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NierenzellkarzinomC64
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Grawitz beschrieb1883 als Erster das klarzellige Nierenkarzinom, welches seitdem auch als „Grawitz- Tumor“ bezeichnet wird. Im 19. Jahrhundert tauchten Bezeichnungen wie „Hypernephrom“ und „hypernephroides Karzinom“ auf, die inzwischen als veraltet gelten (Wittig 2012). Die erste radikale Nephrektomie als kurativer Eingriff beim lokal begrenzten Nierenzellkarzinom beschrieb als Erster Robson im Jahre 1969 (Doehn 2020).
Definition
Unter einem Nierenzellkarzinom (RCC oder NZK) versteht man eine heterogene Gruppe von Tumoren, die spezifische histopathologische, genetische und klinische Eigenschaften aufweisen. Sie können sowohl benigne als auch hochgradig maligne sein und uni- oder bilateral auftreten (Kasper 2015).
Einteilung
Die Einteilung des RCC erfolgt nach histopathologischen Kriterien und unter Berücksichtigung molekularer Charakteristiken laut WHO von 2016 (Ahrens 2020) und wird wie folgt eingeteilt:
- Klarzelliges Nierenzellkarzinom: Es stellt mit 60 % - 70 % die häufigste Tumorart stellen dar.
- Papilläres Karzinom: Dieses kommt in 5 % - 15 % vor und tendiert zum multifokalen und bilateralen Befall der Nieren.
- Chromophobes Karzinom: Das chromophobe Karzinom findet sich in 5 % - 10 % der Fälle und ist gekennzeichnet durch einen unauffälligen klinischen Verlauf.
- Onkozytom: Dieses ist mit ebenfalls 5 % - 10 % selten und wird als eher gutartig angesehen. Es kann auch als Hybridtumor zusammen mit einem chromophoben Karzinom auftreten. Onkozytome können außerdem Vorläufer eines chromophoben Karzinomssein (Kraus 2014)
- Ductus- Bellini- Karzinom: Das Ductus- Bellini- Karzinom (auch als Sammelrohrkarzinom bezeichnet) kommt mit < 1 % sehr selten vor und ist hoch aggressiv (Kasper 2015).
In früheren WHO- Klassifikationen als eigene Tumorentität beschrieben:
- Medulläres Karzinom: Das medulläre Karzinom tritt nur sehr selten auf und ist hoch aggressiv (Golbeck 2013). Man findet es ausschließlich bei Patienten mit Sichelzellanämie (Herold 2020).
- Multilokuläres zystisches Nierenzellkarzinom: Dieser Tumor zeigt eine enge Assoziation mit dem klarzelligen RCC (s. o.). Er ist nur gering maligne. Metastasierende Fälle sind bislang nicht bekannt (Golbeck 2013).
Eine zusätzliche Einteilung stellt die Vancouver- Klassifikation der International Society of Urological Pathology (ISUP) dar. Sie gilt insbesondere für neue Kategorien von epithelialen Tumoren wie z. B.:
- tubulozystisches Nierenzellkarzinom
- papilläres Nierenzellkarzinom (Typ 1 und Typ 2)
- klarzelliges Nierenzellkarzinom
- translokations- assoziiertes Nierenzellkarzinom
- Nierenzellkarzinom assoziiert mit einer erworbenen zystischen Nierenerkrankung
- Nierenzellkarzinom assoziiert mit einer hereditären Leiomyomatose (Doehn 2020)
Tumorklassifikation
Die RCC werden laut Union for International Cancer Control (UICC) 2017 wie folgt klassifiziert:
T 0 : Primärtumor nicht nachweisbar
- T 1 : Tumor bis zu 7 cm groß und auf die Niere begrenzt
- T 1 a: < 4 cm groß
- T 1 b: 4 – 7 cm groß
- T 2 a: Tumor > 7 cm – 10 cm
- T 2 b: > 10 cm groß
