Synonym(e)
Erstbeschreiber
Das Todeskonzept Aristoteles' bezieht sich einzig und allein auf das Herz. Platon was der Erste, der das Gehirn als den Sitz der unsterblichen Seele vermutete (Schäfer 2015).
Die ersten Beschreibungen des Hirntods stammen von Mollaret und Goulon, die 1959 sehr umfangreiche und eingehende Untersuchungen hinsichtlich des Hirntods niederlegten. In Deutschland beschrieb der Wissenschaftliche Beirat im November 1979 erstmals Kriterien zum Hirntod. Die letzte Revision stammt aus dem Jahre 2022 (Wolff 1982).
Definition
Unter einem Hirntod versteht man den Zustand der irreversiblen Einstellung aller Gehirnfunktionen bei u. U. durch künstliche Mittel ermöglichte Beibehaltung der Herzaktivität und Aufrechterhaltung der Körper- und Atmungsfunktionen. Gleichzeitig stellt der Hirntod die einzige Art von Hirnschädigung dar, die gleichbedeutend mit dem Tod anerkannt wird (Kasper 2015).
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Einteilung
Seit der Verabschiedung des Transplantationsgesetzes im Jahre 1997 kommt dem Hirntod eine besondere Bedeutung zu, da dieser als notwendige Bedingung für eine Organentnahme gilt (Stoecker 2020).
Die Richtlinien zur „Feststellung des Hirntods“ wurden erstmals 1982 dokumentiert und zuletzt 2022 überarbeitet (Richter- Kuhlmann 2017). In ihnen sind die Vorgänge zur Bestimmung des Hirntods bzw. des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls (IHA) genau festgelegt (Herold 2018).
Diagnostik
Die Feststellung des irreversiblen Hirntods (ICBF) erfolgt in Deutschland nach der Richtlinie der Bundesärztekammer, die aktuell in ihrer fünften Fortschreibung aus dem Jahre 2022 vorliegt (Reinhardt 2022).
Die Diagnostik des Hirntods umfasst 3 wesentliche Elemente:
- 1. Weitgehende kortikale Zerstörung, die sich in einem tiefen Koma und fehlenden Reaktionen auf alle Stimulationsformen äußert
- 2. Globale Schädigung des Stammhirns, die sich durch den Verlust der okulo- vestibulären und auch kornealen Reflexe äußert
- 3. Zerstörung des Marks, die sich in einer vollständigen und irreversiblen Apnoe äußert (Kasper 2015)
Einen irreversiblen Hirntod stellen ausschließlich Fachärzte mit mehrjähriger Erfahrung in der Intensivmedizin fest. Je Untersuchungsgang müssen zwei dafür qualifizierte Mediziner, die nicht zum Team der eventuellen Organ- oder Gewebespende gehören, voneinander unabhängig und übereinstimmend den Hirntod feststellen (Reinhardt 2022).
Nachzuweisen sind (mit Ausnahme von Kindern < 2 Jahren, für die besondere Kriterien gelten):
- A. Akute schwere primäre oder sekundäre HirnschädigungUrsache und Schwere der zum Tod führenden Hirnschädigung muss zweifelsfrei belegt werden:
- Bei primären Hirnschädigungen muss zwischen supratentoriellen und infratentoriellen Schädigungen differenziert werden
- Kombinierte primäre supra- und infratentorielle sowie primäre und zusätzliche sekundäre Hirnschädigungen sind genau zu protokollieren
- Reversible Ursachen des Hirnfunktionsausfalls wie z. B. dämpfende Medikamente, Intoxikation, reversible Erkrankungen des Hirnstamms, neuromuskuläre Blockaden, Kreislaufschock, Koma bei metabolischer, entzündlicher oder endokriner Erkrankung sowie primäre oder sekundäre Hypothermie sind auszuschließen (Reinhardt 2022)
- B. Klinische Symptome des Hirnausfalls müssen überprüft werden:
- Lichtstarre beider Pupillen, die mittel- bis maximal geweitet sind
- Bewusstlosigkeit
- Fehlen des Korneal- Reflexes beidseitig
- Fehlen des okulozephalen bzw. vestibulookulären Reflexes beidseitig
- Fehlender Pharyngeal- und Trachealreflex
