HBe-Ag

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Synonym(e)

frühes Antigen des Hepatitis B- Virus; Hepatitis B Envelope- Antigen

Definition

Beim HBe- Ag handelt es sich um Protein, das im Rahmen einer Hepatitis B- Erkrankung vom pre- Core / Core- Antigen kodiert wird. Es entspricht der sekretorischen Form des HBc- Ag (Herold 2022) und dient als Marker der Infektiosität (Braun 2018).

Einteilung

Beim HBe- Ag handelt es sich um ein während der akuten Hepatitis B frisch produziertes Protein, das während der Replikationsphase des Virus sezerniert wird (Müller 2023).

 

HBe- Ag spielt insbesondere bei den Formen der chronischen Hepatitis B eine große Rolle. Es kann zu folgenden Verlaufsformen kommen:

- HBe- Ag- negative chronische Hepatitis B

Hierbei ist eine deutliche histologische Aktivität nachweisbar. Das Risiko, eine Leberzirrhose zu bekommen, liegt bei 20 % innerhalb von 10 Jahren. Das Risiko eines HCC ist um das 60- fache erhöht (Herold 2022).

 

- HBe- Ag- negative chronische HBV- Infektion

Früher wurde diese Form auch als „asymptomatischer HBe- Ag- Trägerstatus (Carrier)“ bezeichnet (Neumann- Haefelin 2022). Das Infektionsrisiko dieser Personengruppe ist gering, die Prognose relativ günstig. Das Risiko, ein HCC zu entwickeln, ist nur geringgradig erhöht (Herold 2022).

 

- HBe- Ag- positive chronische Hepatitis B

Hierbei ist eine deutliche histologische Aktivität nachweisbar. Das Risiko, eine Leberzirrhose zu bekommen, liegt bei 20 % innerhalb von 10 Jahren. Das Risiko eines HCC ist um das 60- fache erhöht (Herold 2022).

 

- HBe- Ag- positive chronische HBV- Infektion

Früher wurde diese Form fälschlicherweise auch als „immuntolerantes Stadium“ bezeichnet (Neumann- Haefelin 2022). Nach Jahren kann es hierbei zu einem Übergang in eine chronische Hepatitis kommen. Eine Reaktivierung kann es z. B. unter einer Chemotherapie auftreten (Herold 2022)

Allgemeine Information

Zu den Virusbestandteilen einer Hepatitis B Erkrankung zählen:

- HBV- DNA

- Proteine wie z. B.:

       - Surface- Antigen (HBs- Ag)

       - Envelope- Antigen (HBe- Ag) Dieses entspricht der sekretorischen Form des HBc- Ag.

       - Core- Antigen (HBc- Ag und HBcr- Antigen = HB- core- related- Antigen)

Die korrespondierenden Antikörper sind anti- HBs, anti- HBe und anti- HBc (Herold 2022).

Vorkommen

In Deutschland tritt die HBe- minus- Mutante inzwischen bei über 50 % der an einer chronischen Hepatitis B- Erkrankten auf (Herold 2022).

Pathophysiologie

HBe- Ag hat eine doppelte Rolle als Telerogen und als Immunogen. Die genauen Mechanismen diesbezüglich sind bislang nicht geklärt. Außerdem ist HBe- Ag in der Lage, die Immunantwort zu unterdrücken.

Es kann zusätzlich Hepatozyten vor einer Apoptose zu schützen und trägt somit zum Überleben infizierter Hepatozyten bei (Padarath 2023).

Labor

Der hauptsächliche klinische Nutzen des HBe- Ag besteht darin, ein Indikator für die relative Infektiosität zu sein (Kasper 2015). Es gilt zusätzlich als prognostischer Marker und kann ein Surrogat- Marker für die Aktivität der viralen RNA- Transkription sein und prognostische Hinweise auf das Ansprechen einer Therapie machen (Cornberg 2021).

Bei einer akuten Infektion mit dem Hepatitis B- Virus lässt sich HBe- Ag nur kurze Zeit zu Beginn der Erkrankung nachweisen. Geht die akute Form der Erkrankung in eine chronische Verlaufsform über, so ist (neben HBs- Ag) weiterhin HBe- Ag nachweisbar (Braun 2018).

Kommt es jedoch zu einer Serokonversion, wie es der Regelfall ist, wird der Erkrankte zu einem sog. „inaktiven HBs- Ag- Träger (Alexopoulou 2014)

Der Nachweis von HBe- Ag und HBV- DNA ist beweisend für eine akute Hepatitis B- Infektion (Braun 2018).