- T 3 a: Invasion in die Nierenvene oder Infiltration perirenal
- T 3 b: Invasion der V. cava unterhalb des Diaphragmas
- T 3 c: Invasion der V. cava oberhalb des Diaphragmas
- T 4 : Durchbruch der Gerota- Faszie
- N 0: Kein Nachweis von Lymphknotenmetastasen
- N 1: Nachweis einer Metastase in 1 regionalen Lymphknoten
- N 2: Nachweis einer Metastase in > als 1 Lymphknoten
- M 0: Kein Nachweis von Fernmetastasen
- M 1: Nachweis von Fernmetastasen
TNM- Stadieneinteilung der Union for International Cancer- Control = UICC, 2010):
Stadium I: T1 N0 M0
Stadium II: T2 N0 M0
Stadium III: T1 N1 M0
oder: T2 N1 M0
oder: T3 N0 M0
oder: T3 N1 M0
Stadium IV: T1 N2 M0
oder: T2 N2 M0
oder: T3 N2 M0
oder: T4 N0 M0
oder: T4 N1 M0
oder: T4 N2 M0
oder: jedes T, jedes N, M1
Veneninvasion beim RCC: Hierbei differenziert man zwischen vier verschiedenen Level:
- Level I: Der Tumor reicht bis zur V. renalis
- Level II: Der Tumor erreicht unterhalb der Leber die V. cava
- Level III: Der Tumor reicht unterhalb des Diaphragmas bis in die intrahepatische V. cava hinein. Zur Ausklemmung ist ein Zwei- Höhlen- Eingriff erforderlich.
- Level IV: Hierbei findet sich ein Tumorthrombus oberhalb des Diaphragmas. Dadurch wird ein Zwei- Höhlen- Eingriff mit Herz- Lungen- Maschine notwendig. (Manski 2020)
Vorkommen/Epidemiologie
Das Nierenzellkarzinom macht im Erwachsenenalter ca. 2 % - 4 % aller malignen Neoplasien aus (Delecluse 2020) undstellt mit 90 % den am häufigsten vorkommenden malignen Nierentumor im Erwachsenenalter dar (Manski 2020).
I. d. R. wächst das RCC unilateral, kann aber in 1 % auch bilateral vorhanden sein (Herold 2020).
Das medulläre RCC findet sich bei ca. 75 % der Betroffenen rechtsseitig (Golbeck 2013).
Ätiopathogenese
Die Ursache eines RCC ist bislang unbekannt. Es sind aber verschiedene Risikofaktoren bekannt, die eine Erkrankung begünstigen. Dazu zählen:
- Rauchen (2 x höheres Risiko (Keller 2010)
- sekundäre Nierenzysten bei chronischer Niereninsuffizienz (das Risiko erhöht sich dadurch um das 30fache [Keller 2020])
- terminale Niereninsuffizienz
- tuberöse Sklerose (autosomal- dominant vererbte Phakomatose [Pantelis 2007])
(Kasper 2015)
- Analgetika- Nephropathie durch mehrjährige Einnahme von Mischanalgetika oder NSAR (mit Ausnahme von ASS)
(Wolf 2020)
- berufliche Schadstoffe wie z. B.:
- Kadmium
- Trichlorethylen
- Asbest (Keller 2010)
- Adipositas besonders bei Frauen (Keller 2010)
-
Phakomatosen wie z. B.:
- Neurofibromatose
- tuberöse Sklerose
- Sturge- Weber- Krabbe- Erkrankung (Keller 2010 / Ertl- Wagner 2007)
Bei ca. 4 % aller RCC findet sich eine familiäre Häufung. Für erst- oder zweitgradige Angehörige erhöht sich damit das Risiko, ebenfalls an einem RCC zu erkranken, um den Faktor 2 – 4 (Doehn 2020).
Pathophysiologie
Das RCC geht vom Epithel verschiedener Nephronabschnitte des reifen Nierenparenchyms aus (Manski 2020):
- klarzelliges Nierenzellkarzinom vom proximalen Tubulus
- papilläres RCC vom proximalen Tubulus
- Onkozytom vom kortikalen Sammelrohr
- chromophobes Karzinom ebenfalls vom kortikalen Sammelrohr
- Ductus- Bellini- Karzinom vom medullären Sammelrohr im Nierenmark (Kasper 2015)
Bei 1 % - 4 % aller RCC lässt sich eine Keimbahnmutationen nachweisen.
