Acetazolamid

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

This article in english

Synonym(e)

CAS-Nummer 59-66-5; N-(5-(Aminosulfonyl)-1,3,4-thiadiazol-2-yl)acetamid (IUPAC)

Kostenlose Fachkreis-Registrierung erforderlich

Bitte melden Sie sich an, um auf alle Artikel, Bilder und Funktionen zuzugreifen.

Unsere Inhalte sind ausschließlich Angehörigen medizinischer Fachkreise zugänglich. Falls Sie bereits registriert sind, melden Sie sich bitte an. Andernfalls können Sie sich jetzt kostenlos registrieren.


Kostenlose Fachkreis-Registrierung erforderlich

Bitte vervollständigen Sie Ihre Pflichtangaben:

E-Mail Adresse bestätigen
oder
Fachkreisangehörigkeit nachweisen.

Jetzt abschließen

Definition

Acetazolamid (Summenformel  C4H6N4O3S2), ein Diuretikum aus der Substanzklasse der Sulfonamide, ist der prototypische Vertreter der kompetitiven Carboanhydrasehemmer (s.a. Brinzolamis, Dorzolamid). Carboanhydrasehemmer werden glomerulär filtriert und tubulär sezerniert und entfalten ihre Wirkung auf der luminalen Seite der Tubuluszellen. Acetazolamid hemmt sehr effektiv die Rückresorption von NaHCO3 v.a. im proximalen Tubulus.

Pharmakodynamik (Wirkung)

Im proximalen Tubulus sorgt das Zusammenspiel des Na+-H+-Antitransporters und der Carboanhydrasen für die Rückresorption von NaHCO3. Carboanhydrasehemmer interferieren mit diesem Prozess, erhöhen die renale HCO3--Ausscheidung (v.a. in Form von KCO3) und verursachen so eine metabolische Alkalose. Weiterhin wird auch die renale Phosphatausscheidung gesteigert. Die Wirkung auf die Niere geht mit einem erhöhten Kaliumverbrauch einher, der unter Umständen ausgeglichen werden muss.

Acetazolamid kann den Augeninnendruck (Therapieindikation: Glaukom), den Hirndruck (Supuran CT 2015) und den Blutdruck senken.

Im Pankreas wird die Sekretion des bicarbonatreichen Pankreassekrets vermindert.

Die antiepileptische Wirkung von Acetazolamid ist nicht ausreichend erforscht. Neurotrope Effekte auf die Erregungsleitung gelten aber als wahrscheinlich.

Acetazolamid führt zu vermehrter Ausscheidung von Kalium mit dem Urin, so dass bei dauerhafter Anwendung auf eine vermehrte Zufuhr von Kalium mit der Nahrung geachtet werden muss.

Indikation

Der Wirkstoff Acetazolamid wird aktuell vor allem in der Augenheilkunde eingesetzt, um erhöhten Augeninnendruck bei Glaukom zu senken.

Ödeme unterschiedlicher Herkunft (u. a. Pseudotumor cerebri oder zystoides Makulaödem).

Ateminsuffizienz mit respiratorischer Alkalose (Adamson R et al. 2017)

Pankreatitis oder Pankreasfisteln sowie bei Epilepsie oder Morbus Menière eingesetzt werden. Acetazolamid ist auch zur vorbeugenden Behandlung der Höhenkrankheit zugelassen.

Vorbeugende Behandlung von Epilepsie.

Bestimmte Formen der Myotonia congenita (keine Zulassung für diese Indikation)

Im Rahmen der Hirnperfusionsszintigrafie wird Acetazolamid eingesetzt (Off-Label-Use), um Areale mit normaler Reservekapazität von solchen Arealen zu unterscheiden, deren Gefäße zur Kompensation vorgeschalteter Gefäßverengungen bereits maximal erweitert sind.

Dosierung und Art der Anwendung

Glaukom: In akuten Fällen ½-2 Ampullen oder 1-4 Tabletten (250-1000 mg) während 24 Stunden, je nach Fall in unterteilten Dosen, z.B. ½ Ampulle oder 1 Tablette alle 4 Stunden oder 2 × täglich. Eventuell auch initial 1 Ampulle oder 2 Tabletten (500 mg) applizieren und alle 4 Stunden ¼-½ Ampulle.

Dauermedikation: ¼-1 Ampulle (125-500 mg) oder ½-1 Tablette (125-250 mg) täglich.

