LeberzirrhoseK76.4

Autor:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer

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Zuletzt aktualisiert am: 23.08.2024

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Synonym(e)

Liver cirrhosis; Zirrhose der Leber

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Definition

Die Leberzirrhose (von griech. kirros - gelb-orange, zitronengelb) ist eine chronische, fortschreitende und irreversible Zerstörung der Läppchen-und Gefäßstruktur des Leberparenchyms mit entzündlicher Fibrose, der Ausbildung fibrotischer Brückenbildungen und Regeneratknoten. Die Folgen sind Dysfunktionen der Leber mit Zeichen der Insuffizienz, portaler Hypertension mit Ausbildung intrahepatischer porto-systemischer Shunts (zwischen Portalgefäßen und Lebervenen). In Europa sind Alkoholmissbrauch, nichtalkoholische Fettleber (NAFLD) und chronische Virushepatitis die häufigsten Ursachen einer Leberzirrhose.

Einteilung

Einteilung (pathologisch-anatomische Einteilung):

  • Mikronoduläre Leberzirrhose (Regeneratknötchen bis 3mm)
  • Makronoduläre Leberzirrhose (Regeneratknötchen bis 3mm – 3cm)
  • Gemischte Leberzirrhose (Mischbild aus 1+2)

 

Vorkommen/Epidemiologie

Inzidenz: 200-250/100.000 Einwohner. m>w=2:1.  In Deutschland leiden rund 1,0 Millionen Menschen in Deutschland an einer Leberzirrhose.  Weltweit ist die Leberzirrhose die 14.-häufigste, in Europa die 4.-häufigste Todesursache (Tsochatzis EA et al. 2014).

Ätiopathogenese

Ätiopathogenetisch liegt der Zirrhose die Nekrose von Hepatozyten zugrunde. Der Zelluntergang führt unabhängig von der eigentlichen Ursache zu einer inflammatorischen Reaktion mit Freisetzung von Zytokinen, die Leber-Makrophagen (v. Kupffer-Zellen) und Fettspeicherzellen der Leber (Ito-Zellen) sowie Monozyten und Granulozyten aktivieren (Zhou WC et al. 2014). Diese chronisch inflammatorische Reaktion führt zu einem destruktiven Umbau der Organstruktur mit Parenchym-Nekrosen, Ausbildung von Regeneratknoten (Pseudolobuli) sowie Bindegewebssepten mit einer tiefgreifenden Störung der Funktionalität der Leber.

Die Folgen sind Dekompensationszeichen (Ikterus, Blutungsneigung, Malnutrition, Kachexie, hepatische Enzephalopathie, Leberausfallkoma), portale Hypertension mit venöser Kollateralisation (Ösophagusvarizen, hypertensive Gastropathie, Hypersplenismus, Aszites).  

 

Zugrundeliegende Ursachen (Krankheiten):

  • Alkoholische Leberzirrhose: die alkoholische Leberzirrhose ist in Industrieländern mit ca. 30-40% die häufigste Ursache (Männer >60g/Tag, Frauen >20-30g/Tag).
  • Virushepatitis (B,C,D): die chronische Virushepatitis ist in Industrieländern mit 30 % die zweithäufigste, in Afrika mit 90 % die häufigste Ursache).
  • Stauungszirrhose (Cirrhose cardiaque) bei Rechtsherzinsuffizienz
  • Autoimmunhepatitis
  • Toxische Leberzirrhose (Leberzirrhose durch lebertoxische Substanzen wie Tetrachlormethan (Metallverarbeitung) und selten auch durch Medikamente wie beispielsweise Methotrexat.

Stoffwechselerkrankungen

  • Hämochromatose
  • Morbus Wilson
  • Zystische Fibrose: in 10% der Fälle Entwicklung einer biliären Zirrhose
  • Hepatopathie bei Zöliakie (Gluten-sensitiver Enteropathie)
  • Zirrhose bei der homozygoten Form des Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (Phänotyp PIZZ)

Sonstige Ursachen

  • Primär biliäre Zirrhose
  • Primär sklerosierende Cholangitis
  • Sekundär biliäre Zirrhose
  • Budd-Chiari-Syndrom
  • Tropische Infektionskrankheiten (Bilharziose, Leberegel)

 

Klinisches Bild

Klinische Symptome der Leberzirrhose sind Leistungsminderung, Konzentrationsschwäche und Müdigkeit. Hinzu treten Druck- und Völlegefühl im Oberbauch, Meteorismus.

Weiterhin dermatologische Zeichen (Leberhautzeichen) wie Palmar – und Plantarerythem, Ikterus, Spidernaevi, Lacklippen, Lackzunge, Mundwinkelrhagaden, Pruritus, Leukonychie (Weißnägel), Hautatrophie (Geldscheinhaut mit Teleangiektasien), Dupuytren-Kontraktur.  

