Hereditäre hämorrhagische Teleangiektasie I78.0

Autoren:Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Priv.-Doz. Dr. med. Mattis Bertlich

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

Familiäre hämorrhagische Teleangiektasie; Hereditary hemorrhagic telangiectasia; HHT; HHTI; Morbus Osler; OMIM: 187300; OMIM: 600376; Osler M.; Rendu-Osler-Syndrom; Rendu-Osler-Weber-Krankheit; Teleangiectasia hemorrhagica hereditaria; Teleangiectasia hereditaria hemorrhagica; Teleangiektasie familiäre hämorrhagische

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Erstbeschreiber

Sutton, 1864; Babington, 1865; Legg, 1876; Osler, 1901; Rendu, 1896

Definition

Autosomal-dominant erbliche, hereditäre, im Verlauf des Lebens an Schwere zunehmende Systemerkrankung mit Teleangiektasien, arteriovenösen Aneurysmen in Haut, Schleimhaut und inneren Organen sowie rezidivierenden Blutungen. S.a. organoide Naevi.

Vorkommen/Epidemiologie

Häufigkeit 1:5000 - 1:40.000  je nach Bevölkerungsgruppe

Ätiopathogenese

Typ 1: autosomal-dominant vererbte Mutationen des Endoglin Gens (ENG-Gen ; Genlokus: 9q34.1; OMIM 187300) mit konsekutiver Störung von Endoglin.Nachweislich bei rund 44%. Das ENG-Gen, auch HHT1-Gen genannt, ist ein Protein kodierendes Gen, das auf Chromosom 9q34.11. lokalisiert ist. 

Typ 2: autosomal-dominant vererbte Mutationen im ACVRL1-Gen (auch HHT2 genannt) der für den Activin A receptor, type II-like kinase kodiert. Nachweislich bei rund 52%. Genlokus: 12q11 - 12q14; OMIM 600376) mit konsekutiver Störung der Activin-A Rezeptor-ähnlichen Kinase 1. Das ACVRL1-Gen kodiert einen Typ-I-Zelloberflächenrezeptor für die TGF-beta-Superfamilie von Liganden. Mit anderen Typ-I-Rezeptoren teilt es einen hohen Grad an Ähnlichkeit in den Serin-Threonin-Kinase-Subdomänen, eine glycin- und serinreiche Region (die so genannte GS-Domäne), die der Kinasedomäne vorausgeht, und einen kurzen C-terminalen Schwanz.

Typ3/4: Mutationen im SMAD4-Gen. Nachweilich bei rund 1%. Patienten mit einer SMAD4-Keimbahnmutation haben ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung von Magenpolypen und Magenkrebs.

Die einzelnen Phänotypen unterscheiden sich, trotz unterschiedlichem Genotypus  nur geringfügig voneinander. Typ 1 ist früher manifest und zeigt AV-Shunts der Lunge

 

 

Manifestation

Teleangiektasien sind bereits im Kindesalter möglich, stärkere Ausprägung und hämorrhagische Diathese im 2. oder 3. Lebensjahrzehnt.

Lokalisation

Vor allem im Gesicht (Wangen, Jochbein, Ohrmuschel, Lippen, Wangen- und Nasenschleimhaut), an Brust, Händen, Füßen, Gastrointestinaltrakt (rezidivierende Magen-/Darmblutungen), Leptomeninx und Retina auftretend.

Klinisches Bild

Teleangiektasien und Angiom-Knötchen: Blaurote bis dunkelrote, glasstecknadelkopfgroße, das Hautniveau kalottenförmig überragende, mit dem Glasspatel wegdrückbare Knötchen die initial klinisch an Lippen und Zunge auffällig werden.

Blutungen aus Nase (rezidivierende spontane Epistaxis bei 70-90% der Pat.), Mund sowie dem  Magen-Darmbereich und dem Urogenitaltrakt sind typisch. Es können arterio-venöse Shunts, u.U. mit großem Shuntvolumen in  ZNS und Leber vorhanden sein.

Selten treten Parästhesien und Raynaud-artige Durchblutungsstörungen auf. 

Labor

Hypochrome Anämie.

Histologie

Ektatische, dünnwandige Kapillaren, Kapillarneubildungen im oberen Korium, erweiterte Gefäße im tieferen Korium.

Diagnose

Die klinische Diagnose einer HHT wird durch die Curaçao-Kriterien gestellt (s.u.) Sind mindestens drei der vier Kriterien erfüllt, gilt die Diagnose HHT als klinisch gesichert.

  • Rezidivierende Epistaxis
  • kutane und/oder mukosale Teleangiektasien
  • viszerale Beteiligung
  • ein Familienmitglied ersten Grades mit HHT

Nach klinischer Diagnosestellung schließt sich eine humangenetische Beratung mit molekularbiologischer Diagnostik zur Diagnosesicherung an.

 

Nach molekularbiologischer Sicherung werden weiterführende Untersuchungen zur Identifikation weiterer HHT-typischer AV-Malformationen angestrebt.

