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Mycobacterium-fortuitum-KomplexA31.9
Synonym(e)
Definition
Hautinfektionen durch Erreger des Mycobacterium fortuitum-Komplex.
Der Mycobacterium fortuitum-Komplex (MFC) besteht aus mehreren, eng verwandten, schnell wachsenden Arten nichttuberkulöser Mykobakterien (NTM). Die Erreger können weltweit pulmonale und extrapulmonale Infektionen beim Menschen verursachen. Vertreter dieser Gruppe sind:
- M. abscessus
- M. fortuitum
- M. chelonae.
Erreger des Mycobacterium fortuitum-Komplexes gehören neben den Erreger des Mycobacterium avium-intracellulare Komplexes und neben dem Mycobacterium marinum zu den häufigen nichttuberkulösen Mykobakterien (NTM), die beim Menschen keine Tuberkulose- oder Lepra-Erkrankung hervorrufen (Sander MA et al. 2018). Eine wichtige Rolle spielen Erreger des Mycobacterium fortuitum-Komplexes bei Immunsupprimierten, bei denen sie zu Haut-, Weichteil- und Systemmanifestationen führen können.
Die Infektion mit den Erregern erfolgt nach Bagatelltraumen, aber auch nach medizinischen Eingriffen (Injektionen, Verweildauerkanülen, Liposuktion, Tätowierungen, Akupunktur u.a (Gracia-Cazaña T et al. 2017). Auch nach Face-Lift-Operationen wurden Mycobacterium fortuitum-Infektionen beobachtet (Chazan B et al. 2018).
Systemische Infektionen sind auch über kontaminiertes Leitungswasser möglich, da versch. NTMs in Wasserleitungen zu Biofilmbildung in der Lage sind (García-Coca M et al. 2019).
Klinisches Bild
Bei einer kutanen Infektion mit Mycobacterium fortuitum kommt es oft zu, lokal begrenzten, livid-roten schmerzenden Plaques und/oder zu ulzerierten oder verkrusteten Knoten (Franco-Paredes C et al. 2018).
Bei immunsupprimierten Patienten kann es zu disseminierten Infektionen mit Lymphadenitis (Hernández-Solís A et al. 2019), Osteomyelitis, Pneumonie und Sepsis führen.
In einem größeren Kollektiv von nicht-immunsupprimierten Patienten mit Pneumonien spielte M. fortuitum, neben anderen nicht-tuberkulösen Mykobakterien (atpische Mykobakterien), eine bedeutende Rolle.
Nachweisbar waren folgende Spezies:
- Mycobacterium kansasii (23.3%)
- M. fortuitum (16.6%)
- M. novocastrense (16.6% )
- M. chelonae (10.0%)
- M. gordonae (6.6%)
- M. gadium (6.6%)
- M. peregrinum (3.3%)
- M. porcinum (3.3%)
- M. flavescens (3.3%). (Gharbi R et al. 2019)
Diagnose
Zu untersuchendes Material kann je nach Befall aus der Wunde oder einem Abszess gewonnen werden. Der Nachweis der Erreger erfolgen mittels Ziehl-Neelsen-Färbung, PCR (Antigen-Nachweis) und Kultur (Löwenstein-Jensen-Agar). Die Erreger gehören zu den schnellwachsenden Mykobakterien und sind bereits nach 3-7 Tagen kulturell nachweisbar.
Therapie
Je nach Spezies sind verschiedene Therapieansätze möglich. Aufgrund der starken Antibiotikaresistenz (Shen Y et al. 2018) wird auf Makrolide wie Clarithromycin oder Azithromycin zurückgegriffen, wobei diese z.B. mit Ethambutol kombiniert werden.
Auch Fluorochinolone wie Ciprofloxacin können eingesetzt werden.
Häufig wird eine Doppelantibiose durchgeführt (z.B. Clarithromycin +Doxycyclin oder Cotrimoxazol).
Bemerkung: In jedem Fall sollte eine Resistenzprüfung vorhandener Isolate durchgeführt werden (Shen Y et al. 2018).
Operative Therapie
Nicht ganz selten ist (auf Grund der Resistenzlage) eine chirurgische Behandlung, die einzige Möglichkeit, Infektionen mit Erregern des Mycobacterium-fortuitum-Komplexes zu kurieren.
Fallbericht(e)
Eine komplexe Hautinfektion mit Mycobacterium fortuitum wird bei einem zuvor gesunden jugendlichen Mädchen beschrieben.
Mycobacterium fortuitum verursachte im vorliegenden Fall oberflächliche, krustige Plaques und Knoten, teils in sporotrichoider Anordnung, die sich etwa 4 Wochen nach einem (banalen) Trauma der Haut des Unterschenkels einstellten. Es erfolgte eine Biopsie in der suppurative und nekrotisierende Granulome mit Riesenzellen nachweisbar waren. Aus dem Biopsiematerial wurde eine Kultur angelegt mit Nachweis von M. fortuitum.
Ther: Aufgrund der Größe und Anzahl der Läsionen wurde eine chirurgische Therapie zugunsten einer Chemotherapie verworfen. Der chemotherapeutische Standardansatz für M. fortuitum-Infektionen umfasst die Verwendung einer Kombination von mindestens zwei antimikrobiellen Wirkstoffen, gegen die das Isolat empfindlich ist. Trotz In-vitro-Empfindlichkeitstests, die darauf hindeuteten, dass das Isolat der Patientin gegen die meisten antimikrobiellen Wirkstoffe resistent war, konnte die Patientin erfolgreich mit einer oralen Trimethoprim-Sulfamethoxazol/Azithromycin-Kombination behandelt werden (Therapiedauer 3 Monate).
Literatur
- Chazan B et al. (2018) Post-Facelift Infection Due to Mycobacterium Fortuitum: A Case Report. Isr Med Assoc J 20:524-525.
- Franco-Paredes C et al. (2018) Cutaneous Mycobacterial Infections. Clin Microbiol Rev 32. pii: e00069-18. doi: 10.1128/CMR.00069-18.
- Gharbi R et al. (2019) Nontuberculous mycobacteria isolated from specimens of pulmonary tuberculosis suspects, Northern Tunisia: 2002-2016. BMC Infect Dis 19:819.
- Gracia-Cazaña T et al. (2017) Mycobacterium fortuitum infection after acupuncture treatment. Dermatol Online J 23(9). pii: 13030/qt0572r5qp.
- García-Coca M et al. (2019) Inhibition of Mycobacterium abscessus, M. chelonae, and M. fortuitum biofilms by Methylobacterium sp.J Antibiot (Tokyo) doi: 10.1038/s41429-019-0232-6
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Griffith DE et al. (2007) Am J Respir Crit Care Med 175: 367-416.
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Hernández-Solís A et al.(2019) Nontuberculous mycobacteria in cervical lymphadenopathies of HIV positive and HIV-negative adults. Rev Med Inst Mex Seguro Soc 56:456-461.
- Sander MA et al. (2018) Cutaneous Nontuberculous Mycobacterial Infections in Alberta, Canada: An Epidemiologic Study and Review. J Cutan Med Surg 22:479-483.
- Shen Y et al. (2018) In Vitro Susceptibility of Mycobacterium abscessus and Mycobacterium fortuitum Isolates to 30 Antibiotics. Biomed Res Int:4902941.
- https://journals.asm.org/doi/10.1128/AAC.02331-18