Derzeit sind vier molekulargenetisch definierte Syndrome bekannt, die mit einer Risikoerhöhung für die Entwicklung eines RCC einhergehen:
- Hippel- Lindau- Syndrom (bei dieser autosomal- dominanten hereditären Multisystemerkrankung findet man in ca. 30 % ein RCC [Herold 2020])
- Birt- Hogg- Dubé- Syndrom
- Hereditäre Leiomyomatose und Nierenzellkrebs
- Hereditäres papilläres Nierenzellkarzinom
(Doehn 2020)
Außerdem beim:
- ZNS- Hämangioblastom (seltener benigner Tumor der hinteren Schädelgrube oder anderen Teilen des Nervensystems [Dützmann 2018])
- Angiomatosis retinae (Herold 2020)
Manifestation
Das RCC kann in jedem Alter auftreten, die Inzidenz steigt aber mit dem Alter deutlich an (Kasper 2015). Eine Ausnahme stellt das medulläre RCC dar, dessen Durchschnittsalter bei 19 Jahren liegt (Golbeck 2013).
Das männliche Geschlecht ist doppelt so häufig betroffen wie das weibliche (Kasper 2015)
Der Erkrankungsgipfel liegt für Männern bei 68 Jahren und für Frauen bei 71 Jahren (Doehn 2020).
Klinisches Bild
Die klinischen Leitsymptome eines RCC sind:
Hämaturie : Die Hämaturie findet sich bei ca. 60 % aller Patienten. Sie wird ausgelöst durch einen Einbruch in das Nierenbecken, wasbeim RCC relativ früh vorkommt (Herold 2020).
abdomineller Schmerz: besteht bei ca. 40 % (Herold 2020).
palpabler Tumor im Flankenbereich: Falls der Tumor bereits palpabel ist, besteht i. d. R. Inoperabilität (Herold 2020).
Diese typischen Symptome bestehen aber lediglich bei 10 % - 20 % der Patienten. Weitere Symptome können sein:
- unklares Fieber
- Gewichtsverlust
- Anämie
Varikozele v. a. des linken Hodens (bei Einbruch in die linke V. renalis (Kasper 2015)
paraneoplastische Syndrome: Sie entstehen durch tumorbedingte Hormonproduktion wie z. B.
- Hypertonie (durch Renin)
- Hyperkalzämie (durch Parathormon- related Protein = PTHrP)
- Polyglobulie (durch Erythropoetin)
- Stauffer- Syndrom (durch den Tumor bedingte Funktionsstörung der Leber mit erhöhter AP)
Die o. g. Symptome treten i. d. R. nur fakultativ auf bzw. erst in einem späten Stadium.
Anfänglich ist die Symptomatik meistens unspezifisch bzw. deutet eher auf eine Systemerkrankung hin. Deshalb wird das RCC auch als „urologisches Chamäleon“ bezeichnet (Ganten 2002). Nach wie vor werden jedoch die meisten RCC (60 % - 70 %) als Zufallsbefund bei der Sonographie entdeckt, da im Frühstadium keine typischen Beschwerden vorhanden sind. (Herold 2020)
Metastasierung: Bei bereits erfolgter Metastasierung können z. B. außerdem folgende Symptome bestehen:
- Ikterus
- Husten
- Dyspnoe
- Knochenschmerzen
- neurologische Ausfälle (Manski 2020)
Diagnostik
Inspektion und körperliche Untersuchung
- mitunter tastbare, atemverschiebliche abdominelle Raumforderung am unteren Nierenpol
- vor allem linksseitige Varikozele, die sich im Liegen nicht entleert (Keller 2010)
- arterielle Hypertonie (Herold 2020)
Bildgebung
Sonographie: Sonographisch lassen sich Tumoren ab ca. 2 cm Durchmesser darstellen (Keller 2010).
