Streptococcus pyogenes

Autor: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

Co-Autor: Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

A-Streptokokken; Streptococcus erysipelatos; Streptococcus haemolyticus; Streptococcus scarlatinae

Definition

Streptococcus pyogenes ist ein grampositives, aerobes bis fakultativ anaerobes, unbewegliches und unbekapseltes, beta-hämolysierendes Bakterium der Lancefield-Gruppe A und ist daher auch als Gruppe-A-Streptokokkus (GAS) bekannt. Mikroskopisch erscheint S. pyogenes zumeist in Ketten, seltener in Paaren. Der Erreger enthält (jedoch nicht ausschließlich) das C-Polysaccharid-Antigen der Gruppe A (Lancefield Klassifizierung). A-Streptokokken werden vorläufig mittels spezifischer Antiseren (Nachweis von Antigenen der Zellwand) und eindeutig durch molekularbiologische, massenspektrometrische oder biochemische Techniken identifiziert. 

S. pyogenes ist primär ein extrazelluläres Bakterium. In den letzten Jahren wurden vermehrt Hinweise gefunden, dass Streptokokken auch intrazelluläre Pathogene sind. Sie können in Makrophagen, neutrophilen Granulozyten und verschiedenen Epithelzellen überleben,  analog zu einem Trojanischen Pferd, und so im Wirt disseminieren.

Vorkommen/Epidemiologie

Einziges Reservoir für S. pyogenes ist der Mensch, der die Keime direkt durch Schmierinfektion, seltener durch Tröpfcheninfektion überträgt. Besiedlungen von Haustieren (Hunde, Katzen) kommen bei sehr engem Kontakt mit ihrem S. pyogenes tragenden Halter vor. 

In der unbelebten Umgebung kann sich S. pyogenes nicht vermehren. Der Erreger kann aber bis zu mehreren Monaten insbesondere auf trockenen Oberflächen in Schleim- oder Blutresten überleben und infektiös bleiben. Dieser Übertragungsweg ist jedoch selten (Hof H 2019).

Die Zahl der asymptomatischen Träger ist mit dem Lebensalter assoziiert und in gemäßigten Klimazonen saisonal unterschiedlich. Schulkinder sind zu 20% mit Streptococcus pyogenes kolonisiert. Erwachsene nur zu 1–2%. Die Übertragung von Streptococcus pyogenes erfolgt meist durch direkten Kontakt mit Speichel oder Nasensekret, selten durch kontaminierte Lebensmittel und Wasser. Die Inkubationszeit beträgt 1–3 Tage, selten länger.

Streptococcus pyogenes verursacht weltweit jährlich 700 Millionen Infektionen. Bei etwa 1% der infizierten Patienten, handelt es sich um eine invasive Infektion mit einer Mortalität von bis zu 25%.

 

Klinisches Bild

Streptococcus pyogenes kann eine Vielzahl von Krankheitsbildern verursachen, wichtige Gruppen sind:

  • lokale eitrige Infektionen des Rachens oder der Haut
  • generalisierte bzw. toxinvermittelte Krankheitsbilder
  • immunologisch bedingte Folgeerkrankungen

Für die verschiedenen Erkrankungen sind auf bakteriengenetischer Ebene unterschiedliche Virulenzgene verantwortlich, die verschiedene S.-pyogenes-Stämme – maßgeblich durch Bakteriophagentransduktion – in unterschiedlichen Kombinationen in ihrem Genom tragen. Die kodierten Virulenzfaktoren bestimmen den Gewebetropismus der Bakterien, deren Invasivität in typischerweise sterile anatomische Kompartimente sowie deren Resistenz gegenüber Abwehrmechanismen und ermöglichen eine Manipulation der Wirtsabwehrleistungen im Sinne einer Verstärkung der Infektionsfolgen. Die Virulenzfaktoren sind größtenteils molekular und funktionell charakterisiert. Das Gleiche gilt auch für viele Aspekte der spezifischen Wirtsabwehr.

