Leishmaniasis mukokutane B55.2

Autoren: Prof. Dr. med. Peter Altmeyer, Prof. Dr. med. Martina Bacharach-Buhles

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Zuletzt aktualisiert am: 18.12.2024

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Synonym(e)

Espundia; Mucocutaneous Leishmaniasis; Mucocutaneous Leishmaniosis; Mukokutane Leishmaniasis; Mukokutane Leishmaniose

Definition

Chronische, therapieresistente Leishmaniose der Haut und angrenzenden Schleimhäute durch lympho- oder hämatogene Ausbreitung der Erreger. Möglicherweise wird die Schleimhautbeteiligung durch eine Immunsuppression ausgelöst oder gefördert. Die Schleimhautläsionen treten noch während der kutanen Symptomatik oder nach einem mehrjährigen klinischen Intervall auf.   

Erreger

Häufig isolierte Erreger der mukokutanen Leishmaniasis (s.unter Leishmania) :

Leishmania brasiliensis (S.a.u. südamerikanische Leishmaniasis).

Leishmania mexicana, L.braziliensis, L.amazonensis, L. peruvia, L.panamensis. S.a.u. südamerikanische Leishmaniasis mit den verschiedenen klinischen Varianten).

Vereinzelt kann die mukokutane Leishmaniasis auch in der Alten Welt auftreten. Sie wird dann durch L. infantum, L.tropica und L. major übertragen. In diesen Fällen besteht meist ein immunsupressiver Zustand (immunsuppressive Therapeutika, HIV u.a.). 

Vektoren: Leishmanien werden durch Sandmücken übertragen, in der Alten Welt durch Phlebotomus spp., in der Neuen Welt durch Lutzomyia-Arten. Sandmücken leben an dunklen und feuchten Orten und können sich im Biotop nur 20-50 m von ihrer Brutstätte entfernen. Die Sandmücken der Neuen Welt fliegen nicht besonders hoch und stechen daher ihr Opfer meist in Bodennähe (z.B. Unterschenkel). Aufgrund ihrer biologischen Anpassungsfähigkeit sind sie in Tropen, Subtropen, Wüsten, Regenwäldern und Hochebenen verbreitet. Stechen nicht infizierte Sandmücken einen infektiösen Wirt, werden die Amastigoten während des Blutsaugens aufgenommen und in der Mücke in eine begeißelte Promastigote umgewandelt. Diese gelangt nach Teilung in den Saugrüssel des Insekts. Sticht die Mücke nun erneut, gelangt der Erreger in den neuen Organismus. Dort wird der promastigote Erreger wieder von phagozytierenden Zellen aufgenommen, in denen die Umwandlung (Metamorphose) in die amastigote Form stattfindet. Nach intrazellulärer Replikation erfolgt die Freisetzung der Leishmanien unter Ruptur der Wirtszellen (Fischer T et al. 2024).

Pathophysiologie

Sobald der Mensch infiziert ist, greift die T-Zell-abhängige Immunantwort. Hierbei existieren Patienten mit einer starken Th1-Reaktion, die durch eine TypIV-Hyperreaktiviät und hohe Interferon-gamma Expression gekennzeichnet ist. Konsekutiv folgt eine kräftige Aktivierung von Makrophagen, die reaktive Sauerstoffspezies und Stickstoffmonoxid bilden. Leishmanien werden dadurch attackiert und abgetötet.  Andererseits jedoch existieren Patienten bei denen diese T-Zell-Reaktivität vermindert oder völlig ausfällt. Sie reagieren stattdessen mit einer hohen humoralen Immunantwort, mit hohen Antikörperspiegeln, sind aber nicht in der Lage die Parasitenlast zu kontrollieren. Eine mukokutane Leishmaniasis entwickelt sich über ein „inkompetente“ überschießende T-Zell-Reaktion mit vermehrter Ausbildung CD8+ T-Zellen. Diese weisen ein zytolytisches Profil auf und lysieren infizierte Zellen, ohne die Parasiten abzutöten, was zu einer verstärkten Entzündung und einem schwereren Krankheitsverlauf führt. Die Folge ist eine massive Gewebezerstörung mit den klinisch nachweisbaren Defekten. Insofern wäre die Kontrolle dieser pathogenen CD8+ T-Zellen oder der von ihnen induzierten nachgeschalteten Entzündungsmediatoren ein neuer Ansatz für die Immuntherapie der Leishmaniose. Derzeit existiert kein Impfstoff gegen Leishmania. Ein Hindernis besteht darin, dass die wirksamsten T-Zellen kurzlebige Effektor-T-Zellen sind (Scott P et al. 2016).

Klinisches Bild

Häufig ist Epistaxis (durch die frühe Beteiligung des Nasenseptums) das erste klinische Zeichen der mukokutanen Progression der Erkrankung. Erste Hautveränderungen werden zwischen Oberlippe und Nasenseptum gefunden. Es kommt zu zunächst rezidivierenden, später persistierenden Anschwellungen von Lippen und Nase, die sich im Laufe von Monaten fibrös verfestigen. Auffällig sind wulstig verfestigte Oberlippen (facies leishmaniotica); weiterhin Rötungen und unförmige Anschwellungen der Nasenspitze (Tapirnase).

