Mavamcampten

Autor: Dr. med. Christina I. Hirth

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Zuletzt aktualisiert am: 08.11.2024

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Definition

Selektiver, kardialer Myosin-Inhibitor. Mavacampten ist das erste und bisher einzige in dieser Wirkstoffklasse zugelassene Medikament. (In Europa zugelassen seit 2023, in USA zugelassen seit 2022).

Pharmakodynamik (Wirkung)

Wirkmechanismus: Mavacampten ist ein allosterischer, selektiver und reversibler Inhibitor des kardialen Myosins. Grundlage der Zulassung sind Ergebnisse der Phase-III-Studien (Explorer-HCM (Olivotto I et.al. 2020), Valor-HCM (Desai MY et.al. 2021), in denen gezeigt werden konnte, daß Mavacamten im Vergleich zu Placebo zu einer klinisch relevanten Reduktion des Ausflußgradienten im linksventrikulären Ausflußtrakt (LVOT) ohne signifikante Einschränkung der linksventrikulären Pumpfunktion führt. Es konnte eine verbesserte Leistungsfähigkeit, maximale Sauerstoffsättigung (V O2 max) und damit Verbesserung des NYHA-Stadiums im Vergleich zu Placebo erzielt werden (Desay MY et. al. 2022), (Saberi S et.al. 2021). 

Der Wirkstoff  hat ein neues Wirkprinzip und bietet damit eine neue vielversprechende Therapieoption für Patienten mit HOCM (Hypertrophe Obstruktive Kardiomyopathie), einer seltenen, meist genetischen Erkrankung mit Veränderungen am Sarkomer (myosin bindendes Protein C, beta-myosin Schwerketten), die chronisch progressiv verläuft, und bei Menschen im Alter zwischen 40-60 Jahren bereits zu starker Verminderung der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität führen kann. Für diese Patienten standen bisher lediglich symptomorientierte, medikamentöse Therapien (und in fortgeschrittenen Fällen Septumablation und Chirurgie), aber keine ausreichenden spezifischen  medikamentösen Therapiemöglichkeiten zur Verfügung (Braunwald et.al. 2023).

Mavacampten zielt als erstes zugelassenes Medikament der Wirkstoffklasse (selektive, kardiale Myosin-Inhibition) auf die zugrundeliegende Pathophysiologie der HOCM (Braunwald et.al.2023).

Das Medikament senkt die Kontraktilität des Herzmuskels durch Hemmung der Bildung überschüssiger Myosin-Aktin-Kreuzbrücken, die ursächlich sind für die Hyperkontraktilität, linksventrikuläre Hypertrophie, verringerte Herzmuskelelastizität und Verengung des LVOT (Braunwald et. al. 2023). Es wirkt, indem es spezifisch die Aktivität der kardialen Myosin - Adenosintriphosphatase (Myosin-ATPase) an den Schwerketten des kardialen Myosins vermindert. Die Wirkung ist dosisabgängig und reversibel (Green et.al. 2016).

Bemerkung: Wirkungen auf Muskelzellen der Skelettmuskulatur ist nicht zu erwarten, da der Wirkmechanismus auf einer selektiven Wirkung an kardialen Myozyten basiert (Green et.al. 2016).

Für einen Überblick über Wirkmechanismus, die gegenwärtige Studienlage, behandlungsrelevante kritische Aspekte und künftig zu erwartende Entwicklungen siehe (Braunwald et.al. 2023).

Pharmakokinetik

Mavacampten wird oral verabreicht und schnell resorbiert. Die Zeit bis zur Maximalkonzentration (Tmax) beträgt 1 bis 2 Stunden. Plasmaproteinkonzentration: ca 97%. Plasmahalbwertszeit, Akkumulation (Zeit bis steady-state) und Elimination sind stark abhäning vom Metabolisierungs-Phänotyp.

Mavacampten wird vorwiegend über die Cytochromoxidase P450 (CYP) in der Leber metabolisiert, wobei Metabolisierung hauptsächlich über das Enzym CYP2C19 und zu einer geringeren Teil über CYP3A4 erfolgt (Produktinformation Camzyos). Die Mavacamptenexposition wird ganz wesentlich durch die genetisch determinierte Metabolisierungsrate von CYP2C19 bestimmt. Es lassen sich phänotypisch langsame, intermediäre, normale, schnelle und überschnelle Metabolisierer anhand der Genotypisierung unterscheiden.