Erkrankungen durch S. pyogenes induziert:

  • Tonsillo-Pharyngitis: Die häufigste Manifestation der S.-pyogenes-Infektion ist die (Tonsillo-)Pharyngitis, die vor allem Schulkinder betrifft, jedoch in allen Altersgruppen vorkommen kann.  Die Anzahl der akuten Streptokokken-Pharyngitiden in Deutschland wird auf 1 bis 1,5 Millionen pro Jahr geschätzt. In den gemäßigten Klimazonen tritt die Mehrzahl der Streptokokken-Pharyngitiden im Winter und im Frühjahr auf.
  • Scharlach: Wenn Streptococcus-pyogenes pyrogene Toxine wie zum Beispiel SpeA, SpeC oder SSA produziert, kann es zum klinischen Bild des Scharlachs kommen. Hierbei tritt neben den typischen Symptomen einer Pharyngitis ein makulopapulöses Exanthem auf, das häufig in der Leiste und Axilla beginnt und sich dann über den Oberkörper und die Extremitäten ausbreitet. Typisch sind die periorale Blässe sowie eine Aussparung palmar und plantar. Nach Abblassen des Exanthems tritt eine zum Teil ausgeprägte Desquamation auf. Mittels Streptokokkenschnelltest wird der Rachenabstrich auf eine Testkassette aufgetragen, die Antikörper gegen S. pyogenes enthält. Falls im Abstrich S. pyogenes vorhanden sind, bilden sich Präzipitate und das positive Signal kann als Bande abgelesen werden. Im Gegensatz zur Kultur, welche zirka zwei Tage benötigt, liegt das Resultat beim Streptokokkenschnelltest bereits nach wenigen Minuten vor. Goldstandard ist die Kultur, bei hoher Vortestwahrscheinlichkeit einer Streptokokkentonsillitis und negativem RADT kann diese in speziellen Fällen zusätzlich sinnvoll sein.
  • Streptokokken-induzierte Hautinfektionen: Pyodermien kommen bevorzugt in tropischen und subtropischen Klimazonen vor und treten vor allem im Kleinkindalter auf. Die Prävalenz dieser Erkrankungen ist sehr stark von der persönlichen Hygiene abhängig und mit dem sozio-ökonomischen Status assoziiert.
  • Impetigo contagiosa: Die Impetigo contagiosa ist eine oberflächliche Hautinfektion, die häufig im Gesicht (insbesondere um Mund und Nase) und an den Beinen auftritt. Es bilden sich pustulöse Effloreszenzen, die aufbrechen und zu Verkrustungen führen. Fieber tritt bei der Impetigo nicht auf und der Patient macht keinen kranken Eindruck.
  • Erysipel: Streptococcus pyogenes ist mit 20–40% der häufigste Erreger des Erysipels, das sich als scharf begrenzte, gerötete, überwärmte und schmerzhafte Läsion präsentiert.
  • Nekrotisierende Fasziitis: Die nekrotisierende Fasziitis ist eine sich rasch entlang Muskelfaszien ausbreitende Weichteilinfektion, die typischerweise nach Bagatelltraumen auftritt. Es wird angenommen, dass das verletzte Muskelgewebe Vimentin exprimiert, das von zirkulierenden S. pyogenes (z. B. während einer passageren Bakteriämie bei Tonsillitis) zur Adhäsion und Invasion in das Gewebe genutzt wird. Trotz adäquater Therapie ist die Mortalität der nekrotisierenden Fasziitis noch immer sehr hoch mit bis zu 36%.
  • Das Streptokokken-assoziierte toxische Schock-Syndrom: Dieses Krankheitsbild ist ein seltenes und schweres Krankheitsbild mit hoher Mortalität. Das membranständige M-Protein sowie die Expression von Exotoxinen, die als Superantigene wirken, führen zu einer übermässigen Aktivierung des Immunsystems. Zusätzlich induzieren die Exotoxine die Expression von TLR2 und TLR4, was das Immunsystem weiter aktiviert und zu einer deutlich höheren Gefässpermeabilität führt. Aufgrund des raschen Flüssigkeitsverlustes in den dritten Raum treten Hypotonie mit verminderter Organdurchblutung und rascher Progredienz zum septischen Schock mit Multiorganversagen ein. Auch trotz sofort eingeleiteter Therapie bleibt die Mortalität des STSS mit bis zu 50% sehr hoch.
  • Wundscharlach

Nichtsuppurative Komplikationen:

  • Akutes rheumatisches Fieber (ARF)  
  • Akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis (APSGN)

Beide Erkrankungen sind immunvermittelte Erkrankungen, die nach nichtinvasiven und invasiven Infektionen mit gewissen Stämmen von S. pyogenes (M-Typ1, 3, 5, 6, 11, 12, 14, 17, 18, 19, 24, 27, 29, 30, 32, 41) auftreten können.