Bei der primär ulzerierenden Form der mukokutanen Leishmaniose (auch als Espundia bezeichnet) kommt es zu rasch fortschreitenden Gewebedestruktionen mit rascher Zerstörung des Nasenseptums und Deformierungen der Nase; Destruktionen der  Oberlippe möglich. 

Die Destruktionen können auf Nasen-Rachenraum übergreifen mit Zerstörungen des Gaumens und der Zunge. Einbeziehungen von Larynx, Pharynx und Trachea führen zu entspr. komplikativen Sekundärprozessen wie Heiserkeit, Schluckbeschwerden, Verlegung der oberen Luftwege. Todesursache ist häufig eine Aspirationspneumonie.

Interne Therapie

  • Antimonpräparate (Antimon = Stibium = Sb/Natriumstibogluconat): Grundsätzlich Mittel der Wahl bei Infektionen mit Leishmania brasiliensis! Natrium-Stibogluconat (z.B. Pentostam®) enthält 10% Stibium (100 mg/ml); Megluminantimonat (z.B. Glucantime) enthält 8,5% Stibium (85 mg/ml). Dosierung: 20 mg/kg KG/Tag i.m. (schmerzhaft) oder langsam (10-20 Min.) über kleinkalibrige Nadel i.v. Cave! Venöse Thrombose! Bei der i.v. Gabe soll das Medikament in 50 ml 5% Glukose gelöst werden. Therapiedauer: 20 Tage bei kutanen Formen und 28-30 Tage bei mukokutanen Formen. Bei Auftreten toxischer Nebenwirkungen Dosis um 2 mg/kg KG Sb reduzieren. Eine klinische Abheilung tritt vielfach erst 4-6 Wochen nach Behandlungsende ein. Einzelne unkomplizierte Leishmanioseherde können auch intraläsional behandelt werden (1-3 ml der unverdünnten Lösung vom Rande aus in die Läsion applizieren! Prozedur 1-2 mal/Woche durchführen. Therapiedauer: je nach Akuität der Läsion 3-6 Wochen. Cave! Schmerzhaftigkeit, Toxizität für Herz und Leber!
  • Pentamidindiisethionat (z.B. Pentacarinat®): Therapie der Wahl für die diffuse kutane Leishmaniose sowie bei Therapieversagen der mukokutanen Formen. Dosierung: 4 mg/kg KG/Tag i.m. 1mal/Woche über mind. 4 Monate. Neuere Studien belegen auch eine Wirksamkeit bei kutaner Leishmaniose in einer niedrigen Dosierung von 2 mg/kg i.m. jeden 2. Tag bis zu einer Gesamtzahl von 7 Injektionen.
  • Liposomales Amphotericin B (z.B. Ambisome®): Medikament der 2. Wahl, wenn pentavalentes Antimon kontraindiziert oder ineffektiv ist. ED: 0,5-1,0 mg/kg KG, jeden 2. Tag, insgesamt 20 Dosen.
  • Ketoconazol (z.B. Nizoral): Mittel der Wahl bei Infektion durch Leishmania mexicana, Leishmania panamensis und Leishmania major. Nicht oder unzureichend wirksam bei Leishmania brasiliensis, Leishmania tropica und Leishmania aethiopica. Dosierung: 600 mg/Tag (abends) über 4 Wochen.
  • Fluconazol (z.B. Diflucan®): In Studien sehr wirksam bei Infektion mit L. major. Dosierung: 1mal/Tag 200 mg p.o. über 6 Wochen
  • Miltefosin (Impavido®): Erwachsene und Kinder ab 3 LJ: 1,5-2,5 mg/kg KG/Tag über 28 Tage. Max. TD: 150 mg. Bei immungeschwächten Pat.  (HIV-Infizierte) ist evtl. eine längere Behandlung erforderlich. Vielversprechend sind auch die Therapieerfolge bei der kutanen Leishmaniose der Neuen Welt. Die Zulassung für diese Indikation ist in Pakistan und Kolumbien beantragt. Neuere Berichte wiesen daraufhin, dass Miltefosin auch bei der kutanen L. der Alten Welt erfolgreich eingesetzt werden kann.

Literatur
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  1. Boggild AK et al. (2019)  Cutaneous and Mucocutaneous Leishmaniasis in Travelers and Migrants: A 20-year GeoSentinel Surveillance Network Analysis. J Travel Med pii: taz055.
  2. Fischer T et al. (2024)Behandlung der mukokutanen Leishmaniose- eine systematische Übersicht. JDDG 22:763-774

  3. Handler MZ et al. (2015) Cutaneous and mucocutaneous leishmaniasis: Clinical perspectives. J Am Acad Dermatol 73:897-908; quiz 909-10.
  4. Handler MZ et al. (2015) Cutaneous and mucocutaneous leishmaniasis: Differential diagnosis, diagnosis, histopathology, and management.J Am Acad Dermatol 73:911-926; 927-928.
  5. Scott P et al. (2016) Cutaneous leishmaniasis: immune responses in protection and pathogenesis. Nat Rev Immunol 16:581-592.

  6. Tejura N et al. (2019) Case Report: Mucocutaneous Leishmaniasis Masquerading as Idiopathic Midline Granulomatous Disease. Am J Trop Med Hyg 101:1107-1110.

 

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