren (Bafunno et al. 2018).

Fallbericht(e)

Bafunno et al. (2018) berichteten über 4 weibliche Mitglieder einer italienischen Familie der dritten Generation mit HAE. Die betroffenen Personen hatten wiederkehrende Angioödem-Episoden, die in der zweiten Dekade begannen. Die Patienten berichteten über etwa 2 Episoden pro Jahr, die 24 bis 48 Stunden andauerten und in der Regel die Haut, das Gesicht, die Lippen, die Mundschleimhaut, die Hände und den Unterleib betrafen. Gelegentlich wurden die Anfälle durch mechanische Reize ausgelöst, die nur langsam einsetzten und wieder abklangen. Die Nagelfalzkapillaroskopie zeigte gewundene Schlingen, Mikroblutungen und eine durch Ödeme verursachte verminderte Hauttransparenz. Diese Veränderungen deuteten auf eine Beteiligung der Mikrozirkulation mit erhöhter Kapillardurchlässigkeit hin. Keiner der Patienten sprach auf Antihistaminika oder Steroide an; 2 Patienten sprachen gut auf die Behandlung mit Tranexamsäure an.

Literatur
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  1. Bafunno V et al. (2018) Mutation of the angiopoietin-1 gene (ANGPT1) associates with a new type of hereditary angioedema. J Allergy Clin Immun 141: 1009-1017.
  2. Santacroce R et al. (2021) The Genetics of Hereditary Angioedema: A Review J Clin Med 10: 2023.
  3. Zuraw BL (2018) Hereditary angioedema with normal C1 inhibitor: four types and counting. J Allergy Clin Immun 141: 884-885.

Weiterführende Artikel (2)

ANGPT1-Gen; Tranexamsäure;

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