Benigne Tumoren wie z. B. das Angiomyolipom stellt sich vermehrt echogen als glatt abgrenzbare Raumforderung dar.Das Nierenzellkarzinom und das Onkozytom hingegen zeigen beide ein inhomogenes Echomuster (Kuhlmann 2015).
Darstellung eventuell vorhandener Metastasen der Leber (Manski 2020).
Zur Klärung der Dignität des Tumors und der Metastasen sollten weitere Untersuchungen erfolgen (s. u.). (Keller 2010)
Farbduplexsonographie: Hierbei lässt sich beim RCC eine körbchenartige Verdrängung der intrarenalen Gefäße darstellen, die auch als sog. Parenchymbuckel oder Pseudotumor bezeichnet wird (Keller 2010).
Röntgen- Thorax: Eine Röntgenthorax- Untersuchung sollte zum Ausschluss von Lungenmetastasen erfolgen. Falls sich Tumoren von > 3 cm finden oder bei Bestehen pulmonaler Beschwerden, ist eine Thorax- CT zur weiteren Diagnostik zu empfehlen (Manski 2020).
CT- Abdomen. In der CT können:
- die Nierenfunktion der Gegenseite eingeschätzt werden
- eine Lymphadenopathie von > 1 cm Hinweis auf eine lymphogene Metastasierung geben (Manski 2020)
- für die Planung einer organerhaltenden Operation kann mit Hilfe von Kontrastmittel die Vaskularisierung des Tumors dargestellt werden:
- das papilläre Nierenzellkarzinom ist weniger vaskularisiert
- der klarzellige Tumor stärker
- ein benigner Tumor stellt sich hypo- bzw. avaskulär dar (Kuhlmann 2015)
CT- Thorax: Bei radiologischem Nachweis von > 3 cm großen Lungenmetastasen oder bei pulmonalen Beschwerden sollte eine CT des Thorax erfolgen (Manski 2020).
MRT: Laut Leitlinie sollte immer dann zusätzlich eine MRT durchgeführt werden, wenn der Tumor eine Venenbeteiligung zeigt bzw. in die V. cava inferior hineinragt, da mit einer MRT die Tumorausdehnung exakter beurteilt werden kann (Doehn 2020).
Die genaue Bestimmung der Invasion ist für die operative Planung wichtig (Manski 2020). Die exakte Stadieneinteilung s. b. Veneninvasion beim RCC unter „Einteilung“.
Außerdem ist eine MRT bei Patienten mit bekannter Kontrastmittelallergie erforderlich (Kuhlmann 2015).
Schädel- MRT: Bei V. a. Hirnmetastasen sollte eine Schädel- MRT erfolgen (Manski 2020).
Knochenszintigraphie: Eine Knochenszintigraphie ist indiziert bei:
- fortgeschrittenem RCC
- erhöhter AP
- Knochenschmerzen
- Nachweis anderer Metastasen (Manski 2020)
Feinnadelbiopsie: Eine präoperative Feinnadelbiopsie sollte, sofern die Therapiewahl dadurch beeinflusst würde, als Stanzzylinder- Biopsie unter Ultraschall- oder CT- Kontrolle erfolgen (Doehn 2020). Das kann z. B. der Fall sein bei V. a.:
- Nierenabszess
- Lymphom
- Metastasen
- vor einer systemischen Therapie bei fortgeschrittenem Krankheitsstadium. Falls bislang kein histopathologischer Befund vorliegt, empfiehlt sich eine Biopsie aus dem Primarius bzw. aus der Metastase (Doehn 2020). (Manski 2020)
Die Biopsie zystischer Tumoren gilt als kontraindiziert, da die Wahrscheinlichkeit, in einem zystischen Tumor die soliden Anteile (und damit die Möglichkeit des Ausschlusses eines malignen Tumors) zu erfassen, zu gering ist (Doehn 2020).
In 5 % - 15 % findet sich eine falsch negative Histologie (Manski 2020).
