Actinomycin D

Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

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Synonym(e)

2-Amino-4,6-dimethyl-3-oxo-N,N′-bis[(3R,6S,7R,10S,16S)7,11,14-trimethyl-2,5,9,12,15-pentaoxo-3,10-di(propan-2-yl)-8-oxa-1,4,11,14-tetrazabicyclo[14.3.0]nonadec-6-yl]phenoxazin-1,9-dicarboxamid; ACTD; Actinomycin 7; Actinomycin IV; ACTO-D; CAS-Nummer: 50-76-0; Dactinomycin; Dactinomycin D; Freiname Actinomycin D; Meractinomycin; Oncostatin K

Definition

Actinomycin D ist ein seit dem 1. Dezember 1966 zugelassenes, apothekenpflichtiges und rezeptpflichtiges, Zytostatikum das aus Streptomyces parvulus gewonnen wird. Actinomycin, ein roter, geruchloser Feststoff mit der Summenformel: C62H86N12O16 gehört zur Gruppe der zytotoxischen Antibiotika (Tumorantibiotika). Seine antineoplastische Wirkung wird durch die Bindung an DNA vermittelt, wodurch Actinomycin D die RNA-Synthese hemmt.

Pharmakodynamik (Wirkung)

Actinomycin D wirkt als Interkalator der DNA. Es bindet stark aber reversibel an DNA und stört so die Synthese von RNA (Verhinderung der RNA-Polymerase-Elongation) und folglich die Proteinsynthese.

Pharmakokinetik

Actinomycin D wird nach intravenöser Gabe von Knochenmarkzellen und Tumorzellen aufgenommen. Auch in anderen inneren Organen und Geweben lässt sich Actinomycin D nachweisen. Die mediane Spitzenkonzentration von 25,1 ng/ml bei einer Dosierung von 0,7–1,5 mg/m2 Körperoberfläche (KOF) tritt 15 Minuten nach Gabe auf. In roten Blutkörperchen findet sich wenig Actinomycin D. Actinomycin D überwindet nicht die Blut-Hirn-Schranke.  30 % einer Dosis werden innerhalb einer Woche über den Urin und Stuhl ausgeschieden, 15 % allein im Urin. Die terminale Plasmahalbwertzeit ist mit 36 Stunden ermittelt worden. Bei Funktionseinschränkungen der Leber kann die Plasmahalbwertzeit deutlich länger als 36 Stunden sein. Actinomycin D kann oral aufgrund seiner stark reizenden Eigenschaften nicht aufgenommen werden. Es steht daher auch nicht als Saft oder Tabletten zur Verfügung.

Indikation

Actinomycin D wird zur antineoplastischen Therapie von soliden Tumoren bzw. Krebserkrankungen verwendet. Es findet derzeit keine Anwendung zur Behandlung von Leukämien und/oder Lymphomen. Darüber hinaus wird es auch nicht als Immunsuppressivum bei der Behandlung von Autoimmunerkrankungen verwendet.

Erwachsene

Ewing-Sarkom: Actinomycin D wird bei der Behandlung des Ewing-Sarkoms im Rahmen einer Kombinationschemotherapie mit den Zytostatika Vincristin, Adriamycin und Ifosfamid eingesetzt:

Weichteilsarkom: Actinomycin D wird bei der Behandlung von Weichteilsarkomen wie Rhabdomyosarkom, Leiomyosarkom, Synovialsarkom und andere Tumorarten im Rahmen von Kombinationschemotherapien eingesetzt. Im Wesentlichen kommen zum Einsatz: VAI, VAC, VAIA und VACA.

Kinder und Jugendliche

Nephroblastom (Wilms-Tumor): Actinomycin D ist eines der wesentlichen Zytostatika in der Behandlung des Nephroblastoms (Wilms-Tumor) im Kindes- und Jugendalter. Insbesondere die Kombination von Actinomycin D mit Vincristin bzw. die Kombination mit Vincristin und Adriamycin (Doxorubicin) haben sich als sehr effektiv in der Bekämpfung des Nephroblastoms erwiesen.

