Schlafkrankheit B56.-

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles, Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 20.08.2024

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Synonym(e)

African sleeping sickness; Afrikanische Trypanosomiasis; Trypanosomiasis afrikanische

Erstbeschreiber

Atkins, 1734; Winterbottom, 1803; Bruce, 1894; Dutton, 1902; Stephens u. Fantham, 1910

Definition

Die Schlafkrankheit (afrikanische Trypanomiasis) ist eine Infektionskrankhiet durch Protozoen der Gattung Trypanosoma, die durch Tse-Tse-Fliegen auf den Menschen übertragen werden.

Erreger

V.a. Trypanosoma brucei rhodesiense (Ost-und Südafrika) und Trypanosoma brucei gambiense (Zentral- und Westafrika). Hauptreservoir ist der Mensch. Nebenwirte sind versch. Säuger (Hund, Schwein, auch Wildtiere). 

Vorkommen/Epidemiologie

300.000-500.000 Neuerkrankungen/Jahr weltweit (laut WHO-Schätzungen). Prävalenz in Endemiegebieten (insbes. Angola, Kongo, Sudan): 20-50%.

Endemiegebiete: Afrika südlich der Sahara, West- und Zentralafrika (T. b. gambiense), Ostafrika (T. b. rhodesiense).

Schlafkrankheit wird nur selten von Touristen importiert. Die meisten Fälle sind T.rhodesiense-Fälle aus den ostafrikanischen Nationalparks (z.B. aus dem Queen Elisabeth National Park in Uganda).

 

Klinisches Bild

Die Inkubationszeit bei Infektion mit T. rhodesiense dauert 3-21 Tage und variiert bei Infektion mit T. gambiense (Wochen-Jahre). Die Klinik verläuft in 2 Phasen:

  • Stadium I (febril-glandulär): Mäßig schmerzhafter oder schmerzloser, 0,5-5,0 cm großer furunkuloider, entzündlicher Primäraffekt über ca. 1 Woche (Tryponasomenschanker). Evtl. Ausbildung einer zentralen Nekrose. Der Primäraffekt bildet sich innerhalb von 2-3 Wochen mit postinflammatorischer Hyper- oder Depigmentierung wieder zurück.
  • Weiterhin entwicklen sich unregelmäßige Fieberschübe über Monate, regionale oder auch generalisierte Lymphadenopathien, Ödeme, Muskelschwäche, Apathie, Pleuraergüsse, Aszites, Myokarditis. Bei der gefährlichen T. rhodesiense-Infektion kommt es im Stadium der Generalisation auch zur Ausbildung von rumpfbetonten makulo-papulösen auch anulären Exanthemen. Das Exanthem ist flüchtig, rezidivierend, hinterlässt keine Folgeerscheinungen. Die Effloreszenzen (Trypaniden)können auf dunkler Haut natürlich unbemerkt bleiben.   
  • Stadium II (meningeal): 6-12 Monate nach Infektion. Apathie, Charakterveränderungen, Krämpfe, Schlafstörungen, Meningoenzephalitis schließlich Koma und Tod.

 

Diagnose

Mikroskopischer Erregernachweis Stadium I: aus dem Blut (dicker Tropfen, Konzentrationsverfahren) oder bei T. gambiense-Infektion im Lymphknotenpunktat.

Stadium II: Liquor. Wenn die Diagnose einer afrikanischen Trypanosomiasis gestellt wurde, sollte immer eine Liquorpunktion durchgeführt werden, um eine ZNS-Beteiligung ausschließen zu können (bei fehlendem Erregernachweis, jedoch entzündlich verändertem Liquor, sollte eine Therapie entsprechend Stadium II erfolgen).

Nachweis von Antikörpern im Blut (ELISA, IFT, PHA). Für T. gambiense: Kartenagglutinationstest (CATT).

Komplikation(en)

Toxische Enzephalopathie bei Melarsoprol-Therapie bei 2-10% der Behandelten (häufig tödlich).

Therapie

Aufgrund der hohen Toxizität der Medikamente sollte die Therapie immer stationär erfolgen, zudem symptomatisch nach Klinik in Zusammenarbeit mit Neurologen.

Stadium I: Suramin (z.B. Germanin): Initial Injektion einer Testdosis von 2 mg/kg KG (max. 100 mg) Suramin langsam i.v. (zum Ausschluss einer seltenen Idiosynkrasie) applizieren. Anschließend 1 g TD (Kinder 20 mg/kg KG) langsam infundieren an Tag 1, 3, 7, 14 und 21.

Alternativ: Pentamidindiisethionat (z.B. Pentacarinat): 4 mg/kg KG/Tag i.m. oder 2-3 mg/kg KG/Tag i.v. für mind. 5, max. 10 Tage. Empfehlenswert v.a. bei Infektion mit T. gambiense.

Stadium II: Melarsoprol (Arsenpräparat; häufig Herxheimer-Reaktion u. toxische Enzephalopathien!) 3mal 0,6-1,2 mg/kg KG/Tag über 3 Tage, Wiederholung nach 10-21 Tagen. Vorbehandlung mit Suramin ist empfohlen.