Akutes rheumatisches Fieber:  Das akute rheumatische Fieber ist als Folge einer S.-pyogenes-Tonsillopharyngitis in Europa und Nordamerika sehr selten und betrifft hauptsächlich Kinder im Alter von 5–15 Jahren. Beim akuten Krankheitsbild treten die ersten ARF-Symptome wie Fieber, wandernde Arthritiden vor allem der grossen Gelenke (in 80% der Fälle), etwas später Karditis (50% der Fälle), in bis zu 20% die Chorea minor Sydenham, in 2% Rheumaknoten sowie das Erythema marginatum auf.

Akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis (APSGN): Ein bis vier Wochen nach einer S.-pyogenes-Infektion können nephritische Symptome wie leichte arterielle Hypertonie, Hämaturie, Proteinurie und Ödembildung sowie Niereninsuffizienz auftreten. Ursächlich hierfür ist eine Ablagerung von Immunkomplexen gewisser als «nephritogen» bezeichneter S.-pyogenes-Stämme (M-Typ 1, 4, 12, 49, 55, 57, 60), die sich in den Glomeruli ablagern und somit zur Nierenschädigung führen. Die Diagnose wird anhand des klinischen Bildes einer Nephritis mit den typischen Nierenbefunden sowie einer dokumentierten vorangegangenen Streptokokkeninfektion (Kultur, Streptokokkenschnelltest oder Antistreptolysintiter) gestellt und mittels Nierenbiopsie bestätigt. Die Prognose einer APSGN ist bei Kindern gut, im Gegensatz zu älteren Patienten, bei denen eine Mortalität von bis zu 25% beschrieben wird.

Dauer der Ansteckungsfähigkeit: Patienten mit einer akuten Streptokokken-Infektion, die nicht spezifisch behandelt wurden, können bis zu 3 Wochen kontagiös sein, solche mit eitrigen Ausscheidungen auch länger. Nach Beginn einer wirksamen antibiotischen Therapie erlischt die Ansteckungsfähigkeit für Racheninfektionen nach 24 Stunden. Für Weichgewebeinfektionen gibt es keine entsprechenden Daten, eine ähnliche Zeitspanne erscheint allerdings plausibel.

Obsessive-compulsive disorders (OCDs) wie Athetosen und Chorea minor.

Diagnose

Die infektiologischen Fachgesellschaften insbesondere des englischsprachigen Raumes geben für ambulante Patienten regelmäßig Beurteilungskriterien und Empfehlungen zur Durchführung von diagnostischen Tests in Richtung eines S.-pyogenes-Nachweises im Rahmen von Atemwegserkrankungen heraus. Im Allgemeinen wird ein entsprechender Nachweis nur für Kinder über 3 Jahre mit Halsschmerzen, stark geschwollenen Halslymphknoten und Fieber empfohlen, nicht aber für Kinder unter 3 Jahren bzw. Erwachsene sowie jegliche Personen mit vorwiegenden Zeichen einer viral bedingten Atemwegsinfektion (Rhinitis, Heiserkeit, Husten, enorale Ulzerationen). Für die Untersuchung von Haut- und Weichgewebeinfektionen existieren keine vergleichbaren Empfehlungen.

Eine gute Präanalytik ist für ein aussagekräftiges Untersuchungsergebnis von entscheidender Bedeutung. Geeignete Proben für den Nachweis einer Racheninfektion sind Abstriche mit beflockten oder Polyurethantupfern. Für den Nachweis von Haut- und Weichgewebeinfektionen sind Punktate und Bioptate besser geeignet als Abstriche mit den o.g. Tupfern, wobei hier vor der Probennahme die Wundumgebung desinfizierend zu reinigen ist. Bei Verdacht auf systemische Infektionen müssen zusätzlich Blutkulturen gewonnen werden. Spezielle Transportmedien sind nicht erforderlich, wenn Transportzeiten unter 2 Stunden eingehalten werden können. Bioptate werden durch Zugabe geringer Mengen steriler physiologischer Kochsalzlösung bzw. Phosphatpuffers vor dem Austrocknen geschützt. Im diagnostischen Labor sind mikroskopische, Kultur-gebundene, serologische und molekularbiologische Untersuchungsverfahren möglich.