Labor
Es können beim RCC folgende Laborveränderungen bestehen:
- Anämie
- Erythrozytose (findet sich bei ca. 3 % zum Zeitpunkt der Erstdiagnose) (Kasper 2015)
- Thrombozytose
- Hypercalcämie
- Leberfunktionsstörungen (auch ohne Lebermetastasen als sog. „Stauffer- Syndrom s. o. „Klinisches Bild“ [Herold 2020])
- Erhöhung der alkalischen Phosphatase
- Störungen des Hormonhaushaltes (z. B. Erythropoetin, Glukagon, PTHrP, Renin, ACTH- like- Hormon, Gonadotropine, Insulin) (Keller 2010)
- erhöhte Entzündungswerte
- gestörte Blutgerinnung (Manski 2020)
Bislang gibt es beim RCC keine molekularen Marker, die Hinweise auf eine Metastasierung geben könnten (Doehn 2020).
Differentialdiagnose
Differentialdiagnose einer Hämaturie:
- Nephrolithiasis (Herold 2020)
Differentialdiagnostisch zum Nierentumor kommen z. B. in Frage:
- entzündliche Tumoren:
- Abszess
- xanthogranulomatöse Pyelonephritis
- infizierte Nierenzyste
- rheumatische Erkrankungen mit Granulombildung
- Tuberkulose
- Tumoren des unreifen Nierenparenchyms:
- Wilms- Tumor
- Sarkom
- Tumoren des reifen Nierenparenchyms:
- Adenom
- Tumoren des Nierenbeckens:
- Papillom
- Urothelkarzinom
- Adenokarzinom
- Plattenepithelkarzinom
- zystische Nierentumoren
- Nierentumoren des Gefäßsystems:
- Hamartom
- Hämangiom
- Lymphangiom
- Angiomyolipom
- mesenchymale Nierentumoren:
- Fibrom
- Fibrosarkom
- Lipom
- Liposarkom
- Leiomyom
- Leiomyosarkom
- Nierentumoren des Nervensystems:
- Neuroblastom
- Schwannom
- Sympathikoblastom
- perirenale Tumoren:
- retroperitoneales Sarkom
- Lymphom
- Neuroblastom
- Lymphknotenmetastase (z. B. durch Hodentumoren)
- Teratom
- Nierenmetastasen von:
- Bronchialkarzinom
- Mammakarzinom
- gastrointestinale Karzinome
- malignes Melanom
- Lymphom (Manski 2020)
Komplikation(en)
Metastasen
Es tritt primär eine hämatogene Metastasierung auf - i. d. R. zuerst in die Lunge -, danach in Knochen, Nebenniere, Leber und ZNS.
Zur lymphogenen Metastasierung kommt es über die regionalen Lymphknoten, die Cysterna chyli bzw. den Ductus thoracicus und zuletzt erst erfolgt die lokale Metastasierung (Keller 2010).
Metastasen eines Nierenzellkarzinoms finden sich häufig in Folgenden Bereich:
- Lunge und Mediastinum (55 %)
- regionale Lymphknoten wie z. B. Nierenhilus, abdominell, paraaortal, paracaval (34 %)
- Leber (33 %)
- Skelettsystem (32 %)
- Nebennieren (19 %)
- kontralaterale Niere (11 %)
- ZNS (6 %)
(Keller 2010)
- im Bereich der Mundhöhle, bevorzugt der Gingiva.
Bei ca. 23 % stellen Mundhöhlenmetastasen das erste Zeichen eines malignen Geschehens dar. Metastasen eines RCC im Bereich der Mundhöhle treten bei Frauen in 8,5 % und bei Männern in 11 % auf.
(Wittig 2012)
Therapie allgemein
Die Behandlung des Nierenzellkarzinoms ist primär chirurgisch und erfolgt darüber hinaus in Abhängigkeit vom Stadium(Tumorklassifikation s. „Einteilung“). Eine neoadjuvante Therapie ist klinisch nicht relevant.