- Fehlende Reaktion auf Schmerzreize im Bereich des Trigeminus beidseitig bzw. von zerebralen Reaktionen auf Schmerzreize außerhalb des Trigeminus beiderseits
- Ausfall der Spontanatmung (Reinhardt 2022)
- C. Nachweis der Irreversibilität der erhobenen Befunde bei primärer oder sekundärer Hirnschädigung durch:
- Wiederholte Untersuchungen in festgelegten Zeiträumen
- Bei primärer supratentorieller Hirnschädigung frühestens nach 12 h
- Bei sekundärer Hirnschädigung frühestens nach 72 h
- Alternativ durch ergänzende Untersuchungen wie z. B.:
- EEG
- Evozierte Potentiale
- Darstellung der Hirndurchblutung
- Bei primären infratentoriellen Hirnschädigungen kann – im Gegensatz zur primären supratentoriellen Hirnschädigung und der sekundären Hirnschädigung, die beide durch wiederholte Untersuchungen bestätigt werden können - der Hirntod erst durch ein EEG bzw. einen zerebralen Zirkulationsstillstand nachgewiesen werden (Reinhardt 2022)
- Wiederholte Untersuchungen in festgelegten Zeiträumen
Sämtliche Untersuchungsergebnisse und Nachweise müssen durch zwei Ärzte protokolliert werden. Als Todeszeit wird der Zeitpunkt verwendet, an dem alle Untersuchungen und Diagnostik abgeschlossen sind (Reinhardt 2022).
Bildgebung
- EEG
Im EEG ist eine Nulllinie nachweisbar (Unterhofer 2024).
- Transkranielle Dopplersonographie
Hiermit wird ein zerebraler Kreislaufstillstand festgestellt (Unterhofer 2024).
- Computertomographie
In der CT zeigt sich ein diffuses Hirnödem, Sulci und basale Zisternen sind nicht mehr erkennbar. Die graue Substanz erscheint im Vergleich zur weißen Substanz iso- bis hypodens (Unterhofer 2024).
- Angiographie
Hiermit kann die fehlende Hirnperfusion nachgewiesen werden (Unterhofer 2024).
- Nuklearmedizinische Untersuchungen
Bei der Technetium- 99 m- Szintigraphie findet sich lediglich eine Aufnahme des Technetium- 99 m in der Kopfhaut, aber nicht im Gehirn (Unterhofer 2024).
Differentialdiagnose
Es kann bei bestimmten Erkrankungen bzw. Zuständen ein Hirntod vortäuscht wie z. B.:
- Intoxikation (insbesondere mit Barbituraten)
- Status epilepticus
- Metabolisches Koma
- Muskelrelaxation (Unterhofer 2024)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag
- Herold G et al. (2018) Innere Medizin. Herold Verlag 649 - 650
- Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1776
- Reinhardt K, Scriba P C, Brandt S A, Clusmann H (2022) Richtlinie gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TPG für die Regeln zur Feststellung des Todes nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TPG und die Verfahrensregeln zur Feststellung des endgültigen, nicht behebbaren Ausfalls der Gesamtfunktion des Großhirns, des Kleinhirns und des Hirnstamms nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 TPG, Fünfte Fortschreibung. Deutsches Ärzteblatt 1 – 31, DOI: 10.3238/arztebl.2022.rl_hirnfunktionsausfall_02
- Schäfer D (2015) Der Tod und die Medizin: Kurze Geschichte einer Annäherung. Springer Spektrum Verlag Berlin / Heidelberg 11
- Stoecker, R. (2020). Hirntod – philosophisch. In: Wittwer, H., Schäfer, D., Frewer, A. (eds) Handbuch Sterben und Tod. J.B. Metzler, Stuttgart 124 - 129 https://doi.org/10.1007/978-3-476-05762-4_13
- Unterhofer M, Antwerpes F et al. (2024) Hirntod DocCheck Flexikon. DOI: https://flexikon.doccheck.com/de/Hirntod
- Wolff (1982) Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesärztekammer zur Frage der Kriterien des Hirntodes: Entscheidungen zur Feststellung des Hirntodes. Deutsches Ärzteblatt Heft 14, Ausgabe A / B, 45 - 55
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