Der mikroskopische Nachweis grampositiver Kettenkokken im Untersuchungsmaterial ist bei typischer Klinik zwar richtungweisend, aber wenig spezifisch, da morphologisch kein Unterschied zu anderen Streptokokken besteht. Kettenlängen von mehr als zwei Kokken sind allerdings hinweisend auf β-hämolysierende Streptokokken. Methode der Wahl ist der kulturelle Nachweis von S. pyogenes auf Schafblutagar, sofern keine massenspektrometrische Differenzierung möglich ist, in Kombination mit der Serogruppenbestimmung. Weitergehende Typisierungen bleiben speziellen epidemiologischen oder wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten (Speziallaboratorien, Referenzzentren). Bei chronisch-rezidivierenden Infektionen weist die

Untersuchung des Probenmaterials mittels spezifischer PCR wegen der Lagerung der dann metabolisch alterierten Bakterien in Biofilmen oder innerhalb von eukaryoten Zellen eine höhere Sensitivität als die Kultur auf.

Im Rahmen der Pharyngitis-Abklärung kann es im ambulanten Bereich sinnvoll sein, zunächst einen Antigen-Schnelltest durchzuführen, wobei die auf der Basis eines Antigennachweises z. Z. verfügbaren Schnelltests sehr spezifisch, aber nicht im gleichen Maße sensitiv sind. Ebenfalls in vergleichsweise kurzer Zeit durchführbare molekulare Point-of-care-Nachweisverfahren weisen diese Nachteile nicht auf, sind allerdings aus Kostengründen nur wenig verbreitet. Bei positivem Testergebnis kann von einer Infektion mit Streptokokken der Serogruppe A ausgegangen werden und die Patienten sollten behandelt werden. Bei negativem oder nicht eindeutigem Testergebnis sollte hingegen eine kulturelle oder ggf. molekularbiologische Untersuchung eines Rachenabstrichs erfolgen, um das weitere Vorgehen festlegen zu können und ggf. eine überflüssige antibiotische Behandlung zu vermeiden.

Antikörpernachweise sind nur bei Verdacht auf eine Streptokokken-Folgeerkrankung sinnvoll. Wichtig ist vor allem der Nachweis von Anti-Streptolysin-O-Antikörpern und von Anti-DNase-B-Antikörpern zum Nachweis einer vorangegangenen S.-pyogenes-Infektion. Selektiv erhöhte Anti-DNase-B-Werte deuten auf eine vorangegangene Hautinfektion mit S. pyogenes hin.

Sehr sensitive und spezifische molekularbiologische Tests sind prinzipiell verfügbar, werden aber aus ökonomischen Gründen bis dato selten genutzt.

Im Multiplexformat können diese dazu beitragen S.-pyogenes-bedingte Infektionen rasch von klinisch nicht unterscheidbaren eitrigen Infektionen durch andere Bakterien bzw. Viren abzugrenzen bzw. S. pyogenes schnell als den Erreger einer Sepsis zu identifizieren.

emm-Typisierungen, Superantigenbestimmungen etc. bei S. pyogenes-Isolaten werden bei entsprechenden Fragestellungen (Ausbrüche u.ä.) im NRZ für Streptokokken durchgeführt.

Therapie

Bisher sind weltweit keine Resistenzen von S. pyogenes gegen β-Laktame bekannt. Therapie der Wahl bei Rachen- und Hautinfektionen mit S. pyogenes ist daher die 10-tägige Gabe von Penicillin bzw. Amoxicillin oder Ampicillin (oral oder parenteral). Einige Veröffentlichungen empfehlen kürzere Therapiedauern. Ein auf 5 Tage verkürztes Regime mit oralen Cephalosporinen ist für Kinder gleichwertig.

Bei Penicillin-Allergie zeigt die orale Therapie mit Erythromycin oder anderen Makroliden für eine Dauer von 5 bis 10 Tagen ähnlich gute Ergebnisse. Allerdings liegen die Resistenzraten für Makrolide regional unterschiedlich zwischen 10 und mehr als 30%, so dass eine Resistenztestung optimalerweise vor der Gabe dieser Antibiotika dringend indiziert ist.

Cotrimoxazol und Chinolone außer Moxifloxacin wirken nicht zuverlässig.

Bei schweren systemischen Infektionen (Sepsis, STSS, Fasciitis necroticans) wird eine Gabe von Clindamycin sowie von Immunglobulin-Präparaten zusätzlich zur parenteralen Penicillin-G-Therapie empfohlen.

Patienten mit rheumatischem Fieber sollten eine Rezidivprophylaxe mit Penicillin erhalten. Bezüglich der Dauer der Prophylaxe gibt es keine einheitliche Auffassung. Sie sollte mindestens über 5 Jahre gegeben werden, nach einem Rezidiv lebenslang.

 

Literatur
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