Definition
Das menschliche Immunsystem mit seiner adaptiven und angeborenen Immunantwort unterliegt einem fortschreitenden Alterungsprozess. Die dazu führenden Mechanismen werden bis heute nur unvollständig verstanden. Es besteht weiterer Forschungsbedarf besteht, um den damit verbundenen nachteiligen Folgen für den älteren Menschen wie höheres Risiko für Ansteckung sowie Langzeitkomplikationen und vermindertes Ansprechen auf Impfungen entgegenzuwirken. Die Veränderungen des angeborenen und adaptiven Immunsystems werden in diesem Zusammenhang als „Immunseneszenz“ bezeichnet, alterungsbedingte Hochregulation inflammatorischer Prozesse als „Inflammaging“.
Immunseneszenz lässt sich beispielhaft bei der Zostererkrankung erläutern. Die postherpetischen Neuralgien treten vor allem in dieser Bevölkerungsgruppe auf und zeigen einen nicht vorhersehbaren Verlauf trotz adäquater Schmerztherapie. Die Lebensqualität ist deutlich eingeschränkt. Der aktuell verfügbare rekombinante Varizella-Zoster-Subunit-Impfstoff kann das Risiko für PHN langzeitig und in hohem Prozentsatz minimieren. Kosten für das Gesundheitssystem können somit eingespart werden. Weitere Details dazu werden später dargelegt.
Neben den Folgen der Immunseneszenz wird die Rolle der alterungsbedingten Alterationen der Lymphknoten unterschätzt. Durch deren Fibrosierungen kommt es zu negativen Auswirkungen auf die adaptive Immunantwort.
Welche Möglichkeiten gibt es, die Effektivität einer Impfung beim älteren Menschen zu erhöhen? Einerseits durch Erhöhung der Antigen-Konzentration (tetravalente Hochdosis-Vakzine Efluelda für Menschen ab 60 Jahre mit vierfach höherer Antigenmenge gegen Influenza), dadurch kommt es zu einer geringfügigen, aber signifikanten Effektivitätssteigerung gegenüber der Standardvakzine. Laut STIKO könnten sich durchschnittlich pro Grippesaison verringern: ca. 23.000 Arztkonsultationen, ca. 300 Hospitalisierungen und ca. 160 Tote. Eine andere Möglichkeit der Effektivitätssteigerung ist die Zugabe eines Adjuvans (z. B. beim Zoster-Impfstoff Shingrix), wobei die dahintersteckenden Abläufe einer verstärkten Immunantwort weitgehend ungeklärt sind.
Die erstmalig bei SARS-CoV-2-Infektionen zum Einsatz kommenden mRNA-Impfstoffe (s.u. Impfstoffe) basieren darauf, dass der Geimpfte selbst die viralen Antigene synthetisiert, gegen die sein Immunsystem protektive Antikörper bildet. Der Schutz erstreckt sich vor allem auf die Verhinderung schwerer, tödlicher Verläufe.
Allgemeine Information
Faktoren, die die Immunantwort auf eine Impfung beeinflussen:
Einflussfaktoren auf Impfungen sind äußerst umfangreich und nur zum Teil beeinflussbar (z. B. Wohnort, Jahreszeit, Familiengröße etc.). Bemerkenswert sind die Koadministration von Antipyretika mit der Impfung. Kinder, die mit der Impfung Paracetamol erhalten, haben eine messbar geringere Impfantwort auf viele Standardimpfungen und zeigen auch bei der Boosterung geringere Impfeffekte. Ähnliche Effekte wurden auch für Ibuprofen bei Erwachsenen nachgewiesen, die sich hier jedoch nur auf die Grundimmunisierung beziehen. Interessant sind Effekte von Statinen, die in einer Untersuchung die Impfantwort bei trivalenten Influenzaimpfstoffen reduzierten.