Alternativ: (nur wirksam bei Infektion mit T. gambiense): Eflornithin 4mal 50-75 mg/kg KG/Tag i.v. über 6 Wochen.

Prophylaxe

Meiden von Tse-tse-verseuchten Endemiegebieten (z.B. Flussläufe oder Savannen). Vektorbekämpfung (Vernichtung von Insekten), Vermeidung von Tsetse-Fliegenstichen durch das Tragen von entsprechender Kleidung (Tsetsefliegen fliegen bevorzugt dunkle Farben an) und der Benutzung von Insekten- Repellents (z.B. Icaridin, Zanzarin) bzw. Insektiziden. Es sollte besonders darauf geachtet werden, dass sich im Auto keine Tsetsefliegen aufhalten (Stich von Tse-tse-Fliegen erfolgt meist tagsüber).

Keine Chemoprophylaxe (aufgrund der potentiellen Toxizität der Medikamente, Resistenzentwicklung sowie wegen einer möglichen Unterdrückung klinischer Symptome bei vermindert empfindlichen Trypanosomenstämmen abzulehnen)!

Hinweis(e)

Das APOL1-Gen kodiert für das Protein Apolipoprotein L1 (APOL1), das hauptsächlich an HDL-Partikel gebunden zirkuliert. Diese zirkulierende Fraktion von APOL1 verleiht Resistenz gegen Trypanosomiasis, indem sie infizierende Trypanosomen der Spezies Trypanosoma brucei, in Afrika endemische Trypanosomenparasiten, schnell lysiert. APOL1 ist somit ein angeborener Immuneffektor, der den Menschen vor einer Infektion durch einige Trypanosomenparasiten schützt.

Die bahnbrechende Entdeckung, dass genetische Variationen im APOL1-Gen mit nicht-diabetischen Nierenerkrankungen bei Menschen afrikanischer Abstammung assoziiert sind, hat zur Untersuchung der biologischen Mechanismen geführt, die dieser Assoziation zugrunde liegen (O'Toole JF et al. 2017). Es wird vermutet, dass die hohe Allelhäufigkeit dieser Varianten auf die Resistenz zurückzuführen ist, die sie gegen die krankheitsverursachende Trypanosomenart verleihen, die an der Afrikanischen Schlafkrankheit des Menschen beteiligt ist. Menschen afrikanischer Abstammung haben ein erhöhtes Risiko, an einer Nierenerkrankung zu erkranken, was hauptsächlich auf zwei Varianten im Apolipoprotein L1 (APOL1)-Gen zurückzuführen ist, die nur bei Menschen westafrikanischer Herkunft vorkommen. Es wird vermutet, dass diese Varianten genetisch dominiert, weil sie einen Schutz gegen die Afrikanische Schlafkrankheit bieten (Tzur S et al. 2010

Literatur
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  1. Atkins J (1734) The navy surgeon or a practical system of surgery. Caesar Ward and Richard Chandler, London
  2. Bruce D (1915) Croonian lectures. Br Med J 1: 1073-1078
  3. Docampo R et al. (2003) Current chemotherapy of human African trypanosomiasis. Parasitol Res 90(Suppl1): S10-13
  4. Bastidas G et al. (2016) Human African trypanosomiasis diagnosis by peripheral blood smear review in a Spanish traveler. Blood 127:167.
  5. Dutton JE (1902) Preliminary note upon a trypanosome occurring in the blood of man. Thompson Yates Lab Rep 4: 455-468
  6. Jones J (2000) African sleeping sickness returns to UK after four years. BMJ 321: 1177
  7. Milford F et al. (1992) Efficacy and toxicity of eflornithine for treatment of trypanosoma brucei gambiense sleeping sickness. Lancet 340: 652-655
  8. O'Toole JF et al. (2017) The Cell Biology of APOL1. Seminars in nephrology 37: 538-545.

  9. Pays E et al. (2014) The molecular arms race between African trypanosomes and humans. Nat Rev Microbiol 12:575–584.

  10. Ripamonti D et al. (2002) African sleeping sickness in tourists returning from Tanzania: the first 2 Italian cases from a small outbreak among European travelers. Clin Infect Dis 34: E18-22

  11. Stephens JWW, Fantham HB (1910) On the peculiar morphology of a trypanosome from a case of sleeping sickness and the possibility of its being a new species (T. rhodesiense). Proc R Soc London Ser B 83: 28-33
  12. Tzur S et al. (2010) Missense mutations in the APOL1 gene are highly associated with end stage kidney disease risk previously attributed to the MYH9 gene. Hum Genet 128:345–350.

  13. Wamwiri FN et al. (2016) Tsetse Flies (Glossina) as Vectors of Human African

  14. Trypanosomiasis: A Review. Biomed Res Int doi:
    10.1155/2016/6201350.
  15. Winterbottom TM (1803) An account of the native Africans in the neighbourhood of Sierra Leone to which is added an account of the present state of medicine among them. C. Whittingham, London, Vol. 2, S. 29-31

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