Hongkong-Grippe

Bei der Hongkong- Grippe handelt es sich um einen durch Antigenshift neu aufgetretenen Subtyp der Influenza A, der pandemisch in den Jahren 1968 bis 1970 auftrat (Herold 2023). In Deutschland erreichte die Pandemie ihren Höhepunkt im Winter 1969 / 1970 (Müller 2020).

Anfang 1969 gab es die ersten Erkrankten in Deutschland. Die Lage spitzte sich dann mit der 2. Welle im Winter 1969/70 dramatisch zu. Krankenhäuser waren damals völlig überfordert mit der großen Anzahl Betroffener, so dass die Patienten teilweise auf den Fluren lagen (Tenberg 2021).

Die Regierung setzte damals auf eine Herdenimmunität (Müller 2023). Während der Zeit der Pandemie gab es bei der Honkong- Grippe lediglich in lokalen Hotspots Schul-, Betriebs- und Behördenschließungen. In Funk und Presse spielte die Pandemie kaum eine Rolle (Thießen 2021). In Westberlin kam es zu einem gravierenden Bestattungsnotfall, in den Kliniken vor Ort fehlten 30 % des Pflegepersonals Müller 2023).

In der damaligen DDR wurde die Hongkong- Grippe zunächst negiert, gab aber dann Anlass für die Entwicklung eines ersten nationalen Pandemieplans (Müller 2020).

Die Übertragung der Viruserkrankung erfolgt durch Tröpfchen- oder Schmierinfektion. Die Inkubationszeit liegt zwischen 1 – 4 Tagen (Herold 2023).

Neue Subtypen der Influenza A entstehen durch Antigenshift. Bei einem Antigenshift kommt es zu einer Vermischung einzelner Gensegmente einer Zelle, die mit zwei oder mehreren unterschiedlichen Influenza- A- Viren infiziert ist, was auch als Reassortment bezeichnet wird. Typischerweise geschieht der Antigenshift in einem Schwein, da bei diesem eine hohe Empfänglichkeit für aviäre, humane und porcine Influenza- A- Viren besteht. Das Ergebnis eines Reassortments ist ein neues Influenza- A- Virus, das bei der humanen Bevölkerung eine Pandemie auslöst (Herold 2023).

Bei der Hongkong- Grippe kam es zu einem Reassortment durch Übertragung eines mit Influenza A Virus infizierten Menschen und der Vogelgrippe vom Subtyp H5N1 von infizierten Hühnern (Kirchner 2018).

Die Hongkong- Grippe nahm ihren Ursprung in China und verbreitete sich zwischen 1968 – 1970 weltweit aus (Thießen 2021). Der damals zunehmende internationale Flugverkehr spielte bei dieser Pandemie zum ersten Mal eine zentrale Rolle bei der Virusverbreitung (Tenberg 2021).

Bei der Hongkong- Grippe handelt es sich um das A / H3N2- Virus (Herold 2023).

Bei der Hongkong- Grippe kam es bei bis zu 44 % der Erkrankten zu Ko- Infektionen, die überwiegend durch Pneumokokken bedingt waren (Kramer 2022).

Damals stand die symptomatische Behandlung im Vordergrund mit Antipyretika. Antibiotika wurden bei zusätzlichen bakteriellen Infektionen eingesetzt, Amantadin zur Hemmung der Freisetzung und Replikation von Influenzaviren. Bei auftretender Hypoxämie wurde Sauerstoff verabreicht (Tenberg 2021)

Verlauf / Prognose

Bis zum Auftreten der COVID- 19- Pandemie war die Influenza in Europa die Infektionskrankheit sowohl mit der höchsten Inzidenz als auch mit der höchsten Mortalität (Herold 2023).

An der Hongkong- Grippe verstarben laut Schätzungen der WHO weltweit etwa 1,1 Millionen Menschen (Müller 2022). Allein in Westdeutschland verstarben 50.000 Erkrankte (Thießen 2021).

Die Pandemie ging im Frühjahr 1970 am ehesten durch die zunehmende Herdenimmunität zu Ende, das Virus existiert aber weiterhin (Tenberg 2021).

Prophylaxe

Wirksame Impfungen gegen die Hongkong- Grippe standen ab Mitte 1969 zur Verfügung (Witte 2011).

1. Herold G et al. (2023) Innere Medizin. Herold Verlag 875
2. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education
3. Kirchner T, Müller- Hermelink, Roessner A  (2018) Kurzlehrbuch Pathologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 176
4. Kramer A, Assadian O. Exner M, Hübner N O, Simon A, Scheithauer S (2022) Krankenahaus- und Praxishygiene: Hygienemanangement und Infektionsprävention in medizinischen und sozialen Einrichtungen. Elsevier Urban und Fischer Verlag 165
5. Müller S (2020) Die Spanische Grippe: Wahrnehmung und Deutung einer Jahrhundertpandemie im Spiegel der sozialdemokratischen Presse. bub Bonner Universitätsdruckerei 11- 12, 69
6. Müller S (2022) Von der Spanischen Grippe bis Corona: Krisendeutungen im 20. Jahrhundert. Wirtschaft, Arbeit und Leben mit und nach der Corona- Krise. Nomos Verlagsgesellschaft mbH und Co. 17 – 34
7. Müller M (2023) Labormedizin, Mikrobiologie, Klinische Chemie, Infektiologie, Transfusionsmedizin in Frage und Antwort. Books on Demand. 1514
8. Tenberg L (2021) Jede Pandemie geht irgendwann zu Ende. Hongkong- Grippe: Die vergessene Pandemie. WirtschaftsWoche doi: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/hongkong-grippe-die-vergessene-pandemie-jede-pandemie-geht-irgendwann-zu-ende/27097334.html
9. Thießen M (2021) Auf Abstand: Eine Gesellschaftsgeschichte der Coronapandemie. Campus Verlag. Kapitel 3
10. Witte W (2011) Die Grippepandemie 1968- 1970: Strategien der Krisenbewältigung im getrennten Deutschland „Wodka und Himbeertee“. Dtsch Med Wochenschr. (136) 2664 - 2668