Elimination erfolgt zu 80% über die Niere.

Indikation

Behandlung der symptomatischen hypertrophen, obstruktiven Kardiomyopathie (HOCM) im NYHA-Stadium II-III  mit EF (Ejektionsfraktion) ≥ 55%. (Bei Ejektionsfraktion unter 55% darf das Medikament nicht angewendet werden!). Zur Verbesserung der Herzfunktion und Symptomatik. Die Indikationsstellung, Behandlung und notwendige, fortlaufende Therapieüberwachung sollte durch Kardiologen mit Erfahrung in der Behandlung von Patienten mit Kardiomyopathien erfolgen.

Die ESC Leitlinien von Herbst 2023 geben eine Klasse IIa Empfehlung für die Behandlung mit Mavacampten, wenn optimale medikamentöse Therapie mit nicht-vasodilatierenden Betablocker oder Kalziumkanalantagonisten (und/oder Disopyramid) ineffektiv ist (IIa B) oder nicht toleriert wird bzw. Kontraindikationen bestehen (IIa A). Eine Empfehlung für eine Erstlinienbehandlung mit Mavacampten wurde aufgrund fehlender Vergleichsstudien mit der derzeit verfügbaren medikamentösen Erstlinientherapie nicht gegeben (Arbelo E et.al. 2023).

 

Schwangerschaft/Stillzeit

Mavacampten ist embryotoxisch und darf daher nicht während der Schwangerschaft angewendet werden. Schwangerschaft muß sicher ausgeschlossen sein und zuverlässige Empfängnisverhütung muß gewährleistet sein (hormonelle Empfängnisverhütung bei Gabe von Mavacampten nicht sicher! siehe Wechselwirkungen!).

Bei Kinderwunsch muß Empfängnisverhütung noch bis zu 6 Monaten nach Absetzen von Mavacampten fortgeführt werden um sicherzustellen, daß keine Exposition mehr gegeben ist! (Produktionformation Camzyos)

Mavacampten sollte nicht in der Stillzeit angewendet werden (Daten zur Sicherheit liegen hierzu nicht vor)!

Dosierung und Art der Anwendung

Dosierung erfolgt einschleichend und entsprechend Ergebnis der Genotypisierung von CYP2C19 zur Ermittlung des Metabolisierungs-Phänotypes. Überdosierung kann zu linksventrikulärer Dysfunktion und Herzversagen führen! Gefahr insbesondere bei Langsammetabolisierung mit entsprechendem Genotyp. Hier ist absolute Vorsicht geboten, denn es handelt sich bei der linksventrikulären Dysfunktion um eine schwerwiegende Nebenwirkung, die Herzversagen und Tod zur Folge haben kann!

Bemerkung: Eine Genotypisierung von CYP2C19 ist für die individuelle Dosisfindung zwingend vorgeschrieben! Anhand der Genotypisierung lassen sich unterschiedliche Phänotypen für die Metabolisierung unterscheiden (langsame, intermediäre, normale, schnelle und überschnelle Metabolisierer). Patienten mit dem CYP2C19-Phänotyp „langsame Metabolisierer" können eine erhöhte Mavacamten-Exposition (bis zu 3-fach) haben, was im Vergleich zu „normalen Metabolisierern“ zu einem erhöhten Risiko einer  systolischen Dysfunktion führen kann. Wenn die Behandlung vor Bestimmung des CYP2C19-Phänotyps beginnt, sollten die Patienten entsprechend den Dosierungsanweisungen für „langsame Metabolisierer“ behandelt werden, bis der CYP2C19-Phänotyp bestimmt ist (Produktinformation Camzyos).

Dosierungsschemata sowie klinische Überwachung, Dosiserhaltung und Anpassung entsprechend der unterschiedlichen Phänotypen läßt sich der  Fachinformation für Camzyos (Mavacampten) entnehmen (Produktinformation Camzyos).

