Zystitis, akute N30.0

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

Blasenentzündung; Harnblasenentzündung; Harnblaseninfektion; Harnwegsinfektion; Honeymoon- Zystitis

Erstbeschreiber

Im Jahre 1808 bezeichnete Philip Syng die Zystitis als „an inflammatory condition of the bladder with an ulcer producing the same symptoms as a bladder stone“.  Joseph Parrish bezeichnete 1836 die Blasenentzündung als: „Ein schmerzhafter Tic der Harnblase“. (Bschleipfer 2018)

 

 

Definition

Unter einer akuten Zystitis versteht man eine akut auftretende dolente Entzündung der Harnblase (Herold 2020).

 

 

Einteilung

Die akute Zystitis wird eingeteilt in eine unkomplizierte und eine komplizierte Form.

Man spricht in folgenden Fällen von einer komplizierten Zystitis:

  • jede Zystitis bei
    • Kindern
    • Männern
    • Schwangeren
  • bei anatomischen Besonderheiten
  • bei funktionellen Besonderheiten
  • wenn innerhalb der letzten 14 Tage:
    • eine Entlassung aus dem Krankenhaus oder Pflegeheim erfolgte
    • ein Urinkatheter gelegt wurde
    • eine Antibiose durchgeführt wurde

In allen anderen Fällen handelt es sich um eine unkomplizierte Zystitis (Kuhlmann 2015). 

Allerdings werden die Begriffe „kompliziert“ und „unkompliziert“ im Schrifttum nicht einheitlich behandelt (Schmelz 2014).

 

 

Vorkommen/Epidemiologie

Obwohl die akute Zystitis zu den häufigen Gründen für einen Arztbesuch zählt, gab es bislang keine verlässlichen Angaben zur Häufigkeit.

Von 2012 bis 2013 fanden diesbezüglich umfangreiche Analysen durch eine Krankenkasse statt, die weibliche Versicherte ab dem 12. Lebensjahr umfasste. Dabei zeigte sich die höchste Prävalenz in der Gruppe der über 80 jährigen(Wagenlehner 2017).

Bei der akuten Zystitis besteht eine erhebliche Geschlechterpräferenz: Bis zum 50. Lebensjahr tritt diese fast ausschließlich bei Frauen auf, wobei die Prävalenz mit dem Alter zunimmt. Ab dem 50. Lebensjahr sind aber vermehrt auch Männer betroffen (Kuhlmann 2015).

Unter den erwachsenen Frauen erkranken zwischen 20 % - 30 %  ≥ 1 x jährlich an einer akuten Zystitis (Schmelz 2014). 

 

Es finden sich mehrere Erkrankungsgipfel:

1. im Säuglings- und Kleinkindalter

2. in den Flitterwochen (sog. Honeymoon- Zystitis)

3. während der Schwangerschaft

4. in der postpartalen Phase

5. bei Z. n. Nierentransplantation (Herold 2020)

Die Zystitis ist mit 45 % - 72 % (Guberina 2016) die häufigste bakterielle Infektion bei Patienten mit Z. n. Nierentransplantation (Keller 2010). Im 1. Jahr nach der Transplantation – insbesondere in den ersten 3 – 6 Monaten - treten gehäuft Harnwegsinfekte auf (Kuhlmann 2015). 

Näheres s. Harnwegsinfektion

Ätiopathogenese

Bei Frauen spielen kausal anatomische Begebenheiten eine große Rolle wie z. B.:

  • kurze Harnröhre in unmittelbarer Lokalisation zur Analregion
  • Reinigung der Intimregion von hinten nach vorne statt von vorn nach hinten (Herold 2020)

Bei Männern besteht ein gewisser Schutz vor einer Zystitis durch:

  • längere Harnröhre
  • Inhaltsstoffe des Prostatasekrets wirken antibakteriell
  • der trockene Meatus urethrae ist nur gering besiedelt mit Keimen (Keller 2010)

Die Ursache einer akuten Zystitis sind in ca. 50 % Bakterien :

  • gramnegative Erreger (bei 77 % Escherichia coli)
  • grampositive Erreger (zwischen < 1 % - 4 %) (Näheres s. Harnwegsinfektion) (Manski 2020)
  • Trichomonaden (selten)
  • Soor (selten)

Unkomplizierte Zystitis: Eine unkomplizierte Zystitis wird in bis zu 80 % der Fälle durch E. coli verursacht.