Hormonelle Störungen (vermindertes Testosteron, erhöhtes Östrogen beim Mann), bei der Frau Menstruationstörungen.

Dekompensationszeichen: Ikterus, Blutungsneigung, Malnutrition, Kachexie, hepatische Enzephalopathie, Leberausfallskoma, hepatopulmonales Syndrom (arterielle Hypoxämie bei fortgeschrittener Zirrhose infolge funktioneller Störung des Lungenkreislaufs ohne primäre Lungenerkrankung).

Portale Hypertension mit Folgen: venöses Kollateralisation (Ösophagusvarizen, Corpus- und Fundusvarizen, hepatische Gastropathie), Ödeme (z.B. hepatischeer Hydrothorax), Aszites und Komplikationen des Aszites wie eine Spontane bakterielle Peritonitis, Splenomegalie, Hypersplenimus.    

Spätfolgen: Hepatozelluläres Karzinom

Bildgebung

Sonographie: Sonographisch stellt sich die Leber inhomogen mit unregelmäßiger Leberoberfläche und welligem Leberrand; Binnengefäße rarefiziert. Der Lobus caudatus kann vergrößert sein; verdickte Gallenblase, erweiterte Milzgefäße, evtl. sichtbare Kollateralgefäße.  Sonographisch gut darstellbar ist ein Aszites (es können schon geringe Mengen <500ml festgestellt werden) und eine Splenomegalie.

Mittels transienter Elastographie (z.B. Fibroscan®) kann die Fibrosierung und Steifigkeit des Parenchyms ermittelt werden.

Mittels Farbduplexsonographie lässt sich die verminderte Flussgeschwindigkeit in den Lebervenen und in der Pfortader (<20cm/s) nachweisen. Erhöhter Widerstand in der Leberarterie.

Diagnose

Klinik: Diagnose häufig erst bei Zeichen der klinischen Dekompensation: Ikterus, vergrößerter Bauchumfang, ggf. Aszites-bedingt, Ödeme, Gynäkomastie, Bauchglatze, Hautblutungen; bei portaler Hypertension: Varizenbildungen in Ösophagus, hypertensive Gastropathie; bei hepatischer Enzephalopathie: Fhttps://www.altmeyers.org/de/innere-medizin/asterixis-102689lapping Tremor, Bewusstseinsstörungen. Spätmanifestierte klinische Phänomene sind die „Leberhautzeichen“ wie: Spidernaevi, Leukonychie, Pruritus, Lackzunge, Hautatrophie („Geldscheinhaut“) sowie Palmar- bzw. Plantarerytheme)

Bildgebung: Sonographie, CT, Elastographie

Labor: Vitamin K abhängige Gerinnungsfaktoren des Prothrombinkomplexes, Leberenzyme GOT, GPT sowie gamma-GT, Bilirubin und Ammoniak können erhöht sein; häufig Hypergammaglobulinämie – typische Serum-Elektrophorese), bildgebende Verfahren: Sonographie des Abdomens bei Leberzirrhose mit nodulärer Formation; Computertomographie des Abdomens bei Leberzirrhose.

Histologie: Definitive Diagnosestellung durch Sonographie-gesteuerte (oder laparaskopische) Leberbiopsie gestellt.  

Aus verschiedenen Untersuchungsbefunden wird der Child-Pugh-Score erstellt, der sowohl zur Stadieneinteilung (Child A–C) als auch zur Prognoseabschätzung dient.

Differentialdiagnose

  • Hepatomegalie anderer Genese: Metastasenleber, hepatozelluläres Karzinom
  • Splenomegalie anderer Genese.
  • Ikterus anderer Genese
  • Aszites nicht hepatischer Genese

  

Therapie allgemein

Ernährungstherapeutische Maßnahmen: Diese bestehen im Weglassen lebertoxischer Substanzen (Alkohol, Medikamente), im Ausgleich eines Vitaminmangels (z. B. Vitamin B1 bei Alkoholismus) und in einer ausreichende Energiezufuhr. Mangelernährte Patienten haben sowohl eine erhöhte Mortalität im spontanen Krankheitsverlauf als auch eine erhöhte Komplikationsrate. 

  • Proteinzufuhr: Empfohlen wird eine tägliche Eiweißmenge von 1,2–1,5 g Protein pro kg KG. Proteinrestriktion nur bei Patienten mit therapierefraktärer chronischer hepatischer Enzephalopathie. Ggf. Substitution von Leucin, Isoleucin und Valin.
  • Osteoporoseprophylaxe: Diese sollte frühzeitig eingeleitet werden (Calcium-Substitution 1200–1500 mg/Tag). Bei cholestatischen Lebererkrankungen: zusätzlich Vitamin D3 substituiert (400–800 IE/Tag).
  • Vitaminsubstitution: Enterale Resorption von Vitamin K bei Cholestase reduziert. Insofern ist eine Vitamin-K-Substitution bei erhöhtem Blutungsrisiko und niedrigen Quick-Werten notwendig (in gesteigerter Dosis: 10 mg alle 10 Wochen p.o.). Bei Alkoholikern (bei 50 % der Patienten Vitamin-B1-Mangel) zusätzlich Substitution von Folsäure und Vitamin B1.

