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KatzenkratzkrankheitA28.10
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Parinaud, 1889; Petzetakis, 1935; Debré, 1950; Mollaret, 1950;
Diane Hensel aus Oklahoma isolierte 1990 erstmals den Erreger, der dann auch ihren Namen bekam.
Definition
Weltweit vorkommende, bakterielle Infektionskrankheit mit akutem oder subakutem Verlauf und spontaner Abheilung, die zu den Bartonellosen gezählt wird. Inokulation des Erregers häufig durch Katzenkratzer oder -bisse.
Erreger
Bartonella spp. (gramnegative, pleomorphe, teils gerade, teils gekrümmte, schlanke, monotrich begeißelte Stäbchenbakterien, die sich genomisch unterscheiden). Das natürliche Erregerreservoir der Bakterien ist vermutlich Oberflächenwasser (typischer Feucht- und Pfützenkeim).
Vorkommen/Epidemiologie
Ätiopathogenese
Infektion mit Bartonella (früher Rochalimaea) henselae (kleine pleomorphe Bakterien). Afipia felis wird in <5% der Fälle nachgewiesen.
Pathogenetisch kommt es zu einer Infektion mit kutan-lymphonodärem Primärkomplex durch exogene Inokulation, insbesondere durch Katzenkratz- oder -bissverletzungen. Eine Infektion ist aber auch durch Floh- und Zeckenstich möglich.
Befallene Zielzellen (Endothelzellen) induzieren Freisetzung von Wachstumsfaktoren (z. B. VEGF: vascular endothelial growth factor), die zur Endothelzellproliferation führen.
Manifestation
Lokalisation
Klinisches Bild
Inkubationszeit meist 10 Tage (3-60 Tage).
Allgemeinsymptome: Subfebrile Temperaturen oder Fieber, Kopf-, Muskel- und Gelenkschmerzen, Müdigkeit, Appetitlosigkeit; generalisierte Lymphadenopathie, Splenomegalie.
Integument: Unscheinbarer Primäraffekt an der Eintrittspforte des Erregers: Entzündlich gerötetes, geschwürig zerfallendes Knötchen. Nach ungefähr 6 Wochen Lymphknotenvergrößerung im Lymphabflussgebiet, selten Einschmelzung und Perforation des betreffenden Lymphknotens = Primärkomplex.
Fakultativ: Skarlatiniforme, morbilliforme, makulopustulöse Exantheme, evtl. Erythema exsudativum multiforme, Erythema nodosum. Inkonstant auch makulo-papulöse, nodöse oder multiforme Exantheme.
Ektopische und atypische Verlaufsformen: Mund- und Rachenbeteiligung mit akuter Tonsillitis und Fieber, Halslymphknotenschwellung und gelegentlich Retropharyngeal- und Peritonsillarabszessen.
Konjunktivale (okulo-glanduläre) Form (Parinaud-Syndrom): Einseitige (follikuläre) Konjunktivitis und indolente ipsilaterale präaurikuläre Lymphadenitis und Fieber.
Mesenteriale Form: Adenitis mesenterica, granulomatöse abszedierende Hepatitis und Splenitis.
Thorakale Form: Mediastinale Lymphknotenschwellung.
Histologie
(Primärläsion und Lymphknoten): Fokale Nekrosen mit neutrophilen Abszessen und umgebender granulomatöser Reaktion. Später tuberkuloide Granulome mit sternförmiger verkäsender Nekrose.
Whartin-Starry-Silberimprägnierung und Gewebs-Gram-Färbung nach Brown-Hopps: pleomorphe, kommaförmige bis kokkoide gramnegative Bakterienhaufen.
Diagnose
Klinik, Histologie (Haut oder Lymphknoten), PCR-Diagnostik (Serum, Haut), ELISA (Serum).
Kultur aus Hautabstrichen: B. henselae zeigt gutes Wachstum auf anaeroben Blutagar- und Schokoladeplatten. Dort wachsen kleine, nicht-hämolytische, raue, trockene, gelbe bis graue Kolonien.
Differentialdiagnose
Tularämischer Primärkomplex; venerische Infektion; Aktinomykose der Haut; tuberkulöser Primärkomplex; Brucellose; Sporotrichose; Infektion mit nicht-tuberkulösen (früher: "atypischen") Mykobakterien;
Komplikation(en)
Auftreten können u.a. Enzephalitis, Enzephalomyelitis, Neuritis, Neuroretinitis mit akuter Amaurose, Pneumonie, Splenomegalie, osteolytische Veränderungen, Thyreoiditis, Glomerulonephritis, generalisierte Lymphknotenschwellungen.
Lebensbedrohliche Verlaufsformen mit skarlatiformen oder morbilliformen Exanthemen (s.Abb.) können bei immunupprimierten Patienten auftreten.