Komplizierte Zystitis: Bei der komplizierten Zystitis kommen zu 30 % Enterokokken, zu jeweils 20 % E. coli und Staphylokokken, zu 10 % Pseudomonas aeruginosa und < 5 % jeweils Proteus mirabilis, Klebsiellen sowie andere Keime vor.

Zystitis bei Z. n. Nierentransplantation: Hierbei finden sich überwiegend gramnegative Erreger und Enterokokken (Kuhlmann 2015).

Nosokomiale Zystitis: Bei der nosokomialen Zystitis besteht i. d. R. eine Mischinfektionen mit Problemkeimen wie z. B.: Enterokokken, Pseudomonas, Proteus, Enterobacter, Citrobacter.

Bei Dauerkatheterträgern findet sich bereits nach 1 Woche bei 50 % ein Harnwegsinfekt, nach 1 Monat bei fast 100 %. Es handelt sich hierbei überwiegend um Mischinfektionen.  Bei ca. 20 % finden sich Candida im Urin, Symptome bestehen dabei überwiegend nicht.

(Näheres s. Harnwegsinfektion)

Risikofaktoren sind in erster Linie:

  • kürzlich stattgefundener Geschlechtsverkehr
  • neue sexuelle Partner
  • Gebrauch von Spermaziden
  • anamnestisch Harnwegsinfekte
  • anamnestisch Harnwegsinfekte bei weiblichen Verwandten ersten Grades
  • Prostataerkrankungen 

Alle anderen Faktoren wie z. B. prä- oder postkoitales Wasserlassen, Gebrauch von Tampons, warme Bäder, Duschverhalten, Miktionsfrequenz, Trinkmenge, Art der Unterwäsche etc. konnten in Studien bislang nicht belegt werden (Kuhlmann 2015). 

(Weitere Risikofaktoren s. Harnwegsinfektion)

 

 

Pathophysiologie

Zu Beginn der Entzündung kommt es in der Harnblase durch neutrophile Granulozyten zu einer Hyperämie, einem Ödem und einer Infiltration der Blasenwand. Die Mukosa wird im weiteren Verlauf durch ein leicht verletzbares Granulationsgewebe ersetzt. Gelegentlich entstehen dort auch flache, mit Exsudat gefüllte Ulzera. Die Entzündung betrifft im Regelfall ausschließlich die Mukosa und die Submukosa. Sämtliche Schichten der Muskularis sind nur selten betroffen. 

Ohne Behandlung treten im Spätstadium der Erkrankung Hämorrhagien und Nekrosen der Blasenwand auf.

(Manski 2019)

Klinisches Bild

Eine akute Zystitis beginnt i. d. R. plötzlich. Die Kardinalsymptome sind:

  • Störungen der Miktion wie z. B.:
  • Dysurie (erschwertes Wasserlassen mit abgeschwächtem Harnstrahl)
  • Algurie (Schmerzen beim Wasserlassen)
  • Pollakisurie (gehäuftes Wasserlassen bei überwiegend kleinerer Harnmengen)
  • Nykturie (nächtliches Wasserlassen)
  • Schmerzen im suprapubischen Bereich

Zusätzlich können folgende Symptome auftreten:

  • Hämaturie
  • Trübung des Urins
  • veränderter Geruch des Urins
  • neu aufgetretene oder verstärkte Inkontinenz

(Manski 2019 / Keller 2010 / Kuhlmann 2015 / Schmelz 2014)

Diagnostik

Hinsichtlich einer akuten Zystitis sind laut S3- Leitlinie der DGU keine weiteren diagnostischen Maßnahmen erforderlich:

