Synonym(e)
Erstbeschreiber
Robert Koch und Karl Joseph Eberth, 1880
Die Salmonellen sind nach dem amerikanischen Bakteriologen Danile Salmon benannt.
Definition
Unter der Bezeichnung enteritische oder nichttyphöse Salmonellen werden alle Salmonellenarten zusammengefasst, die nicht zu den typhösen Salmonellen gehören. Aus klinischer Sicht ist eine Unterscheidung in typhoide und nichttyphoide Salmonellen praktikabel und in der Literatur akzeptiert, weil sie erhebliche klinische Konsequenzen nach sich zieht (Brenner FW et al. 2000). Während typhöse Salmonellosen in den Industrieländern eine Seltenheit darstellen, sind die Infektionen durch enteritische Salmonellen häufig. Enteritische Salmonellen sind nach Campylobacter-Infektionen die zweithäufigsten Erreger lebensmittelbedingter Diarrhöen.
Auch interessant
Allgemeine Information
Enteritische Salmonellen sind ebenso wie typhöse Salmonellen petrich begeißelte (d. h. über die ganze Zelloberfläche verteilte) und damit bewegliche, gramnegative Stäbchenbakterien, die sich mikroskopisch nicht von anderen Gram-negativen Stäbchenbakterien unterscheiden lassen. Sie können in der Regel Laktose nicht vergären. Grundsätzlich werden Salmonellen aufgrund der Struktur ihrer Oberflächen-(O)- und Geißel-(H)-Antigene nach dem White-Kauffmann-Le Minor-Schema (früher Kauffmann-White-Schema) geordnet und anhand einer Antigenformel in Serovare differenziert. Folgende Antigene sind für die Serovar-Klassifizierung der Salmonellen relevant:
- O-Antigene (Oberflächenantigene; Bemerkung: Das O stand ursprünglich nur für „ohne Hauch“, das bedeutet, diese Bakterien schwärmen nicht auf einer Agarplatte aus): Es existieren mehr als 60 unterschiedliche Typen.
- H-Antigene (Geißelantigene): Ihre Antigenstruktur wird durch 2 unterschiedliche Proteingruppen charakterisiert: H1-Antigene und H2-Antigene.Beide Phasen können einzeln oder gemeinsam vorkommen. Die H1-Antigene werden mit Kleinbuchstaben gekennzeichnet. Da diese nicht ausreichen werden sie zusätzlich noch nummeriert (z.B. z1, z2 usw ). Die H-Antigene der Phase H2 werden durch Kleinbuchstaben und durch Zahlen gekennzeichnet.
- K-Antigen (Kapselantigen; auch Vi-Antigen genannt, ein zusätzliches Oberflächenantigen, das zunächst primär für Virulenz verantwortlich gemacht wurde; es stellt jedoch einen Spezialfall eines Kapsel-Antigens dar) treten nur selten auf, sie kennzeichnen jedoch die Varietäten Typhi und Paratyphi.
Erreger
Zu den enteritischen Salmonellen zählen u.a. Salmonella Enteritidis (= S. enterica subsp. Enterica Serovar Enteritidis), Salmonella Typhimurium, S. Virchow, S. London, S. Choleraesuis, S. Abortusovis. Die meisten Salmonellen dieser Gruppe sind typische Zoonose-Erreger, d.h. sie verursachen Erkrankungen bei Mensch und Tier. Salmonellen passen sich in den verschiedenen extremen Wirts- und Nicht-Wirtsumgebungen sowohl auf genetischer als auch auf phänotypischer Ebene an, was zu ihrem besseren Überleben und ihrer Ausbreitung führt. Der unkontrollierte und unsachgemäße Einsatz von Antibiotika gegen verschiedene Salmonella-Serovare hat nicht nur zur Entstehung verschiedener multiresistenter Stämme geführt, sondern auch zum Auftreten hyperinfektiöser Salmonella-Stämme, was die Schwere der Krankheitsmanifestation und die Behandlung zusätzlich erschwert (Pradhan D et al. 2019).