Die Titration der Dosis erfolgt individuell nach entsprechenden Schemata und zusätzlicher klinischer Überwachung und Überwachung der Herzfunktion mittels Echokardiographie (EF und LVOT) (Produktinformation Camzyos)

Bei Überdosierung bzw. Zeichen von linksventrikulärer Dysfunktion muß die Dosis reduziert bzw. komplett unterbrochen werden bis Symptome reversibel sind. Zu beachten ist die lange Halbwertszeit, die je nach unterschiedlicher Metabolisierungsrate der Phänotypen 6 - 23 Tage betragen kann. Ggf. müssen zusätzliche unterstützende medizinische Maßnahmen eingeleitet werden.

Inzidenz des CYP2C19 Metabolisierungs-Phänotyp "langsame Metabolisierer" ist ca. 2% für kaukasische und ca. 18% für asiatische Populationen.

 

Dosierung und Art der Anwendung

Das Medikament ist oral verfügbar und wird in Form von Hartkapseln in Stärken von 2,5, 5, 10 und 15 mg angeboten.

Genotypisierung von CYP2C19 ist zur individuellen Dosisfindung und um Überdosierung zu vermeiden bei jedem Patienten zwingend vorgeschrieben! 

Die Dosis muss individuell an die Metabolisierungsrate angepaßt werden, da sonst insbesondere bei langsamer Metabolisierung die Gefahr der Überdosierung besteht!

Die Titration der Dosis erfolgt nach entsprechenden Schemata und zusätzlicher klinischer Überwachung und Überwachung der Herzfunktion mittels Echokardiographie (EF und LVOT) (Produktinformation Camzyos)

Bei klinischen Zeichen von Herzinsuffizienz bzw. wenn LVEF ≤ 50% fällt muß die Dosis vorübergehend reduziert oder ganz unterbrochen werden.

Unerwünschte Wirkungen

Wichtigste und ernste unerwünschte Wirkung ist die linksventrikuläre Dysfunktion bzw.  Herzversagen bei Überdosierung bzw. zu hoher Exposition von Mavacampten.

Die Wirkung von Mavacampten ist bei Dosisreduktion bzw. Unterbrechung reversibel. Problematisch in Bezug auf das Risiko ist jedoch die lange Halbwertszeit/Eliminationszeit von Mavacampten und ggf. Notwendigkeit zusätzlicher unterstützender medizinischer Maßnahmen zur Kreislaufstabilisierung. Eine kontinuierliche Kontrolle der klinischen Symptomatik und Medikation ist daher als Vorsichtsmaßnahme unabdingbar!

Andere häufige unerwünschte Wirkungen sind außerdem:

Schwindel, Synkope, Dyspnoe 

Wechselwirkungen

Zahlreiche Medikamente werden ebenfalls über das Enzymsystem der Cytohromoxidase P450 (CYP) in der Leber verstoffwechselt. Hierunter fallen z.B. Antibiotika, Steroide, Antidepressiva, Antiepileptika, Medikamente gegen Hypertonus und Herzrhythmusstörungen und viele andere mehr. Hierunter fallen auch einige nicht verschreibungspflichtige Medikamente, viele Phytopharmaka, Toxine aber auch Genußmittel und Lebensmittel.

All diese Substanzen können den Metabolismus von Mavacampten und damit die Exposition beeinflussen und potentiell zu einer Überdosierung oder herabgesetzter Wirkung führen. Dies gilt auch für Medikamente, die Induktoren der CYP Enzymsysteme sind, wenn diese abgesetzt werden, da hierdurch die Mavacamptenexposition ebenfalls erhöht wird!

Daneben kann Mavacampten umgekehrt auch die Wirkung zusätzlicher Medikation beeinflussen z.B. kann die Wirkung von hormoneller Empfängnisverhütung eingeschränkt sein und die hormonelle Empfängnisverhütung in diesem Fall nicht mehr sicher gewährleistet werden. Bei Frauen im gebärfähigen Alter, die mit Mavacampten behandelt werden muß daher eine sichere Empfängnisverhütung möglichst mit anderen sicheren Methoden erfolgen.

Wechselwirkungen durch zusätzliche Medikamente sollten entsprechend vor Medikamentengabe abgeklärt werden (https://go.drugbank.com/categories/DBCAT000403) und erfordern regelmäßige Überwachung und ggf. Dosisanpassung.

Gleichzeitige Gabe von negativ inotropen Substanzen sollte möglichst vermieden werden, da der negativ inotrope Effekt von Mavacampten verstärkt werden kann. Stark negativ inotrope Substanzen sind kontraindiziert (siehe Kontraindikationen).