Falls zusätzlich zum HBs- Ag auch noch HBe- Ag nachweisbar ist, erhöht dies die Infektiosität deutlich (Kasper 2015).

Komplikation(en)

Chronische Hepatitis B

Da das HBe- Ag als Immunmodulator wirkt, kann es durch eine immunologische Toleranz chronische Verläufe der Hepatitis B fördern (Müller 2023).

Bei ca. 10 % der erwachsenen Patienten mit Hepatitis B geht die Erkrankung in eine chronische Verlaufsform über, bei Kleinkindern tritt die chronische Form der Erkrankung bei bis zu 90 % auf (Müller 2023).

 

Leberzirrhose

Auch nach einer Serokonversion von HBe- Ag und Bildung von Anti- HBe- Antikörpern kommt es bei ca. 50 % innerhalb von 10 Jahren zum Auftreten einer Leberzirrhose (Braun 2018).

 

Leberzellkarzinom

Ein Leberzellkarzinom findet sich nach einer Serokonversion von HBe- Ag bei bis zu 10 % (Braun 2018).

 

Hepatitis B Virus- Mutanten

Bei der HBe- minus- Mutation, auch als Pre- Core Stopcodon- Variante bezeichnet (Herold 2022) hat das Virus die Fähigkeit verloren, HBe- Ag zu sezernieren. In diesem Fall findet sich ein schlechteres therapeutisches Ansprechen bei chronischen Verlaufsformen (Braun 2018).

 

Therapie

Vor und während der Behandlung einer Hepatitis B sollte immer das HBe- Ag bestimmt werden, da hiermit Voraussagen zum möglichen Ansprechen auf therapeutische Interventionen möglich sind und eine Anti- HBe- Ag- Serokonversion dokumentiert werden kann (Cornberg 2021).

Therapie s. Hepatitis B

Hinweis(e)

Seit 1994 ist in Deutschland ein generelles HBs- Ag- Screening bei Schwangeren vorgeschrieben, da bei einer HBs- Ag positiven Mutter ein Infektionsrisiko für das Kind besteht (Cornberg 2021). Ist zusätzlich auch noch HBe- Ag bei der Mutter positiv, infizieren sich 70 – 95 % der Neugeborenen, aber lediglich 20 – 25 % bei HBe- Ag negativen Müttern. Sollten Anti- HBe- AK nachweisbar sein, findet eine Übertragung auf das Kind in lediglich 10 % der Fälle statt (Müller 2023).

Bei HBs- Ag positiven Schwangeren erhält das Neugeborene innerhalb der ersten 12 h post partum eine aktive und passive Immunisierung gegen Hepatitis B (Cornberg 2021).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Alexopoulou A, Karayiannis P (2014) HBeAg negative variants and their role in the natural history of chronic hepatitis B virus infection. World J Gastroenterol. 20 (24) 7644 - 7652
  2. Braun J, Müller- Wieland D, Renz- Polster H, Krautzig S (2018) Basislehrbuch Innere Medizin.  Elsevier Urban und Fischer Verlag 608 – 610
  3. Cornberg M, Sandmann L, Protzer U, Niederau C, Tacke F, Berg T, Glebe D, Jilg W, Wedemeyer H, Wirth S, Höner zu Siederdissen C, Lynen- Jansen P, van Leeuwen P, Petersoen J  (2021) S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) zur Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Hepatitis-B-Virusinfektion (AWMF-Register-Nr. 021-11)
  4. Glitscher M, Hildt E, Bender D (2022) Hepatitis B und C: Mechanismen der virusinduzierten Leberpathogenese und Tumorentstehung. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz 65 (2) 228 - 237
  5. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 527 - 530
  6. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2016
  7. Müller M (2023) Labormedizin: Mikrobiologie – Klinische Chemie – Infektiologie – Transfusionsmedizin in Frage und Antwort. BoD – Books on Demand Norderstedt 69, 417, 423, 424, 457
  8. Neumann- Haefelin C, Thimme R (2022) Chronic hepatitis B virus infection: current and   future treatment strategies. Bundesgesundheitsblatt, Gesundheitsforschung, Gesundheitsschutz. 65 (2) 238 - 245
  9. Padarath K, Deroubaix A, Kramvis A (2023) The Complex Role of HBeAg and Its Precursors in the Pathway to Hepatocellular Carcino. Viruses 15 (4) 857

Weiterführende Artikel (3)

HBc-Ag; HBs-Ag; Hepatitis B;
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