Therapie
In der Regel Spontanheilung, ggf. Erythromycin (z.B. Erythromycin Filmtbl.) 3-4mal/Tag 500 mg p.o. oder Ciprofloxacin (z.B. Ciprobay) 2mal/Tag 500 mg p.o. über einen Zeitraum von 10-14 Tagen.
Bei immunsupprimierten Patienten empfiehlt sich eine intravenöse Theapie mit 2x1g Erythromycin über 3 Wochen.
Alternativ Cotrimoxazol (z.B. Eusaprim) 2mal/Tag 2 Tbl. p.o., evtl. in Kombination mit Doxycyclin 2mal/Tag 100-200 mg p.o.
Externe Therapie
Antiseptische Umschläge, z. B. mit Chinolinol, Kaliumpermanganat oder mit synthetischen Gerbstoffen (z. B. Ethacridinlactat/Tannolact®).
Verlauf/Prognose
Hinweis(e)
Eine besondere Manifestationsform stellt das okuloglanduläre Parinaud-Syndrom dar. Hierbei findet die Inokulation an der Bindehaut statt. Klinisch imponieren konjunktivale Granulome sowie eine präaurikuläre Adenopathie (Domínguez I et al. 2019).
Fallbericht(e)
Einseitige Lymphadenitis bei Katzenkratzkrankheit
Bartonella henselae ist ein relativ seltener Erreger, der ursächlich für eine schwer verlaufende disseminierte Infektionserkrankung bei immungeschwächten Patienten sein kann.
Ein 76-Jähriger Mann mit stabiler chronischer lymphatischer Leukämie (CLL), stellte sich mit einer rechtsaxillären, mäßig schmerzenden Lymphadenitis vor. Gleichzeitig klagte er über Allgemeinbeschwerden wie: Fieber (bis 38,5C°), Müdigkeit und Kopfschmerzen. Vorausgegangen war ein Katzenbiss am ipsilateralen Finger.
Sonographisch stellte sich eine unregelmäßige, umschriebene 5 cm x 4 cm große, echoarme Masse mit diskretem Blutfluss vor.
Lymphknotenbiopsie: Feingeweblich zeigte sich eine granulomatöse Entzündung mit zentraler Nekrose. Antikörpernachweis von Bartonella-Antigen mittels PCR.
Labor: Unspezifische Erhöhung der Entzündungswerte (CRP↑ Leukozytose) nachweisbar.
Der Patient wurde mit diagnostizierter Katzenkratzkrankheit mit Erythromycin 1g/2x/Tag i.v. über 3 Wochen eingestellt. Dadurch konnte eine komplette Abheilung erreicht werden.
Dieser Fall unterstreicht die klassische Darstellung dieser seltenen Krankheit in einem immungeschwächten Patienten mit Katzenberührung. Früher Antibiotika-Einsatz sollte bei als gefährdet angesehenen Patienten frühzeitig erfolgen.
Literatur
- Balakumar A et al. (2019) Isolated Axillary Lymphadenitis Due to Bartonella Infection in an Immunocompromised Patient. Cureus. 2019 Aug 21;11:e5456.
- Brenner DJ et al. (1991) Proposal of Afipia gen. nov., with Afipia felis sp. nov. (formerly the cat scratch disease bacillus). J Clin Microbiol 29: 2450-2460
- Debré R et al. (1950) Le maladie des griffes de chat. Bull med Soc Hôp Paris 66: 76-79
- Dolan ML et al. (1993) Syndrome of Rochalimaea henselae adenitis suggesting cat scratch disease. Ann Intern Med 118: 331-336
- Domínguez I et al. (2019) Isolated conjunctival granuloma as a first manifestation of Parinaud's
- oculoglandular syndrome: A case report. Am J Ophthalmol Case Rep 14:58-60.
- Gonzalez BE et al. (2003) Cat-scratch disease occurring in three siblings simultaneously. Pediatr Infect Dis J 22: 467-468
- Mirakhur B et al. (2003) Cat scratch disease presenting as orbital abscess and osteomyelitis. J Clin Microbiol 41: 3991-3993
- Mollaret P et al. (1950) Sur une adénopathie régionale subaiguë et spontanément curable, avec intradermo-réaction et lésions ganglionnaires particulières. Bull méd Soc Hôp Paris 66: 424-449
- Parinaud H (1889) Conjonctivite infectieuse transmise par les animaux. Ann Oculistique 101: 252-253
- Petzetakis M (1935) Monoadénite subaiguë multiple de nature inconnue. Soc méd Athènes, Sitzg v 16. 3. 1935, S 229
- Rolain JM et al. (2003) Cat scratch disease with lymphadenitis, vertebral osteomyelitis, and spleen abscesses. Ann N Y Acad Sci 990: 397-403
- Wear DJ, Margileth AM, Hadfield TL et al. (1983) Cat scratch disease: A bacterial infection. Science 221: 1403-1405
- Welch DF et al. (1992) Rochalimaea henselae sp. nov., a cause of septicemia, bacillary angiomatosis, and parenchymal bacillary peliosis. J Clin Microbiol 30: 275-280