HöhenlungenödemT70.2
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Erstmals definiert wurde HAPE 1991 nach klinischen Kriterien auf dem International Hypoxia Symposium in Kanada (Offner 2001).
Definition
Unter einem Höhenlungenödem (HAPE) versteht man einen massiven Austritt von Flüssigkeit aus den Lungenkapillaren in den Alveolarraum und das Interstitium bei einem Aufenthalt in Höhen ab ca. 1.500 m (Herold 2020).
Einteilung
Ein Lungenödem wird in 4 verschiedene Stadien unterteilt:
- 1. Das sog. interstitielle Lungenödem, bei dem es zu einem Austritt von Flüssigkeit in das Lungengewebe kommt.
- 2. Das sog. alveoläre Lungenödem. Hierbei finden sowohl Exsudation als auch Transsudation von serösen Flüssigkeiten in die Alveolen und Bronchiolen statt.
- 3. In diesem Stadium kommt es zur Schaumbildung mit Ausdehnung der ursprünglichen Flüssigkeitsmenge.
- 4. In letzten Stadium schließlich besteht eine Asphyxie (Herold 2020).
Vorkommen/Epidemiologie
Ein Höhenlungenödem kann ab einer Höhe von ca. 1.500 – 2.000 m auftreten. Es existieren allerdings große individuelle und geographisch / klimatische Schwankungen (Herold 2020). Ab einer Höhe zwischen 3000 – 4500 m treten bei 70 % der Bergsteiger HAPE- Fälle auf (Offner 2001). Männer sind häufiger als Frauen betroffen (Kasper 2015).
In kalten Ländern ist die Prävalenz höher als in südlichen Gebieten, da der Luftdruck bei niedrigen Temperaturen und zu beiden Polen hin abnimmt (Offner 2001).
Ätiopathogenese
HAPE wird durch eine verminderte Verfügbarkeit von Sauerstoff in großen Höhen verursacht, da mit zunehmender Höhe der atmosphärische Druck abnimmt. (Luks 2022)
Ein HAPE entwickelt sich nach Ankunft in großen Höhen innerhalb von 2 – 4 Tagen (Kasper 2015).
Risikofaktoren für ein HAPE sind:
- Anamnestisch bereits ein HAPE nachgewiesen
- Rascher Aufstieg
- Niedrige Außentemperaturen (diese erhöhen den pulmonalen intravaskulären Druck)
- Infektionen der Atemwege
- Bestehende Herzfehler wie z. B. offenes Foramen ovale, primäre pulmonale Hypertonie, Mitralstenose, einseitiges Fehlen der Lungenarterie (Kasper 2015)
- Männliches Geschlecht (Offner 2001)
- Wohnen in der Nähe des Meeresspiegels (Luks 2022)
Pathophysiologie
Bei einem Höhenlungenödem bildet sich ein nicht kardiogenes Ödem aus, das gekennzeichnet ist durch eine fleckige pulmonale Vasokonstriktion. Der genaue Mechanismus dieser Vasokonstriktion ist bislang nicht bekannt. In einigen Bereichen führt dies zu einer Überperfusion. Dadurch erhöht sich der pulmonalkapillare Druck und es kommt zu einem kapillärem Stressversagen (Kasper 2015).
HAPE- gefährdete Personen weisen außerdem in großer Höhe geringere Mengen an Stickstoffmonoxid in der Ausatemlust auf (Kasper 2015)..
Durch den erniedrigten Alveolardruck kommt es zusammen mit einem Sauerstoffmangel zu einer pulmonalen Vasokonstriktion, dem sog. Euler- Liljestrand- Reflex (Herold 2020).
Klinisches Bild
Das Hauptsymptom sind
- Kopfschmerzen
Zusätzlich treten weitere Symptome auf wie z. B.:
- Müdigkeit
- Schwäche
- Übelkeit
- Schwindel
- Schlafstörungen (Herold 2020)
-Fieber
Im späteren Verlauf können zusätzlich auftreten:
- Tachykardie
- Tachypnoe
- Erbrechen
- Oligurie (Antwerpes 2024)
Auch trockener Husten, eventuell mit blutigem Sputum versehen, tritt oftmals in großen Höhen auf. Dieser Pathomechanismus ist allerdings bislang ungeklärt (Kasper 2015).
Bei der schwersten Form eines Höhenlungenödems, auch als HACE bezeichnet, treten folgende Symptome auf:
- Ataxie
- Starke Kopfschmerzen
- Bewusstseinsstörung
- Erbrechen
- Sehstörungen
- Halluzinationen (Herold 2020)
Diagnostik
Die Diagnose wird vorwiegend klinisch gestellt, schon allein aus dem Grund, dass apparative Untersuchungen in großer Höhe nicht verfügbar sind (Luks 2022).