Weitere Informationen zu Wechselwirkungen siehe Produktinformation Camzyos.

Kontraindikation

Das Medikament ist nur für Erwachsene zugelassen.

Nicht anzuwenden bei systolischer Dysfunktion die als asymptomatische LVEF ≤50% definiert ist. Vor Therapiebeginn ist Echokradiographie mit Bestimmung der EF obligat!

Erhöhtes Risiko für systolische Dysfunktion besteht außerdem bei Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen, wie Infektion, Herzrhythmusstörungen, auch Vorhofflimmern oder unkomplizierten Tachykardien oder bei Patienten, die sich einer Herzoperation unterziehen!

Mavacampten darf nicht angewendet werden in der Schwangerschaft  und bei gebärfähigen Frauen, die keine zuverlässige Empfängnisverhütung anwenden.

Es besteht eine teilweise Kontraindikation bei gleichzeitiger Behandlung mit CYP2C19-Inhibitoren oder CYP3A4 -Inhibitoren (siehe Fachinformation von Camzyos).

Bemerkung: Das Medikament unterliegt grundsätzlich noch erhöhter Pharmakovigilanz, da noch keine Langzeitdaten vorliegen!

Präparate

Camzyos®

Hinweis(e)

Das Medikament ist seit 2023 in Europa zugelassen (seit 2022 zugelassen in USA).

Mavacampten ist außergewöhnlich teuer und auch durch die umfassenden Überwachungsmassnahmen mit zusätzlichen Kosten verbunden. 

Dies bringt erneut die Problematik einer adäquaten und leitliniengerechten Versorgung aller Patienten bei insgesamt begrenzten Ressourcen im  Gesundheitssystem in den Blick.

Die Kosten-Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuß war positiv und es wird ein beträchtlicher Zusatznutzen für die Versorgung der betroffenen Patienten bestätigt (Gemeinsamer Bundesausschuß),(Bergmann MW 2024).

Bleibt abzuwarten, ob bereits in der Entwicklung und Prüfung befindliche, zusätzliche neue Medikamente in dieser neuen Wirkstoffklasse eine positive Änderung der Kostensituation bringen.

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Arbelo E et al. 2023 ESC guidelines for the management of cardiomyopathies: developed by the task force on the management of cardiomyopathies of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J. 2023;44:3503–3626.
  2. Bergmann MW, Hohmann J. Leitlinien & Wirtschaftlichkeit im Widerspruch? Therapie der HOCM aus medizinischer und juristischer Sicht. Sonderpublikation, Deutscher Ärzteverlag, Management Aktuell; 03/24, 1-4. (im Auftrag von Bristol-Meyers-Squibb).
  3. Braunwald E et al. Mavacamten: a first-in-class myosin inhibitor for obstructive hypertrophic cardiomyopathy. Eur Heart J. 2023;44:4622-4633.
  4. Desai MY et al.  Myosin inhibition in patients with obstructive hypertrophic cardiomyopathy referred for septal reduction therapy. J Am Coll Cardiol  2022;80:95–108.
  5. Desai MY et al; Study design and rationale of VALOR-HCM: evaluation of mavacamten in adults with symptomatic obstructive hypertrophic cardiomyopathy who are eligible for septal reduction therapy. Am Heart J. 2021;239:80–89.
  6. Green EM et  al. A small-molecule inhibitor of sarcomere contractility suppresses hypertrophic cardiomyopathy in mice. Science. 2016;351:617–621.
  7. Gemeinsamer Bundesausschuss; www.g-ba.de/bewertungsverfahren/nutzenbewertung/979/
  8. https://go.drugbank.com/categories/DBCAT000403
  9. Olivotto I et al; EXPLORER-HCM Study Investigators. Mavacamten for treatment of symptomatic obstructive hypertrophic cardiomyopathy (EXPLORER-HCM): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet. 2020;396:759–769.
  10. Produktinformation Camzyos Bristol Myers Squibb.
  11. Saberi S  et al. Mavacamten favorably impacts cardiac structure in obstructive hypertrophic cardiomyopathy: EXPLORER-HCM cardiac magnetic resonance substudy analysis. Circulation. 2021;143:606–608.

Weiterführende Artikel (3)

CYP2C19-Gen; Kardiomyopathie hypertrophische; NYHA;
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Zuletzt aktualisiert am: 08.11.2024