  • Einmalig eine kontrastmittelgestützte MRT des Neurocraniums
  • Alle 5 Jahre eine kontrastmittelgestützte CT des Thorax
  • Alle 5 Jahre eine kontastmittelgestützte MRT oder Sonographie der Leber bzw. des Abdomens
  • Alle 5 Jahre eine Ösophago-Gastro-Duodenoskopie sowie Koloskopie

Differentialdiagnose

Therapie

Eine kausale Therapie ist nicht möglich. Generell folgt die Therapie der HHT sets einem individuellen Konzept welches an Patienten und dessen Bedürfnisse bzw. Beschwerden angepasst ist.

Für die meisten Patienten sind die rezidiverenden Epistaxis-Episoden im Hinblick auf die Lebensqualität führend. Hier sind eine minutiöse Schleimhautpflege sowie regelmäßige Nasale okklusionen (1x tgl. 1-2h) hilfreich. Weiterhin kann eine regelmäßige endonasale Lasertherapie durch einen erfahrenen HNO-Arzt deutliche Linderung verschaffen. Eine einfache Koagulation der endonasalen Herde mittels bipolarer Pinzette sollte aufgrund der Langzeitfolgen für die Nasenschleimhaut und -septum vermieden werden. Bei ausgeprägter Epistaxisneigung können die Nasenklappen mittels "Young's procedure" operativ Verschlossen werden - hierunter sistiert die Epistaxis, jedoch unter Verlust von Nasenatmung und einem Teil des Geruchssinnes.

Kleinere kutane Angiome bzw. evtl. vorhandene Naevi aranei können mit Laser-Behandlung (Argon-, gepulster Farbstoff-Laser) behandelt werden.

Gastrointestinale Malformationen sollten endoskopische mittels Laser, lokaler Sklerosierung oder Argon-Plasma-Beam nach Erfahrung des jeweiligen Zentrums bzw. Endoskopeurs versorgt werden. 

Größere Malformationen insbesondere der Leber und der Lunge sollten ggf. interventionell versorgt werden.

Interne Therapie

Systemtherapien bei HHT zielen auf eine Hemmung der der Erkrankung zu Grunde liegenden Neoangiogenese.

Bisher sind alle innerlichen Therapien bei HHT off-label - eine entsprechende Aufklärung und Dokumentation sind daher unabdingbar. Bis heute ist sämtliche Evidenz eher anekdotischer Literatur, ggf. muss zuvor ein Kostenübernahmeantrag bei den zuständigen Krankenkassen gestellt werden.

  • Bevacizumab (Avastin®) - Zieldosierung 10mg/kg KG alle zwei Wochen. Relativ hohen Therapiekosten stehen vergleichsweise gute Ansprechraten gegenüber.
  • Thalidomid/Lenalidomid - Hier stehen mäßigen Erfolgsraten vergleichsweise hohe Abbrecherquoten (bis 50% im ersten Jahr) entgegen. CAVE: T-Rezepte notwendig.
  • Tacrolimus - Beginn mit 1mg 1x tgl. für eine Woche, anschließend Dosierung nach Serumspiegel (Zielwert 2-3 µg/l). Vergleichsweise geringen Therapiekosten stehen signifikante Verbesserungen von Hb, Anzahl der Blutungen und benötigten Anzahl von EK-Transfusionen sowie relativ geringe Abbrecherquoten (20%) gegenüber.

Verlauf/Prognose

Bei Patienten mit nicht diagnostizierten AV-Malformationen in ZNS oder Gastrointestinaltrakt kann es zu schwersten, teilweise letalen hämorrhagischen Episoden kommen. 1-2% der Patienten entwickeln aufgrund ausgeprägter pulmonaler AV-Shunts eine pulmonale Hypertonie, die unbehandelt ebenfalls regelhaft und rasch letal endet. Bei adäquater Diagnostik, Therapie und Nachsorge ist die Lebenserwartung nicht gegenüber der Normalbevölkerung herabgesetzt.

Literatur

  1. Babington BG (1865) Hereditary epistaxis.The Lancet (London) 2: 362-353
  2. Legg JW (1876) A case of haemophilia complicated with multiple naevi. Lancet 2: 856
  3. Long D, Marshman G (2004) Generalized essential telangiectasia. Australas J Dermatol 45: 67-69
  4. Ocran K et al. (2003) Hereditary hemorrhagic teleangiectasia (Osler-Weber-Rendu disease). Dtsch Med Wochenschr 128: 2593-2597
  5. Osler WB (1901) On a family form of recurring epistaxis, associated with multiple telangiectases of the skin and mucous membranes. Johns Hopkins Hosp Bull 12: 333-337
  6. Rendu M (1896) Epistaxis répétés chez un sujet porteur de petits angiomes cutanés et muqueux.Lancette française: gazette des hôpitaux civils et militaires (Paris) 69: 1322-1323.
  7. Sadick H et al. (2003) Argon plasma coagulation and topically applied estriol. Long-term results in the treatment of hereditary hemorrhagic telangiectasia of the nasal mucosa. HNO 51:118-124
  8. Sutton HG (1864) Epistaxis as an indication of impaired nutrition, and of degeneration of the vascular system. Medical Mirror (London) 1: 769-781

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