Vorkommen
Infektion durch orale Erregeraufnahme: Die Infektion durch enteritische Salmonellen ist eine klassische lebensmittelassoziierte Erkrankung (A02.0). So wird S. Enteritidis v.a. über unzureichend erhitzte Eier und daraus hergestellten Speisen (z.B.: Tiramisu, Eierschaum, Cremes, Eis, Mayonnaise) übertragen. S. Typhimurium wird eher über rohes Fleisch oder unzureichend erhitzte Fleischerzeugnisse übertragen. Die Infektion erfolgt direkt durch orale Erregeraufnahme (Lebensmittel, Trinkwasser) oder durch „kreuzkontaminierte“ Lebensmittel (durch die Berührung infizierter Menschen, Kontakt mit kontaminierten Oberflächen oder kontaminierten anderen Lebensmitteln). Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist nur unter sehr schlechten hygienischen Bedingungen möglich.
Die Infektionsdosis für den erwachsenen Menschen liegt bei 103 bis 106 Erregern, außer die Salmonellen befinden sich in stark fetthaltigen Lebensmitteln (z.B.: Käse, Schokolade, Salami) oder in Gewürzen, dann sind Erkrankungen bereits bei < 100 Keimen möglich. Auch bei Abwehrschwäche (Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen) ist eine geringe Infektionsdosis ausreichend.
Käteresistenz: Salmonellen können sich zwischen 10°C und 47°C vermehren, in manchen Fällen bereits ab 6–8°C. Durch Einfrieren werden Salmonellen nicht abgetötet (z.B.: Speiseeis) und sie sind auch über mehrere Monate in Lebensmitteln (z.B.: Gewürze wie Paprikapulver oder Kokosraspel) oder in der Umwelt überlebensfähig.
Pathophysiologie
Um eine ausreichend hohe Infektionsdosis zu erreichen, müssen sich die Salmonellen zuerst eine Zeit lang in einem Lebensmittel vermehren (Generationszeit ca. 20 min bei 37°C, 60 min bei Raumtemperatur). Die Enteritis entsteht durch eine massive Invasion der Dünndarmschleimhaut mit dem Keim. Die bakterielle Invasion erfolgt zum einen durch die M-Zellen der Peyer`schen Plaques die sie transzytotisch in das Interstitium durchschleusen. Anschließend werden die Salmonellen durch Makrophagen phagozytiert. Dort können sie z.T. überleben oder sich sogar vermehren.
Ein weiterer Weg geht über die Enterozyten der Darmwand. Salmonellen binden an den EGF-Rezeptor (epidermal growth factor). Diese Bindung führt zu einer Änderung des Zytoskeletts der Zelle. Die Zelle bildet zytoplasmatische Ausläufer die wie eine Halskrause (engl. ruffle) den Erreger umfasst und internalisiert. Die Erreger werden auf der anderen Seite des Epithels wieder freigesetzt, wandern in die Submukosa um dort von Makrophagen phagozytiert zu werden.
Im Allgemeinen bleibt die Infektion lokalisiert (im Gegensatz zu den typhösen Salmonellen). Nur bei Abwehrgeschwächten und Kindern kann es zu einer Generalisierung kommen. Die Produktion von Endotoxinen spielt in der Pathogenese dieser Infektion eine untergeordnete Rolle.
Inkubationszeit: Sie liegt bei enteritischen Salmonellen zwischen 6–72 Stunden (meist bei 12–36 Stunden) und hängt von der Infektionsdosis und dem Serovar ab (bei den typhösen Salmonellen liegt sie zwischen 3 Tagen und 4 bis 8 Wochen). Die Inkubationszeit ist abhängig von der Infektionsdosis.