Dazu müssen bei einer Höhenexposition mindestens 2 Symptome und 2 klinische Symptome vorliegen:
- Ruhedyspnoe
- Husten
- Allgemeine Schwäche
- Verminderte Leistungsfähigkeit
- Thorakales Engegefühl
- Rasselgeräusche
- Pfeifender Atem
- Zentrale Zyanose
- Tachypnoe
- Tachykardie (Offner 2001)
Körperliche Untersuchung:
- Auskultatorisch bestehen Rasselgeräusche
Bildgebung
EKG
Im EKG kann eine Belastung des rechten Ventrikels nachweisbar sein (Kasper 2015).
Sonographie
Bereits im Frühstadium können B- Linien als Zeichen einer interstitiellen Flüssigkeitsansammlung nachweisbar sein (Antwerpes 2024).
Röntgen Thorax
In der Röntgen- Thoraxaufnahme können sich fleckige oder örtlich begrenzte Trübungen darstellen. Bisweilen ist auch ein streifiges, interstitielles Ödem zu erkennen (Kasper 2015).
Labor
Blutgasanalyse:
Hierbei zeigen sich eine Hypoxie und eine respiratorische Alkalose. Falls der Patient zur Vermeidung einer Höhenkrankheit Acetazolamid eingenommen hat, kann sich stattdessen eine metabolische Azidose zeigen (Antwerpes 2024).
Differentialdiagnose
Komplikation(en)
- Höhenhirnödem (HACE)
Therapie
Bereits bei ersten Anzeichen einer Höhenkrankheit sollte dem Patienten Sauerstoff zugeführt werden und der Abstieg bzw. Transport in niedrigere Höhen veranlasst werden (Herold 2020).
Zusätzlich können Analgetika in Form von Nicht- Opioiden verabreicht werden (Luks 2022).
Als symptomatische Therapie können dem Betroffenen helfen:
- Überdrucksack
- Gabe eines Kalziumantagonisten wie z. B. Nifedipin
- Dexamethason bei zusätzlichem HACE = Höhenhirnödem (Herold 2020)
- Nifedipin, Dosierungsempfehlung: 30 mg Retardtabletten oral alle 12 h
- Acetazolamid, Dosierungsempfehlung: 125 mg p. o. alle 12 h
Alternativ zum Acetazolamid kann auch:
- Dexamethason 2 mg oral alle 6 h verabreicht werden (Luks 2022)
Verlauf/Prognose
Nach dem Abstieg und einigen Ruhetagen bilden sich die Veränderungen i. d. R. wieder vollständig zurück Die Lungenstruktur selbst nimmt nach einem HAPE keinen bleibenden Schaden (Antwerpes 2024).
Anders jedoch beim Höhenhirnödem. Hier liegt die Letalität bei ca. 40 %, sofern ein rascher Abstieg möglich ist. Andernfalls endet das HACE fast immer tödlich (Antwerpes 2024).
Prophylaxe
Es hat sich gezeigt, dass Dexamethason die Häufigkeit von HAPE um 78 % reduzieren kann (Kasper 2015).
Auch Nifedipin (Dosierungsempfehlung: 30 mg 1 – 2 x / d) kann HAPE verhindern, insbesondere bei Personen, die schnell aufsteigen müssen oder HAPE in der Anamnese aufweisen (Kasper 2015).
Ein weiteres Medikament zur Vorbeugung von HAPE stellt Tadalafil 10 mg oral 2 x / d dar (Luks 2022)
Literatur
- Antwerpes F, Fink B et al.(2024) Höhenlungenödem. DocCheck Flexikon. doi: https://flexikon.doccheck.com/de/H%C3%B6henlungen%C3%B6dem
- Antwerpes F, Fink B et al. (2024) Höhenhirnödem. DocCheck Flexikon. doi: https://flexikon.doccheck.com/de/Spezial:Artikel_Autoren/H%C3%B6henhirn%C3%B6dem
- Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 406 - 408
- Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 247, 476e- 1 - 476e- 4
- Luks A M (2022) Höhenkrankheit. MSD Manual. Ausgabe für medizinische Fachkreise. doi: https://www.msdmanuals.com/de-de/profi/verletzungen-vergiftungen/h%C3%B6henkrankheit/h%C3%B6henkrankheite?query=h%C3%B6henkrankheit
- Offner K, Kopp K H (2001) Das Höhenlungenödem – High Altitude Pulmonary Edema (HAPE). Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 296 – 297
- Reh F, Fink B, Antwerpes F et al. (2024) Acetazolamid. DocCheck Flexikon doi: https://flexikon.doccheck.com/de/Acetazolamid