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AktinomykoseA42.9
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Israel 1878; Bollinger 1877
Definition
Weltweit auftretende, seltene (in den Industrieländern stetig abnehmende), endogene (meist nach zahnärztlichen Eingriffen), bakterielle (Misch-)Infektionskrankheit durch einen in der physiologischen Mundhöhlenflora vorkommenden fakultativ pathogenen Erreger (Actinomyces israelii) der im Zusammenhang mit symbiontischen Begleitbakterien die Infektion bewirkt.
Erreger
Anaerobe, grampositive und Grocott-positive Erreger, v.a. Actinomyces israelii, seltener Actinomyces naeslundi und Actinomyces radingae; auch Actinomyces bovi kommt in Einzelfällen beim Menschen vor. Stets Mischinfektion (Staphylokokken, Streptokokken, Pseudomonas aeruginosa, Fusobakterien u.a.). Actinomyces israelii ist ein Keim der normalen Standortflora bei Mensch und Tier und kommt v.a. im Mund-Rachen-Raum vor.
Einteilung
Nach Lokalisation der Manifestationen unterscheidet man 3 Formen:
- Zervikofaziale Aktinomykose: ca. 80-85% aller Fälle.
- Thorakale Aktinomykose: ca. 13-15% aller Fälle.
- Abdominale Aktinomykose: ca. 3% aller Fälle
- Sonstige (s. Kasuistik)
Vorkommen/Epidemiologie
Weltweites Auftreten. Sie tritt bei der Landbevölkerung häufiger auf als bei der Stadtbevölkerung. In Entwicklungsländern häufiger anzutreffende, in Industrieländern durch häufigeren Antibiotikaeinsatz sehr selten gewordene Infektion.
m:w=3:1;
Manifestation
Lokalisation
Meist in den Weichteilen der Gesichts-und Halsregion (zerviko-faziale Form); auch Thorax (thorakale Form), Abdomen (abdominelle Form), Armen oder Gesäß.
Klinisches Bild
Inkubationszeit: etwa 4 Wochen
Die Infektion breitet sich häufig von der Tiefe der Unterkiefer zur Haut hin aus. Fieber und Lokalschmerz können Begleitsymptome sein.
An der Haut (seltener an der Schleimhaut: Befund der Makroglossie) und dem Tiefengewebe zeigen sich brettharte, blau-rote, infiltrierte Indurationen und Knoten mit Tendenz zu Ulzeration oder Einschmelzung mit Fistelneigung und ausgeprägter Narbenbildung. Häufig Verwachsungen im Umgebungsgewebe. In dem austretenden Eiter lassen sich bereits makroskopisch erkennbare, 0,2-0,5 cm große, unregelmäßig geformte, gelbliche, feste Körner ( Drusen) erkennen. Keine Spontanheilungstendenz.
Histologie
Diagnose
Klinik, Histologie aus einer tiefen Exzisionsbiopsie (Stanzbiopsien sind bzgl. ihrer Tiefe nicht ausreichend), Nachweis von Drusen in Abstrichen aus Fisteleiter in Gramfärbung, Anzucht des Erregers aus Abstrichen oder aus Biopsat und Resistogramm (zunehmende Antibiotikaresistenz!), Nachweis des Erregers durch PCR.
Differentialdiagnose
Tuberkulöse Abszesse
syphilitische Gummen
chronische Pyodermie
Dentogene Fisteln
Osteomyelitis
Mundbodenphlegmone.
Bei Sitz am Gesäß: Acne conglobata bzw. Hidradenitis suppurativa
Komplikation(en)
Therapie
Interne Therapie
Antibiotika-Therapie über Wochen oder Monate.
- Medikament der 1. Wahl ist Penicillin G: Benzylpenicillin (z.B. Penicillin Grünenthal) initial als Kurzinfusion 2mal/Tag 10 Mio. IE i.v. über mindestens 4-6 Wochen. Anschließend Phenoxypenicillin (z.B. Baycillin Mega) 2-5 Mio. IE/Tag p.o. über 4-6 Monate oder Benzathinpenicillin (z.B. Tardocillin 1200), 2 Ampullen i.m. alle 4 Wochen.
- Alternativ Ampicillin (z.B. Binotal) 4mal/Tag 0,5-1,0 g p.o. oder 100-150 mg/kg KG/Tag i.v. über mindestens 4-6 Wochen.
- Alternativ: Cephalosporin zur parenteralen Anwendung wird speziell Cefoxitin (z.B. Mefoxitin) 3-4mal/Tag 1,0-2,0 g i.v. wegen seines breiten Spektrums und der speziellen Anaerobierkomponente empfohlen.
- Alternativ: Tetracycline (z.B. Tetracyclin-ratiopharm) 3-4mal/Tag 0,5 g p.o. über 4-6 Wochen oder Lincomycin (z.B. Albiotic) 3-4mal/Tag 500 mg p.o. bzw. 3-4mal/Tag 600 mg/Tag i.v.
- Bei Mischinfektionen mit Staphylokokken oder anderen Anaerobiern verwendet man zusätzlich Flucloxacillin (z.B. Staphylex Kps.) 3-4mal/Tag 0,5-1,0 g p.o., i.m. oder i.v. Alternativ kann Clindamycin (z.B. Sobelin) 3-4mal/Tag 300 mg p.o. oder 3-4mal/Tag 600 mg i.v. appliziert werden.
- Bei Therapieresistenz empfiehlt es sich, den Erreger anzuzüchten und Resistogramm-adaptiert zu therapieren.
Operative Therapie
Verlauf/Prognose
Hochchronischer Verlauf; keine Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens; die brettharten Infilrate und die Osteomyelitis führen jedoch zu eingezogenen und entstellenden Narben. Die zervikale Aktinomykose hat bei rechtzeitiger Diagnose und suffizienter Therapie eine günstige Prognose (Jeong YJ et al. 2017).
Fallbericht(e)
Bei einem 44-jährigen Patienten entwickelte sich seit über einem halben Jahr nach einem leichten Hundebiss eine weitgehend symptomlose, 3x2cm große, rote, exulzerierte Induration an der Außenseite des rechten Oberarms. Im Verlaufe dieser Zeit kam es zu einer knotigen Größenprogredienz, bei zunehmender Ulzeration und ständiger eitriger Sekretion. Ein analoger Herd trat am linken (!) Arm hinzu. Die Laboruntersuchung ergab eine Leukozytose (11.500/ml), sowie erhöhte Entzündungsparameter (BSG: 35/h; CRP:5,2mg/dl). Eine perorale antibiotische Therapie mit Clindamycin erbrachte keinerlei Besserung. Eine tiefe Exzisionsbiopsie ergab ein tiefreichendes Granulationsgewebe mit Neutrophilen-Abszessen. Kein Nachweis von Drusen. Durch eine zugleich durchgeführte mikrobiologische Untersuchung des Gewebes gelang jedoch der Nachweis von Actinomyces naeslundi. Der Keim war resistent gegenüber Clindamycin. Die antibiotische Therapie wurde antibiogrammadaptiert auf eine Kombinationsbehandlung mit Moxifloxacin und Ampicillin/Sulbactam umgestellt. Darunter Befundabheilung nach 6 Wochen.
Literatur
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