Sonstige Maßnahmen:

  • Bei Alkoholismus ist eine Entzugsbehandlung zwingend.
  • Bei Patienten mit Autoimmunhepatitis werden entsprechend behandelt (Immunsuppression?).
  • Bei chronischer Hepatitis:
    • Hepatis B: ggf. Viruselimination mit Interferonen
    • Hepatitis C: ggf. antivirale Therapie.
  • Bei Hämochromatose Eisenentfernung (Aderlass, Chelator-Therapie)
  • Bei Morbus Wilson Kupferentfernung  (Trientine, D-Penicillamin)

Komplikative Ereignisse der Leberzirrhose: gezielte Therapie mittels spezifischer Maßnahmen.

  • Ösophagusvarizenblutung: akute Blutstillung über Ösophagogastrodudoenoskopie (Sklerosierung, Gummibandligaturen). Letalität bei Varizenblutung ist hoch (etwa 30%).  
  • Hepatische (portosystemische) Enzephalopathie: medikamentöse Therapie, Ernährungsumstellung (Ziel: weitere Produktion von Ammoniak zu reduzieren).
  • Aszites: Grundsätzlich sollte jeder neu aufgetretene Aszites punktiert werden um eine spontane bakterielle Peritonitis oder andere Ursachen (z.B. Peritonealkarzinose, Tuberkulose) auszuschließen. Therapie: moderate Natriumrestriktion (3-5g/Tag), Spironolacton (100-200mg/Tag), Furosemid.  
  • Hepatozelluläres Karzinom: da meist keine klinische Symptomatik- bildgebende Früherkennung.
  • Bei fortgeschrittener Leberzirrhosse: ultima Ratio ist in vielen Fällen die Lebertransplantation.

Verlauf/Prognose

Abhängig von der Ursache, der erfolgreichen ursächlichen Behandlung, den Komplikationen und dem Stadium. Eine teilweise Rückbildung der Fibrose ist möglich, wenn es gelingt die schädigenden Noxe zu eliminieren.

Die Ein-Jahres-Überlebensraten liegen für Patienten im Stadium Child A bei 100 %, im Stadium Child B bei 85 %, im Stadium Child C bei 35 %.

Mit dem MELD-Score lassen sich Aussagen für das Überleben in den nächsten drei Monaten treffen. So hat ein Patient im Krankenhaus mit einem Score von 20–30 ein Risiko von 25 %, in den nächsten 3 Monaten zu sterben. Ein Zirrhotiker mit einem MELD von 40 hat ein sehr hohes Risiko in den nächsten 3 Monaten zu versterben.

Häufigste Todesursache bei Leberzirrhose: Leberversagen, Varizenblutung, Folgen eines hepatozellulären Karzinoms.

Hinweis(e)

In der sog. Child-Pugh-Score-Klassifikation werden mehrere dieser Faktoren einbezogen (Bilirubin, Quick-Wert, Albumin, hepatische Enzephalopathie und Aszites) und zu einer Gesamtscore gefügt. Die daraus resultierende Einteilung in die Stadien A bis C erlaubt eine Aussage über die Prognose der Erkrankung (Child A: 5-6; Child B: 7-9; Child C: 10-15). Patienten im Stadium C nach Child-Pugh haben eine sehr schlechte Prognose hinsichtlich der Überlebenszeit.

 

Literatur

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  2. Bajaj JS et al. (2010) Persistence of cognitive impairment after resolution of overt hepatic encephalopathy. Gastroenterology 138: 2332–2340
  3. Classen M et al. (2008) Repetitorium Innere Medizin. Urban&Fischer Verlag München S 287-288
  4. Hahn JM (2013) Checkliste Innere Medizin. Georg Thieme  Verlag, Stuttgart S 422-424
  5. Herold G (2016) Innere Medizin. 2016, S. 553-555
  6. Pillai AK et al. (2015) Portal hypertension: a review of portosystemic collateral pathways and endovascular interventions. Clin  Radiol 70:1047-1059.
  7. Schouten JN et al. (2015) Idiopathic non-cirrhotic portal hypertension: a review. Orphanet J Rare Dis 10:67
  8. Tsochatzis EA et al. (2014) Liver cirrhosis. Lancet 383:1749-1761. 
  9. Vilstrup H et al. (2014) Hepatic Encephalopathy in Chronic Liver Disease.  J Hepatol 61: 642-59
  10. Zhan T et al. (2012) The diagnosis and treatment of minimal hepatic encephalopathy. Dtsch Ärztebl. Int 109: 180-187
  11. Zhou WC et al. (2014) Pathogenesis of liver cirrhosis.World J Gastroenterol 20:7312-7324. 

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