Manifestation
Inzidenz: In Deutschland liegt die Inzidenz für die Salmonellen-Enteritis bei 65/100.000 . Weltweit sind Salmonellen häufige Erreger bakterieller Durchfallerkrankungen bei Menschen und Tieren.
Jahreszeitliche Häufung: Salmonellosen treten gehäuft im Spätsommer auf. Am häufigsten wurde S. Enteritidis mit ca. 60% und S. Typhimurium mit ca. 20% isoliert.
Die Infektionen sind seit Jahren rückläufig. Dies ist u.a. auch dadurch begründet, dass z.B. in der Geflügelindustrie Ausbruchsabklärungen vorgeschrieben sind und es im Legehennenbereich eine verpflichtende Impfung gegen S. Enteritidis und ein Eivermarktungsverbot bei positivem S. Enteritidis oder S. Typhimurium Nachweis gibt.
Klinisches Bild
Selbstlimitierende Gastroenteritis: Während Infektionen mit typhösen Salmonellen als gravierend verlaufende Systemerkrankungen einzustufen sind, verlaufen die enteritischen Salmonelleninfektionen üblicherweise als akute jedoch unkomplizierte, fieberhafte und selbstlimitierende Gastroenteritis mit Übelkeit und Erbrechen, Kopf und Muskelschmerzen, heftige Durchfälle, nicht blutig. Fieber: 38-39°C.Dauer: Fieber weniger als 2 Tage. Diarrhoe weniger als 7 Tage. Seltener kommt es zur Bakteriämie mit oder ohne extraintestinale fokale Infektion, die in der Regel keine antibiotische Therapie erfordert. Die Letalität ist bei ansonsten Gesunden gering und liegt bei etwa 0,1% (Hof H et al. 2019).
Komplikation - Extraintestinale Manifestationen: Bei immungeschwächten erwachsenen Patienten kann es zu extraintestinalen Manifestationen nichttyphöser Salmonellosen im Erwachsenenalter kommen (Weiss SH et al. (1986). Sie sind dann mit einem schwereren Krankheitsverlauf und häufigerer bzw. längerer Hospitalisation vergesellschaftet als die enteritische Verlaufsform (Chen PL et al.(2012). In einer Untersuchung einer spanischen Arbeitsgruppe an einem Krankenhaus der Grundversorgung zeigten 8 % aller Salmonellosen einen extraintestinalen Manifestationsort (Rodriguez M et al. (1998). Eine vorausgegangene gastroenteritische Symptomatik war dabei nicht immer vorhanden. Der Salmonellennachweis gelang am häufigsten im Blut ohne weiteren infektiösen Fokus. Weiterhin nachweisbar waren fokale Infektionen in den ableitenden Harnwegen, dem unteren Respirationstrakt, intraabdominell sowie an vaskulären, osteoartikulären und zentralnervösen Manifestationsorten (Rodriguez M et al. 2006; Huang DB et al. 2005). Zudem wurden Endokarditiden und Weichteilabszesse beschrieben (Abbott SL et al. 2012). Ein erhöhtes Risiko für das Auftreten extraintestinaler fokaler Salmonellosen im Allgemeinen besteht zudem bei einer Reihe von Wirtsfaktoren:
- Lebensalter > 50 Jahre
- Autoimmunerkrankungen (z.B. systemischer Lupus erythematodes (Gerona JG et al. 2009), granulomatöse Polyangiitis)
- Immunsupprimierte (z.B. immunsuppressive Therapie -Dauertherapie mit Kortikosteroiden, chemotherapeutische Behandlung) oder HIV-Infektion, ein Antikörpermangelsyndrom, Alkoholismus, hämatologische Neoplasien, metastaierte solide Malignome (Chan JC et al. 1991, Souglakos J et al. 2002; Sperber SJ et al. 1987; Mamishi S et al. 20109).