  • bei typischer Symptomatik (Pollakisurie, Dysurie)
  • OHNE Fluor genitalis
  • Nierenlager NICHT klopfschmerzhaft
  • ansonsten gesunden, nicht schwangeren präklimakterischen Frauen 

(Manski 2019)

 

In allen anderen Fällen sollten entsprechend der Symptomatik erfolgen:

  • Urinsediment
  • Urinkultur
  • Sonographie der Niere und Harnblase 
  • vaginale Untersuchung (sofern der V. a. eine Vaginitis bzw. Adnexitis besteht; im Falle einer Bestätigung Entnahme von Abstrichen zur mikrobakteriellen Untersuchung)
  • Urogramm
  • Zystoskopie
  • Miktionszystourethrographie (MCU)

(Manski 2019)

 

Es bleibt – laut S3- Leitlinie – offen, ob bei einer unkomplizierten Zystitis beim jüngeren Mann die komplette urologische Untersuchung erfolgen sollte. 

In jedem Fall wird diese empfohlen bei:

  • fieberhafter Zystitis
  • rezidivierender Zystitis
  • V. a. komplizierende Faktoren
  • V. a. chronisch bakterielle Prostatitis

(Wagenlehner 2017)

 

ACSS- Fragebogen

Im Jahre 2015 stellten Alidjanov et al. den ACSS- Fragebogen (Acute Cystitis Symptom Score) zur Validierung einer unkomplizierten akuten Zystitis bei Frauen vor. 

Teil A des ACSS umfasst Fragen zu typischen Symptomen, Differentialdiagnostik, Lebensqualität und Begleitumständen und wurde bei der Erstvorstellung ausgefüllt.

Teil B enthält zusätzlich noch Fragen zur Dynamik und wird bei der Kontrollvorstellung ausgefüllt. 

Hierbei zeigte sich eine nur suboptimale Trennschärfe hinsichtlich des Behandlungserfolges.

Diese entstand vermutlich durch eine missverständliche Formulierung bei der Übersetzung und wurde im Jahr 2017 bei allen sprachlichen Versionen überarbeitet.

Deutsche Fassung s.: https://link.springer.com/article/10.1007/s00120-017-0327-2

Auswertung:

Ein Score von ≥ 6 Punkten in der Kategorie „Typische Symptome“ zeigt mit einer Sensitivität von 94,7 % und einer Spezifität von 82,4 % eine akute Zystitis an. 

Teil B gibt eine sehr gute Trennschärfe zwischen Erfolg bzw. Nicht- Erfolg einer bis dahin durchgeführten Behandlung an.

(Alidjanov 2017)

Bildgebung

Sonographie

Bei der Sonographie von Harnblase und Nieren können nach Manski (Manski 2019) etwaige Hinweise bestehen auf:

 

Urogramm: Die Durchführung eines Urogramms  spielt bei der akuten Zystitis keine Rolle. Sie empfiehlt sich bei einer rezidivierenden Zystitis, die Auffälligkeiten in der Sonographie zeigt (wie z. B. Harnstau, Harnblasendivertikel, Infektsteine, Ureterozele etc.) (Manski 2019)

Zystoskopie: Eine Zystoskopie sollte ausschließlich im infektfreien Intervall erfolgen. Routinemäßig wird sie laut S3- Leitlinie bei Frauen ohne sonstige relevante Begleiterkrankungen selbst bei rezidivierenden Harnwegsinfekten nicht empfohlen, wohl aber ab einem gewissen Alter (nicht näher definiert) und bei Komplikationen wie z. B. eine Mikro- Hämaturie, Nachweis anderer Erreger als E. coli etc (Manski 2019).

Kontrastverstärktes CT : Eine MRT ist bei der akuten Zystitis nur angezeigt, wenn sich bei der Sonographie unklare Befunde ergeben haben (Herold 2020).

Näheres s. Harnwegsinfektion

Miktionszystourethrographie (MCU): Die Durchführung einer MCU spielt bei der Diagnostik einer akuten Zystitis ebenfalls keine Rolle, erst bei Auftreten von Komplikationen (Näheres s. Harnwegsinfektion).