Ewing-Sarkom: Actinomycin D wird im Rahmen einer Kombinationschemotherapie mit den Zytostatika Vincristin, Adriamycin und Ifosfamid eingesetzt: es bildet mit diesen Zytostatika den sog. VAIA-Block. Der VAIA-Block kann durch Hinzunahme von Etoposid zum EVAIA-Block erweitert werden.

Weichteilsarkome: Actinomycin D wird bei der Behandlung von Weichteilsarkomen wie Rhabdomyosarkom, Leiomyosarkom, Synovialsarkom und andere Tumorarten im Rahmen von Kombinationschemotherapien eingesetzt.

Dosierung und Art der Anwendung

Bei Erwachsenen oder Kindern sollte die Dosierung bei intravenöser Gabe pro Zwei-Wochen-Therapiezyklus 15 μg/kg Körpergewicht pro Tag bzw. 400 – 600 μg/m 2 Körperoberfläche pro Tag an fünf aufeinander folgenden Tagen nicht überschreiten.

Für übergewichtige oder ödematöse Patienten sollte die Dosis nach der Körperoberfläche berechnet werden, damit sie möglichst der fettfreien Körpermasse entspricht.

Unerwünschte Wirkungen

Knochenmarktoxizität (Leukopenie, Thrombopenie, Anämie). Die dosisbegrenzende Nebenwirkung von Actinomycin D ist die Knochenmarktoxizität.

Gewebereizung: Actinomycin D chädigt bei unverdünntem Kontakt mit Haut und Weichteilgewebe diese schwer. Paravasate können zu schwerer lokaler Nekrose führen. Eine Vorbestrahlung kann zu einem Radiation Recall Phänomen führen.

Übelkeit, Erbrechen, Appetitlosigkeit: Das erstmalige Auftreten erfolgt 1–6 Stunden nach Actinomycin D Gabe. Die Dauer der Übelkeit und des Erbrechens kann 4–20 Stunden andauern. Betroffen sind > 10 % der behandelten Patienten. Eine Behandlung mit Antiemetika wie Granisetron, Tropisetron, Ondansetron ist angezeigt.

Infektionen: Durch die Leukopenie mit einhergehender Neutropenie ist die Anfälligkeit gegenüber Infektionen unter Therapie mit Actinomycin D erhöht. Das Risiko von schweren Virusinfektionen ist erhöht.

Schleimhautschädigung (Mukositis): Schädigungen der Schleimhäute im Mund, der Speiseröhre und im Darm sind häufig. Schleimhautschädigungen mit Durchfall und Schmerzen treten bei 30 % aller mit Actinomycin D behandelten Patienten auf.

Leberschädigung (Hepatotoxizität): Actinomycin D kann die Leber schädigen. Neben einer geringfügigen und reversiblen Lebertoxizität mit Anstieg der Transaminasen kann es zu einer venösen okklusiven Leberkrankheit (Venenverschlusskrankheit der Leber, veno-occlusive disease; VOD) der Leber kommen (Tornesello A et al. 1998). Die VOD ist zwar meist reversibel, kann jedoch in ein tödliches akutes Leberversagen münden. Eine weitere Komplikation ist das Hepatopathy-thrombocytopenia syndrome/ HTS (Farruggia P et al. 2011). Nach vorangegangener Bestrahlung der Leber (beispielsweise im Rahmen der Therapie eines rechtsseitigen Nephroblastoms) ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines Lebenschadens deutlich erhöht. Eine Actinomycin-D-Applikation ist daher bis zu zwei Monaten nach Bestrahlung zu vermeiden.

Karzinogenität, Mutagenität, Embyrotoxizität: Actinomycin D ist mutagen und embryotoxisch.