Diagnostik
Enteritische Salmonellen: Der Salmonellennachweis erfolgt aus dem Stuhl, aus Erbrochenem oder aus verdächtigen Lebensmitteln mittels kultureller Anzucht der Erreger. Bei Verdacht auf systemischen Verlauf werden Blutkulturen abgenommen. Im Referenzlabor wird anschließen eine Serotypisierung (Kauffmann-White-Schema) des Salmonellen-Stammes durchgeführt um Infektionsquelle und Infektionswege aufzudecken. Eine Stuhlkultur sollte bei länger andauerndem Durchfall (> 3 Tage) oder bei Blutauflagerungen am Stuhl durchgeführt werden.
Therapie
Die Therapie der enteritischen, nichttyphösen Salmonellen besteht aus Flüssigkeits- und Elektrolytausgleich. Bei unkompliziertem, gastroenteritischem Verlauf einer Salmonellose ist keine antibiotische Therapie indiziert, da es die Erregerausscheidung verlängern würde. Bei schweren Verläufen (Sepsis oder SIRS = systemic inflammatory response syndrome) ist eine antibiotische Therapie indiziert. Bei Säuglingen, Kleinkindern, alten Menschen sowie Patienten mit Abwehrschwäche oder bei Erkrankungen der Herzklappen oder Gefäße kann auch bei Gastroenteritis eine antimikrobielle Therapie erwogen werden.
Wegen zunehmender Resistenzen der Erreger soll die Therapie laut Antibiogramm erfolgen. Zur Therapie stehen Cephalosporine der 3. Generation, Trimethoprim/Sulfamethoxazol, Ampicillin, Azithromycin oder bei Erwachsenen auch Chinolone zur Verfügung (Hof H et al. 2019).
Hinweis(e)
Jeder Verdacht auf Salmonellen-Enteritis, muss dem Gesundheitsamt gemeldet werden (Meldepflicht). Wer in Schulen, Kindergärten oder ähnlichen Gemeinschaftseinrichtungen oder in Lebensmittelbetrieben tätig ist, darf in bestimmten Fällen schon bei Verdacht auf eine Salmonelleninfektion nicht mehr arbeiten. Das Gesundheitsamt überwacht Erkrankte und erlaubt die Arbeit erst wieder, wenn in drei Stuhlproben keine Salmonellen mehr nachgewiesen werden können (s.u. Salmonellosen Hygienevorschriften).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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- Brenner FW et al. (2000) Salmonella nomenclature. J Clin Microbiol 38:2465-7.
- Chan JC et al. (1991) Salmonella lung abscess complicating Wegener's granulomatosis. Respir Med 1991; 85: 339–341
- Chen PL et al.(2012) Epidemiology, disease spectrum and economic burden of non-typhoidal Salmonella infections in Taiwan, 2006-2008. Epidemiol Infect 2012: 1–8
- Gerona JG et al. (2009) Salmonella infections in patients with systemic lupus erythematosus: a case series. Int J Rheum Dis 2009; 12: 319–323
- Guibourdenche M et al. (2010) Supplement 2003- 2007 (No. 47) to the White-Kauffmann-Le Minor scheme. Res Microbiol 161: 26–29
- Hof H et al. (2019) Gramnegative Kokken. In: Hof H, Schlüter D, Dörries R, eds Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie. 7th, completely revised and expanded edition. Stuttgart: Thieme S 390-393
- Huang DB et al. (2005) Problem pathogens: extra-intestinal complications of Salmonella enterica serotype Typhi infection. Lancet Infect Dis 5: 341–348
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- Rodriguez M et al. (2006) Nontyphoidal Salmonella causing focal infections in patients admitted at a Spanish general hospital during an 11-year period (1991-2001). Int J Med Microbiol 96: 211–222
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- Sperber SJ et al. (1987) Salmonellosis during infection with human immunodeficiency virus. Rev Infect Dis 9: 925–934
- Weiss SH et al. (1986) Occurrence and distribution of serotypes of the Arizona subgroup of Salmonella strains in the United States from 1967 to 1976. J Clin Microbiol 23: 1056–1064