Labor

Urinteststreifen: Ein positiver Teststreifen erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Zystitis. Da aber sowohl die Sensitivität als auch die Spezifität unzureichend sind, wird der Teststreifen zur Diagnostik einer Zystitis derzeit nicht empfohlen (Wagenlehner 2017).

Urinsediment

  • 1. Bakteriurie:

Der Urin sollte vor Beginn einer Antibiose gewonnen werden.

Voraussetzung für die korrekte Gewinnung sind das Spreizen der Labien, die sorgfältige Reinigung des Meatus urethrae bzw. der Glans penis. Anschließend kann der Mittelstrahlurin gewonnen werden. 

Voraussetzung für die richtige Interpretation des Befundes sind ein rascher Transport per Kühlkette, die Verwendung von Spezialmedien oder eine sofortige Ausarbeitung.

Man spricht nach Kass von einer signifikanten Bakteriurie, wenn im Mittelstrahlurin nach entsprechender Aufbereitung eine Keimzahl von ≥ 105 / ml Urin gefunden wird. Niedrigere Keimzahlen deuten auf eine Kontamination hin. 

Allerdings kann auch eine forcierte Diurese falsch- niedrige Keimzahlen ergeben. 

Bei anbehandelten Patienten mit typischer Symptomatik einer Zystitis gelten Keimzahlen ≤ 103 bis 104 / ml Urin als pathologisch (Herold 2020).

Bei Dauerkatheterträgern spricht man ab einer Keimzahl von > 104 plus Leukozyturie von > 100 / µg von einer signifikanten Infektion (sofern der Urin nicht dem Katheterbeutel entnommen wurde) (Manski 2019).

Bei jeder signifikanten Bakteriurie sollte zur Keimdifferenzierung ein Antibiogramm angelegt werden (Herold 2020)

  • 2. Leukozyturie:
    • die Leukozyturie ist ein Hinweis auf eine Pyelonephritis
    • eine Leukozyturie bei ansonsten sterilem Urin (sog. sterile Leukozyturie) kann verursacht werden durch:
    • eine antibiotisch anbehandelte Zystitis 
    • genitale Verunreinigung (z. B. durch Fluor)
    • Mykoplasmenurethritis 
    • Chlamydienurethritis
    • Urogenitaltuberkulose
    • Reitersyndrom (hierbei besteht ein Trias aus Urethritis, Konjunktivitis, Arthritis)
    • Gonorrhoe
    • Analgetikanephropathie

Urinkultur: Für eine Urinkultur benötigt man Mittelstrahlurin (Gewinnung s. o. „Urinsediment“: Bakteriurie) (Manski 2019). Die Anlage einer Urinkultur wird im Falle der akuten Zystitis empfohlen bei:

  • Männern
  • Schwangeren
  • postmenopausalen Frauen
  • Diabetes mellitus
  • nach erfolgloser Antibiose (Schmelz 2014)
  • Urethritis
  • Vaginitis

 

Differentialdiagnose

  • benigne Prostatahypertrophie
  • parazytäre Zystitis durch eine Infektion mit Schistosoma haematobium
  • tuberkulöse Zystitis
  • bedingt durch andere Erkrankungen wie z. B.: Prostatitis, Darmerkrankungen, Adnexitis
  • medikamentös induzierte Zystitis durch z. B.: Ifosfamid, Cyclophosphamid, NSAR
  • durch andere Blasenerkrankungen bedingt wie z. B. Lithiasis, Tumor, Fremdkörper
  • durch eine radiogene Zystitis 
  • Herzinsuffizienz
  • Herpes genitalis
  • Gonorrhoe
  • neurogene Blasenstörung
  • psychosomatische Beschwerden (Manski 2019)
  • Urethritis (schleichender Beginn, vaginaler Fluor, Herpesläsionen etc.; die Entzündung liegt hierbei distal vom Sphincter urethrae internus [Herold 2020])
  • Vaginitis (vaginaler Fluor, Juckreiz, Geruch etc.) (Schmelz 2014)