In bestimmten Fällen können eingesetzt werden:
- Immuntherapie (z. B. bei multiplen Metastasen)
- Bestrahlung (z. B. bei Knochenmetastasen)
- ablatives Verfahren wie die Kryo- oder Radiofrequenz- Ablation bei kleinem RCC und hoher Komorbidität bzw. begrenzter Lebenserwartung) (Doehn 2020).
Interne Therapie
Klarzelliges RCC: Das klarzellige RCC ist nahezu komplett resistent gegenüber gebräuchlichen zytotoxischen bzw. zytostatischen Substanzen.
Im fortgeschrittenen Stadium oder bei Vorliegen von Metastasen können zur Erstlinientherapie humane monoklonale Antikörper (wie z. B. eine Kombination von Pembrolizumab plus Axitinib) eingesetzt werden (Doehn 2020).
Multiple Metastasen: Bei multiplen Metastasen ist eine palliative Therapie (mit Ausnahme des metastasierenden klarzelligen RCC [Doehn 2020]) möglich mit:
- Angiogenese- Inhibitoren z. B. Bevacizumab kombiniert mit Interferon- alpha
- Tyrosinkinase- Hemmer sog. VEGFR- Inhibitoren wie z. B. Sorafenib, Sunitinib
- m- TOR- Inhibitoren wie z. B. Temsirolimus, Everolimus
- Immuncheckpoint- Inhibitoren wie z. B. PD- 1- Inhibitor Nivolumab (Herold 2020)
Knochenmetastasen: Hierbei kann die Behandlung medikamentös mit Bisphosphonaten oder durch eine lokale Radiatio erfolgen (Herold 2020)
Operative Therapie
Stadium I (s. „Einteilung“): Derzeit gilt für Patienten im Stadium I bzw. T1 die organerhaltende Nierenteilresektion als Standard. Diese kann, je nach anatomischen Begebenheiten, offen oder laparoskopisch erfolgen (Kasper 2015). Bei laparoskopischem Vorgehen sind die Blutverluste i. d. R. geringer und der stationäre Aufenthalt kürzer (Doehn 2020).
Stadium ≥ II (s. „Einteilung“): Ab dem Stadium II und höher ist die radikale Nephrektomie das Standardverfahren.
Die Operation erfolgt in der sog. no- touch- Technik, d. h. vor einer Manipulation der Niere erfolgt die Unterbindung der zu- und abführenden Blutgefäße. Bei der radikalen Nephrektomie werden die Niere mit perirenaler Fettkapsel, Gerota- Faszie, ipsilateraler Nebenniere, Harnleiter und der Spermatika- bzw. Ovarialgefäße en- bloc reseziert, zusätzlich auch noch die parakavalen bzw. paraaortalen Lymphgefäße und ein eventuell vorhandener Zapfen aus der V. cava (Stadien der Veneninvasion s. „Einteilung“). (Herold 2020)
Bilaterale Tumoren: Bei bilateralen Tumoren sollte primär eine Nierenteilresektion angestrebt werden. Falls dies nicht möglich ist, empfiehlt sich, zunächst auf der technisch einfacheren Seite die Teilresektion durchzuführen. Die Restfunktion der operierten Niere sollte nach ca. einen Monat p. o. evaluiert werden.
Falls die Funktion ausreichend ist, kann eine Tumor- Nephrektomie auf der anderen Seite erfolgen.
Bei unzureichender Funktion bestehen die Möglichkeiten der imperativen Nierenteilresektion oder einer Tumornephrektomie mit anschließender Dialyse. (Manski 2020)
Lymphadenektomie: Eine systematische Lymphadenektomie wird bei präoperativ unauffälliger Bildgebung und unauffälligem intraoperativen Befund nicht empfohlen (Doehn 2020).
Solide Fernmetastasen: Solide Fernmetastasen aus z. B. Leber oder Lunge können ebenfalls chirurgisch entfernt oder minimal invasiv zerstört werden (Herold 2020).
Multiple Metastasen: s. o. „Interne Therapie“.