Ödeme: Initial 2-3 Tage lang täglich morgens ½-¾ Ampulle (5 mg/kg Kpgw.) i.v. oder 1-1½ Tabletten (5 mg/kg Kpgw.), anschliessend 2× wöchentlich ½-¾ Ampulle i.v. oder 1-1½ Tabletten.

Ateminsuffizienz mit respiratorischer Azidose: Kontinuierliche tägliche Gabe von 1-1½ Ampullen oder 2-3 Tabletten (500-750 mg) Diamox über längere Zeit.

Epilepsie: ½-2 Ampullen oder 1-4 Tabletten (250-1000 mg) täglich in unterteilten Dosen. Der Therapiebeginn oder eine Umstellung auf Diamox hat einschleichend zu erfolgen. In Kombination mit anderen Antiepileptika beträgt die Anfangsdosis 250 mg täglich. Bei Status epilepticus 500 mg täglich (2× ½ Ampulle) i.v.

Akute Pankreatitis, Pankreasfisteln: 2-5 Ampullen (1000-2500 mg) täglich langsam i.v. oder als Dauertropfinfusion.

Zur Prophylaxe der Höhenkrankheit: 1 Tablette (250 mg) 2× täglich oder 1 Sustet (500 mg) alle 24 Stunden über mindestens 4 Tage, beginnend 1 Tag vor der Exposition.

Unerwünschte Wirkungen

Bei intravenöser Anwendung kommen Schwindel, Tinnitus, Parästhesien um den Mund, Übelkeit und Blutdruckabfall vor. Die Beschwerden sind meist milde und klingen von alleine wieder ab.

Während der Langzeittherapie kann gelegentlich ein azidotischer Zustand eintreten, der sich gewöhnlich durch die Gabe von Bicarbonat korrigieren lässt.

Berichtet wurden vorübergehende Myopien. Diese Störungen verschwinden, wenn die Dosis verringert oder das Präparat abgesetzt wird.

Andere, gelegentlich auftretende Nebenwirkungen sind Urtikaria, Melaena, Hämaturie, Glukosurie, Leberinsuffizienz, schlaffe Paralyse und Konvulsionen.

Dermatologische UAWs: Da Acetazolamid ein Sulfonamidderivat ist, können typische Sulfonamidnebenwirkungen wie Exantheme

Fieber, Kristallurie, Nierensteine, Knochenmarkdepression, thrombozytopenische Purpura, hämolytische Anämie, Leukopenie, Panzytopenie und Agranulozytose auftreten.

Kontraindikation

Kontraindikationen sind Allergien gegen Sulfonamide und das subakute Stadium des Schlaganfalls.

Erniedrigter Natrium- und Kaliumspiegel im Serum

Hyperchlorämische Azidose

Schwere Nieren- und Lebererkrankungen

Gicht

Nebenniereninsuffizienz

Hypercalciurie

Nephrocalcinose

Langzeitbehandlung eines chronischen, nichtkongestiven Glaukoms mit geschlossenem Kammerwinkel

Schwangerschaft: Gefahr von Malformationen des Embryos (Al-Saleem AI et al. 2016)

Präparate

Acemit® (D),Diamox® (A, CH), Glaupax® (D, CH)

Hinweis(e)

Ursprünglich wurde der Wirkstoff als Diuretikum genutzt. Als Diuretikum wird Acetazolamid aber nur noch selten verwendet (Kassamali R et al. 2011).

Literatur

  1. Adamson R et al. (2017) Acetazolamide Use in Severe Chronic Obstructive Pulmonary Disease. Pros and Cons. Ann Am Thorac Soc 14:1086-1093.
  2. Al-Saleem AI et al. (2016) Possible association between acetazolamide administration during pregnancy and multiple congenital malformations. Drug Des Devel Ther 10:1471-1476.
  3. Kassamali R et al. (2011) Acetazolamide: a forgotten diuretic agent. Cardiol Rev 19:276-278.
  4. Reinelt CD (2016) Diplomarbeit: Diuretika – Meriten und Gefahren Diplomarbeit an der Medizinischen Universität Graz.
  5. Supuran CT (2015) Acetazolamide for the treatment of idiopathic intracranial hypertension. Expert Rev Neurother 15:851-856.
  6. Van Berkel MA et al. (2018) Evaluating off-label uses of acetazolamide. Am J Health Syst Pharm 75:524-531.

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024