 

 

Komplikation(en)

  • rezidivierende Zystitis (Herold 2020)
  • Hämaturie bis hin zur Makrohämaturie (Kasper 2015)
  • Pyelonephritis durch Aszension der Erreger. Tritt bei < 5 % aller Patienten mit akuter Zystitis auf (Manski 2019 / Schmelz 2014)
  • paranephritischer Abszess (CT)
  • bei Schwangeren:
    • Pyelonephritis durch Aszension der Erreger bei bis zu 23 % . Diese kann kompliziert werden durch bereits bestehende 
      • Anämie (23 %)
      • Nierenfunktionsstörung (7 %)
      • respiratorischer Insuffizienz (7 %)
    • eine Pyelonephritis kann bei Schwangeren führen zu:
      • Frühgeburtlichkeit 
      • reduziertem Geburtsgewicht 
      • erhöhter neonataler Mortalität
      • Präeklampsie (Manski 2019)

 

 

Therapie

Die akute Zystitis bei einer ansonsten gesunden Frau in der Prämenopause hat eine hohe Spontanheilungsrate (Kuhlmann 2015). Von daher kann bei diesen Patienten hinsichtlich einer Antibiose (zunächst) abgewartet werden. Der Patientin sollten empfohlen werden:

  • reichliches Trinken
  • warme Sitzbäder
  • Analgetika
  • Anticholinergika

Sollte es darunter zu keiner Besserung kommen, ist eine antibiotische Behandlung erforderlich (Manski 2019).

 Unkomplizierte akute Zystitis bei der Frau in der Prämenopause: Diese kann durch eine orale antibiotische Kurzzeittherapie behandelt werden.

In der S3- Leitlinie werden in erster Linie Substanzen empfohlen, die eine niedrige Resistenzrate zeigen, bei schweren Infektionen keine Rolle spielen und auf das typische Erregerspektrum bei Frauen in Deutschland sensibel reagieren.

Zu den Mitteln der 1. Wahl zählen:

  • Fosfomycin- Trometamol (z. B. Monuril). Es zeigt eine Sensibilität von 96 % und führt bei 1 % zu einer Resistenzentwicklung. Ab einer GFR von < 20 ml / min / 1,73 m² KOF ist Fosfomycin- Trometamol allerdings kontraindiziert.  Dosierungsempfehlung: 3.000 mg 1 x als Einmalgabe
  • Nitrofurantoin: Nitrofurantoin ist bei einer Niereninsuffizienz ab < 60 ml / min / 1,73 m² KOF kontraindiziert ist.Die Sensibilität liegt bei 86 %, die Resistenzentwicklung bei 5 %. Dosierungsempfehlung: 50 mg 4 x / d über 7 Tage oder oder Nitrofurantoin ret. 100 mg 2 x 1 über 5 Tage
  • Nitroxolin: Auch Nitroxolin ist bei schweren Nierenfunktionsstörungen kontraindiziert (Kreatinin im Serum > 2,0 mg / dl). Dosierungsempfehlung: 250 mg 3 x / d über 5 Tage (Wagenlehner 2017 / Manski 2019)

(Komplizierte) akute Zystitis bei Schwangeren: In der Schwangerschaft sollte eine akute Zystitis umgehend antibiotisch behandelt werden, da ansonsten die Gefahr von Komplikationen (s. o. „Komplikationen“) steigt. 

Als Antibiotika kommen in Frage:

  • Fosfomycin- Trometamol (z. B. Monuril):  Es zeigt eine Sensibilität von 96 % und führt bei 1 % zu einer Resistenzentwicklung. Ab einer GFR von < 20 ml / min / 1,73 m² KOF ist Fosfomycin- Trometamol allerdings kontraindiziert.  Dosierungsempfehlung: 3.000 mg 1 x als Einmalgabe
  • Pivmecillinam (z. B. X- Systo): Ab einer GFR von < 30 ml / min / 1,73 m² KOF ist eine Dosisanpassung erforderlich. Dosierungsempfehlung: 400 mg 3 x / d über 3 Tage (Manski 2019)

(Komplizierte) Zystitis bei Frauen in der Postmenopause: Es gibt nur wenige Studien, die die Wirksamkeit einer Kurzzeittherapie bei postmenopausalen Frauen untersucht haben. Die Auswahl und die Wirksamkeit der einzelnen Antibiotika entsprechen dem des unkomplizierten prämenopausalen Zystitis, die Therapiedauer sollte aber ggf. verlängert werden.