Bemerkung: Sollten Kontraindikationen für eine operative Maßnahme bestehen, können lokal- ablative Verfahren wie z. B. Radiofrequenz- oder Krypto- Ablation eingesetzt werden (s. o. „Therapie, allgemein“ (Herold 2020).
Verlauf/Prognose
Präoperativ und postoperativ kann anhand verschiedener Formeln das Risiko eines Rezidivs berechnet werden.
Zu den präoperativen Formeln z. B. zählen:
- Cindolo- Formel
- ≤ 1,2 = niedriges Risiko mit einer 2- und 5- Jahres- Rezidivfreiheit von 96 % bzw. 93 %
- > 1,2 = hohes Risiko mit einer 2- und 5- Jahres- Rezidivfreiheit von 83 % bzw. 68 %
- Yaycioglu- Formel
- ≤ 3 = niedriges Risiko mit einer 2- und 5- Jahres- Rezidivfreiheit von 98 % bzw. 92 %
- > 3 = hohes Risiko mit einer 2- und 5- Jahres- Rezidivfreiheit von 67 % bzw. 57 % (Doehn 2020)
Zu den postoperativen Formeln zählen z. B.:
- UCLA Integrated Staging System (UISS- Model)
- Stadium I: 2- und 5- Jahres- Rezidivfreiheit von 96 % bzw. 94 % (entspricht TNM I)
- Stadium II: 2- und 5- Jahres- Rezidivfreiheit von 89 % bzw. 67 % (entspricht TNM I, II, III)
- Stadium III: 2- und 5- Jahres- Rezidivfreiheit von 66 % bzw. 39 % (entspricht TNM III und IV))
- Stadium IV: 2- und 5- Jahres- Rezidivfreiheit von 42 % bzw. 23 % (entspricht TNM IV)
- Stadium V: 2- und 5- Jahres- Rezidivfreiheit von 9 % bzw. 0 % (entspricht TNM IV) (Doehn 2020 / Kraus 2014)
Eine gute Prognose haben:
- papilläres Nierenzellkarzinom
- multilokuläres zystisches Nierenzellkarzinom (Golbeck 2013)
- Onkozytom (Kraus 2014)
Eine schlechte Prognose:
- klarzelliges RCC
- Ductus Bellini Karzinom
- renales medulläres NZK (hierbei finden sich in ca. 95 % der Fälle bereits Fernmetastasen bei der Erstdiagnose [Golbeck 2013]). (Herold 2020)
Mortalität: Die Prognose des RCC ist - im Vergleich zu anderen malignen Erkrankungen - verhältnismäßig günstig. Bei Männern liegt die relative 5- Jahresüberlebensrate bei 75 % und bei Frauen bei 77 %. In Abhängigkeit vom Tumorstadium beträgt die 5- Jahresüberlebensrate:
- Stadium I: 97 %
- Stadium II: 87 %
- Stadium III: 60 % ohne Lymphknotenbefall / 30 % mit Lymphknotenbefall (Herold 2020)
- Stadium IV: 30 % bei Entfernung solitärer Metastasen, in allen anderen Fällen < 5 % (Herold 2020) (Doehn 2020)
Metastasierendes RCC: Die Prognose ist beim metastasierenden RCC ausgesprochen variabel. Eine schlechte Prognose haben Patienten, bei denen folgende Faktoren vorliegen:
- keine Nephrektomie
- KPS (Karnofsky Performance Status) < 80
- niedriger Hb- Wert
- hoher korrigierter Calciumwert
- abnorm hohe LDL- Werte
Patienten wiesen ein medianes Überleben auf bei:
- keinem Faktor von 24 Mon.
- 1 – 2 Faktoren von 12 Mon.
- ≥ 3 Faktoren von 5 Mon (Kasper 2015).