Amenorrhoe und Zeugungsunfähigkeit: Actinomycin D hemmt wahrscheinlich die Funktion der Hoden und Ovarien. Bei Frauen resultiert eine (sekundäre) Amenorrhoe. Bei Männern kommt es zur Azoospermie.

Dermatologische Komplikationen

  • Radiation-Recall-Dermatitis in zuvor bestrahlen Hautarealen: Dermatitische Reaktion nach Applikation von Actinomycin D in zuvor bestrahlten Hautarealen.
  • Fixe Arzneimittelreaktionen die unter längerzeitig persistierenden Hyperpigmentierungen abheilen, nach erneuter Applikation typischerweise jedoch rezdivieren (Kanwar VS et al. 1995). Histologisch zeigt sich eine Interface-Dermatitis mit möglicher Syringometaplasie.
  • In Kombination mit 5-Fluorouracil wurden multiforme Exantheme (s.u. Erythema multiforme) beobachtet (Wang S et al. 2022).
  • Alopezie 
  • Nageldystrophien

 

Wechselwirkungen

Strahlentherapie, Halothan, Enfluran, Isofluran steigern die Wirkung von Actinomycin D.

 

Die gleichzeitige Anwendung von Bestrahlung und Actinomycin D führt zu einer Wirkungsverstärkung von Actinomycin D in den bestrahlten Körpergeweben. In der bestrahlte kann sich nach Gabe von Actinomycin D eine schmerzhafte dermatitische Reaktion ausbilden. Diese Radiation-Recall-Dermatitis kann nach Tagen, aber auch nach Monaten nach der Bestrahlung eintreten.

Bei Bestrahlung der Leber (beispielsweise bei einem rechtsseitigen Nephroblastom) treten Schädigungen der Leber häufiger und schwerwiegender auf als bei alleiniger Actinomycin D Behandlung. Gleiches gilt für die Schleimhäute von Mund, Speiseröhre und Darm. Sind Teile dieser Schleimhäute vor Actinomycin D Gabe bestrahlt worden, so ist die Schleimhautschädigung (Mukositis) verursacht durch Actinomycin D zumeist ausgeprägter und schwerer im Vergleich zu alleinigen Gabe von Actinomycin D.

Andere Zytostatika: Andere Zytostatika können die Wirkungen und Nebenwirkungen von Actinomycin D verstärken.

Kontraindikation

Schwangerschaft. Stillzeit. Impfungen (Lebendimpfstoffe). Die gleichzeitige Anwendung von Actinomycin D und Strahlentherapie ist kontraindiziert.

Präparate

Lyovac-Cosmegen®, Cosmegen (EU) ®

Hinweis(e)

Actinomycin D wurde ursprünglich als Antibiotikum entwickelt. Die Erstbeschreibung von Actinomycin D erfolgte 1949. Aufgrund seiner Toxizität kam die antimikrobielle Indikation nicht in Frage. 1959 wurde der Einsatz von Actinomycin D bei Tumorerkrankungen von Kindern beschrieben.

Literatur
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  1. Coppes MJ et al. (1997) Cutaneous toxicity following the administration of dactinomycin. Med Pediatr Oncol  29:226-227.
  2. Farruggia P et al. (2011) Hepatopathy-thrombocytopenia syndrome (HTS) after actinomycin-D therapy: report of three cases and review of the literature. Pediatr Hematol Oncol 28:237-243.
  3. Kanwar VS et al. (1995) Unusual cutaneous toxicity following treatment with dactinomycin: a report of two cases. Med Pediatr Oncol 24:329-333.
  4. Tornesello A et al. (1998) Veno-occlusive disease of the liver in right-sided Wilms' tumours. Eur J Cancer 34:1220-1223
  5. Wang S et al. (2022) 5-Fluorouracil and actinomycin D lead to erythema multiforme drug eruption in chemotherapy of invasive mole: Case report and literature review. Medicine (Baltimore) 101:e31678
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Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024