  • Fosfomycin- Trometamol (z. B. Monuril): Eine unkontrollierte Studie der Einmalgabe zeigte bei Frauen nach der Menopause eine Viruselimination von 87 % und eine klinische Wirksamkeit von 96%. Ab einer GFR von < 20 ml / min / 1,73 m² KOF ist Fosfomycin- Trometamol allerdings kontraindiziert.  Dosierungsempfehlung: 3.000 mg 1 x als Einmalgabe
  • Ciprofloxacin: Die Sensibilität liegt bei 92 %, die Resistenzentwicklung bei 7 % . Dosisanpassung ab einer GFR von < 60 ml / min / 1,73 m² KOF erforderlich Dosierungsempfehlung: 250 mg 2 x / d . Hierbei konnte in einer Studie mit Frauen nach der Menopause die Gleichwertigkeit einer 3- bzw. 6- tägigen Behandlung nachgewiesen werden, wobei sich eine bessere Verträglichkeit bei der Kurztherapie zeigte (Kuhlmann 2015 / Manski 2019).

(Komplizierte) akute Zystitis bei jüngeren Männern: Da diese tritt nur sehr selten auftritt, finden sich wenig aussagekräftige Vergleichsstudien. Bei einer symptomatischen Zystitis wird - nach Anlage einer Urinkultur - die orale medikamentöse Behandlung mit folgenden Antibiotika empfohlen:

  • Pivmecillinam: Die Sensibilität liegt bei 98 % und die Resistenzentwicklung bei 1 % (Manski 2019. )Dosierungsempfehlung: 400 mg 2 – 3 x / d über7 – 10 Tage
  • Nitrofurantoin: Hierbei liegt die Sensibilität bei 86 %, die Resistenz bei 5 % (Manski 2019). Dosierungsempfehlung: 50 mg 4 x / d über 7 – 10 Tage Nitrofurantoin sollte nicht bei einer Mitbeteiligung der Prostata eingesetzt werden (Wagenlehner 2017).
  • Fluorchinolone: Fluorchinolone können eingesetzt werden, so lange die Resistenzrate für lokale E. coli noch < 10 % liegt. Die Sensitivität beträgt 92 %, die Resistenz 7 %. Eine Dosisanpassung ist ab einer GFR von < 50 ml / min / 1,73 m² KOF erforderlich. Dosierungsempfehlung: z. B. Ciprofloxacin 250 mg 2 x / d. Therapiedauer: 7 - 10 Tage (bislang konnte in Studien nicht belegt werden, dass eine Kurztherapie bei Männern ebenso wirksam ist wie bei Frauen).

Nach Erhalt des Antibiogramms ggf. Anpassung der Therapie (Wagenlehner 2017 / (Manski 2019).

Zystitis bei Z. n. Nierentransplantation: Bei Patienten mit Z. n. Nierentransplantation treten - schon auf Grund der Immunsuppression – vermehrt Harnwegsinfekte auf (Guberina 2016). Eine Pyelonephritis kann dabei zu einer deutlichen Verschlechterung der Transplantatfunktion führen, die sich auch nach erfolgreicher Behandlung nur partiell zurückbildet (Kuhlmann 2015).

Falls eine Zystitis unmittelbar nach der Transplantation auftritt, sollte eine resistenzgerechte initiale Antibiose parenteral eingeleitet werden. Die weitere Behandlung kann oral erfolgen und sollte mindestens noch 6 Wochen umfassen (Keller 2010).