Nachsorge
Je nach Stadium der Erkrankung werden die Patienten in 3 unterschiedliche Gruppen eingeteilt:
- 1. geringes Risiko (Low risk) pT1a / b, cN0, cM0, G1 - 2
- 2. mittleres Risiko (Intermediate risk)
- pT1a / b, cN0, cM0, G 3
- pT2 c / pN0, cM0, G1 – 2
- ablative Therapie oder R1- Situation (Residualtumor) eines low- risk- Karzinoms
- 3. hohes Risiko (High risk)
- pT2 c / pN0, cM0, G3
- pT3 – 4 und / oder pN + (Doehn 2020)
Da selbst in frühen Stadien eines RCC Sonographie, Ausscheidungsurogramm und Angiographie kein sicheres Staging erlauben, wird folgendes Vorgehen empfohlen:
1. Patienten mit Low risk: Bei diesen Patienten sollten folgende Untersuchungen in Abständen von 3, 6, 12, 18, 24, 36 und 48 Monaten durchgeführt werden:
- klinische Untersuchung
- Bestimmung der Laborparameter wie z. B. Blutbild, Kreatinin, CRP, BSG (der Anstieg unspezifischer Entzündungsparameter kann ein Hinweis auf Metastasierung sein)
- Sonographie des Abdomens bei den Untersuchungen, wo kein CT oder MRT erfolgt
- CT oder MRT des Abdomens Beckens und Knochenfensters (nach 3, 12, 24 und 48 Monaten)
- CT oder MRT des Thorax (nach 12, 24 und 48 Monaten) (Doehn 2020)
2. Patienten mit Intermediate risk: Es werden ebenfalls die Untersuchungen, die bei Patienten mit low- risk erfolgen, durchgeführt. Allerdings sind die Zeitintervalle andere: 3, 6, 12, 18, 24, 36, 48, 60, 84, 108 Monate.
Das CT des Thorax sollt nach 6, 12, 24 Monaten erfolgen und anschließend bei jeder weiteren Untersuchung.
Das CT des Abdomens nach (3), 12, 36, 60 Monaten und anschließend bei jeder weiteren Untersuchung. (Doehn 2020)
3. Patienten mit High risk: Es werden auch hierbei die Untersuchungen, die bei Patienten mit low- risk erfolgen, durchgeführt. Die Zeitintervalle sind wie beim Intermediate risk 3, 6, 12, 18, 24, 36, 48, 60, 84, 108 Monate. Das CT des Thorax sollt aber bereits nach 6 Monaten erstmals erfolgen und anschließend bei jeder weiteren Untersuchung. Das CT des Abdomens empfiehlt sich nach (3), (6), 12, 24, 60 Monaten und anschließend bei jeder weiteren Untersuchung. (Doehn 2020)
Literatur
- Ahrends M et al. (2020) Was ist neu bei der Diagnostik und Therapie des Nierenzellkarzinoms? Dtsch Med Wochenschr (145)11 734 – 739
- Delecluse S et al. (2020) Klassifikation und medikamentöse Therapie des Nierenzellkarzinoms. Onko- Nephrologie 163 - 187
- Doehn C et al. (2020) Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF): Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Nierenzellkarzinoms, Langversion 2.0, 2020, AWMF Registernummer: 043/017OL, https://www.leitlinienprogramm-on- kologie.de/leitlinien/nierenzellkarzinom/
- Dützmann S (2018) Basics Neurochirurgie. Elsevier Verlag 46
- Ertl- Wagner B (2007) Pädiatrische Neuroradiologie. Springer Verlag 74
- Ganten D et al. (2002) Nierenzellkarzinome. Molekularmedizinische Grundlagen von nicht-hereditären Tumorerkrankungen. Springer Verlag 257 – 289
- Golbeck S V (2013) Vergleich der Überlebenszeiten beim metastasierten Nierenzellkarzinom anhand zweier historischer Vergleichskohorten- Zytokintherapie versus Targeted Agents. Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Doktorin der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der Medizinische Universität Graz
- Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 654 - 656
- Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 578 - 579
- Kasper D L et al. (2015) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 849 - 852
- Keller C K et al. (2010) Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 95 – 104
- Kraus S (2014) Die prognostische Wertigkeit des präoperativen Thrombozytenwertes und der Thrombozytose bei Patienten mit einem operativ therapierten Nierenzellkarzinom. Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München 20
- Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme Verlag 64 – 65
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