Definition
Schmerz ist nach der „International Association for the Study of Pain“ (IASP) ein unangenehmes Sinnes- und Gefühlserlebnis, das mit tatsächlicher oder potentieller Gewebsschädigung assoziiert ist oder als eine solche Schädigung beschrieben wird (IASP Taxonomy Working Group, 2011). Schmerz ist somit eine bewusste Empfindung, die aus der kognitiven und emotionalen Bewertung der Informationen des nozizeptiven Systems entsteht. Das nozizeptive System ist ein spezialisierter Teil des somatosensorischen Systems, das für die Detektion und Verarbeitung von noxischen (schädlichen) Reizen durch spezifische Rezeptoren (Nozizeptoren) verantwortlich ist. Dieser Vorgang der Detektion und Verarbeitung wird Nozizeption genannt.
Einteilung
Akuter Schmerz: Der akute Schmerz ist eine lebenswichtige Sinneswahrnehmung, die den Körper vor Gefahren und Verletzungen warnt. Die subjektive Schwere des Schmerzes korreliert nicht mit dem Ausmaß der Gewebsschädigung, sondern mit der zentralen Verarbeitung. Die den Schmerzreiz wahrnehmenden Sensoren (Nozizeptoren) sind freie Nervenendigungen und befinden sich in fast jedem Gewebe des Körpers. Sie reagieren auf noxische mechanische Reize, noxische thermische Reize und chemische Substanzen, die bei Gewebsverletzungen und Entzündungen frei werden. Es gibt zudem noch absteigende Bahnen für eine endogene Schmerzhemmung (Schmerzmodulation).
Chronischer Schmerz: Oft ist kein Zusammenhang mehr zwischen dem Schmerz und der ursprünglich ihn auslösenden Schädigung oder Erkrankung herzustellen. Der Schmerz hat dann seine eigentliche Warnfunktion verloren und ist zu einem eigenständigen Krankheitsbild geworden.
Die Reaktion auf Schmerz lässt sich in 4 Komponenten unterteilen:
- Die sensorisch-diskriminative Komponente identifiziert den Ort und die Art sowie die Intensität und Qualität des noxischen Reizes.
- Die kognitive Komponente bewertet den Schmerz und vergleicht ihn mit vorherigen Schmerzereignissen
- Die affektiv-emotionale Komponente nimmt die Bewertung hinsichtlich der individuellen Emotionalität vor.
- Die vegetative Komponente erfasst die reaktiven Antworten des sympathischen Nervensystems auf den noxischen Reiz.
Hinsichtlich der Schmerzqualität unterscheidet man zwischen verschiedenen Schmerzformen:
- Physiologische nozizeptive Schmerz: nimmt eine protektive Wirkung ein zur Vermeidung einer Gewebszerstörung.
- Entzündliche Schmerz: tritt nach Entzündungen und Gewebsschädigungen durch die Sensibilisierung des (peripheren) nozizeptiven Systems auf.
- Neuropathische Schmerz: tritt bei Dysfunktionen im peripheren und zentralen Nervensystem auf. Dies führt zu einer Sensibilisierung des nozizeptiven Systems. Entscheidend für die Entstehung eines neuropathischen Schmerzes ist eine vorangegangene Schädigung von somatosensorischen Nervenstrukturen. Diese Schädigung kann sowohl das periphere als auch das zentrale Nervensystem (Gehirn und Rückenmark) betreffen. Periphere Nerven können durch eine Vielzahl von mechanischen, metabolischen, toxischen oder entzündlichen Noxen verletzt werden. Beim Auftreten zentraler neuropathischer Schmerzen muss die Ursache in einem primären schädigenden Prozess des ZNS gesucht werden (Läsionen des Rückenmarks, Hirnstamms, Thalamus, der subkortikalen Strukturen oder des Kortex). Die durch die Läsion induzierten plastischen Veränderungen im peripheren und zentralen Nervensystem können sich verselbstständigen und dann mit der Zeit irreversibel werden.
- Tumorschmerz: Hierbei werden einerseits intakte Nozizeptoren durch Tumorprodukte erregt. Andererseits kann der Tumor selbst durch direkte Infiltration Nervengewebe schädigen. Bei diesen Mischformen ist es zur Therapieplanung wichtig, den Anteil der neuropathischen Schmerzkomponente an den Gesamtschmerzen abzuschätzen.
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Psychogene Schmerz: Hierbei können keine nachweisbaren organischen Ursachen ermittelt werden.
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Allgemeine Information
Nozizeptoren sind freie Nervenendigungen, die somatosensorische, schädliche Reize in Generatorpotentiale umwandeln und als Aktionspotentialfolgen afferent weiterleiten. Dabei besitzen diese Rezeptoren eine Polymodalität hinsichtlich chemischer, thermischer oder mechanischer Reize. Die Nervenendigungen sind mit einer Vielzahl von sensorischen Rezeptoren ausgestattet, die noxische Reize in depolarisierende Sensorpotentiale umwandeln.
Die Prototypen dieser Rezeptoren stellen die transienten Rezeptorpotentialkanäle (TRP-Kanäle) dar, die je nach Typ sowohl auf Hitze bzw. Kälte, als auch auf chemische und mechanische Reizung reagieren.
Die nozizeptiven Nervenendigungen kommen in Haut, Schleimhaut, Teilen des Bewegungsapparates, Gefäßen und Eingeweiden vor und weisen dabei entweder eine Myelinisierung auf (A-δ Fasern) oder sind unmyelinisiert (C-Fasern). Die Leitungsgeschwindigkeit der C-Fasern ist wesentlich geringer als die der A-δ Fasern, die deswegen eine wichtige Bedeutung für schnelle reflektorische Antworten haben (z. B. für den Wegziehreflex). Zusätzlich können diese Fasern nochmals hinsichtlich ihrer leitenden Schmerzqualität (mechanisch, chemisch, thermisch) unterteilt werden
Vom Thalamus ausgehend erreichen die nozizeptiven Fasern schließlich die kortikalen Anteile des Gehirns, hauptsächlich den primären bzw. sekundären somatosensorischen Cortex (ssC), die Inselrinde und den Gyrus cinguli (GyC). Zusammen mit dem Thalamus und Anteilen des präfrontalen Cortex (pfC) bilden sie ein komplexes Netzwerk, das regelmäßig bei nozizeptiven Stimuli aktiviert wird. Durch diese Komplexität wird dieses Netzwerk auch als Schmerzmatrix bezeichnet.
Hinweis(e)
Die Schmerzintenistät aknn mit einer von der WHO verabschiedete Analogskala von 0-10 (kein Schmerz), Grad 1 (1-4 = mild bis moderat), Grad 2 (5-8 = stark bis schwer), Grad 3 (8-10 = unerträglich), mit deren Hilfe die Intensität der Schmerzen subjektiv vom Betroffenen selbst angegeben werden kann.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Graefe KH et al. (2016) Nozieption. In: Graefe KH et al. (Eds) Pharmakologie und Toxikologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart SS 2224-227