Innerhalb der ersten 3 Monate nach der Transplantation empfiehlt sich eine 6- wöchige orale Therapie entsprechend dem Antibiogramm. Tritt eine Zystitis später als 6 Monate nach der Transplantation auf, reicht i. d. R. eine 10 - 14- tägige Behandlungsdauer aus (Keller 2010).

  • „Essener Algorithmus zur kalkulierten antibiotischen Behandlung von Harnwegsinfektionen bei nierentransplantierten Patienten“:

Der Algorithmus wurde 2011 erstmals zur kalkulierten antibiotischen Behandlung Nierentransplantierter vorgestellt. Er berücksichtigt neben den in der Frühphase auftretenden Enterokokken auch gramnegative Keime.

Hierbei wird empfohlen, in den ersten beiden Monaten nach der Transplantation Chinolone (Gyrasehemmer) einzusetzen und anschließend ab dem 3. Monat Cephalosporine. Die Behandlung sollte bei schweren Infektion parenteral begonnen und oral weitergeführt werden (Becker 2011).

Akute Zystitis mit Candida: Bei empfindlichen Candida Spezies sollte behandelt werden mit:

  • Fluconazol 200 mg – 400 mg /d oral über 14 Tage.
  • Amphotericin B: Alternativ kann auch eine Blasenspülung mit 50 mg Amphotericin B / l Wasser über 5 – 7 Tage erfolgen. Hierbei ist der Erfolg allerdings unklar (Kuhlmann 2015).

Verlauf/Prognose

Die Spontanheilungsrate der unkomplizierten akuten Zystitis liegt innerhalb einer Woche zwischen 30 % - 50 %. 

Die Antibiose bewirkt – mit Ausnahme schwangerer Patienten - lediglich eine Symptomlinderung und eine raschere Besserung der Symptomatik, wie eine in Belgien erfolgte Studie zeigt. Die NNT (Number needed to Treet) lag in dieser Studie bei 4,4 und nach 7 Tagen bei 2,7 (Kuhlmann 2015).

Bei einer antibiotisch behandelten Zystitis sollten sich nach 24 h zeigen:

  • Abklingen des eventuell vorhandenen Fiebers
  • Besserung der klinischen Symptomatik

Der Urin sollte nach 3 Tagen wieder steril sein. Falls dies nicht der Fall ist, liegen wahrscheinlich Komplikationen vor (s. o.)

Prophylaxe: Prophylaxe rezidivierender Zystitiden s. Harnwegsinfektion.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Alidjanov J F et al. (2017) Neuer Fragebogen zur deutschen Validierung des „Acute Cystitis Symptom Score“. Urologe (56) 364 – 366
  2. Becker S et al. (2011) Harnwegsinfektionen nach Nierentransplantation. Der Urologe (50) 53 – 56 
  3. Bschleipfer T et al. (2018) Leitliniengruppe S2K-Leitlinie für Interstitielle Cystitis (IC/BPS) Langfassung, 1. Auflage, Version 1, 2018. AWMF-Register-Nr.: 043/050 
  4. Guberina H et al. Infektionen bei immunsupprimierten Patienten. Nephrologe 11 (6) 388 - 395
  5. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 617 - 622
  6. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 294
  7. Keller C K et al. (2010) Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 64 – 66
  8. Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme Verlag 542 – 548
  9. Manski D (2019) Das Urologielehrbuch. Dirk Manski Verlag 348 – 352
  10. Schmelz H U et al. (2014) Facharztprüfung Urologie: 1000 dokumentierte Prüfungsfragen. Georg Thieme Verlag 117 – 120
  11. Sökeland J et al. (2008) Taschenlehrbuch Urologie. Georg Thieme Verlag 7.1.3.1.
  12. Wagenlehner F et al. (2017) Interdisziplinäre S3 Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten Aktualisierung 2017. AWMF-Register-Nr. 043/044 

Verweisende Artikel (1)

Nickender Zweizahn;

Weiterführende Artikel (2)

Enterokokken; Pseudomonas-Infektionen;

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