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Erosive pustulöse Dermatose des CapillitiumsL73.8
Synonym(e)
Erstbeschreiber
Burton und Peye, 1977
Definition
Seltene, ätiologisch ungeklärte, chronische, nicht mikrobiell induzierte, nicht-follikuläre Pustulose der Kopfhaut (und der Beine) mit konsekutiver, flächiger narbiger Alopezie, die v.a. ältere Personen betrifft. Gilt als umstrittene Entität. Wichtig: klinische Abtrennung zur Folliculitis decalvans notwendig.
Ätiopathogenese
Die Ätiologie ist unbekannt. Keine mikrobielle Komponente. aber es wurde über prädisponierende Faktoren wie Traumata, Zoster, Hauttransplantationen, längere UV-Bestrahlung einer kahlen Kopfhaut sowie die Koexistenz von Autoimmunerkrankungen berichtet. Auch unter der Therapie mit EGFR-Inhibitoren (Genftinib) aufgetreten. Labordaten, bakteriologische und mykologische Untersuchungen sowie die Histopathologie sind im Allgemeinen nicht diagnostisch (Mastroianni A et al. 2005) .
Manifestation
Meist ältere Personen (Durchschnittsalter: 70 Jahre); keine sichere Geschlechtspräferenz (w>m?); die Erkrankung neigt dazu in aktinisch geschädigter Haut aufzutreten.
Klinisches Bild
Herdförmige, erythematöse, haarlose rote Plaques am Kapillitium mit zentraler Atrophie und meist randständigen, follikulär gebundenen Papeln und Pusteln. Starker Juckreiz. Kein Ansprechen auf antibiotische und -mykotische Therapie.
Koronare Herzkrankheit, zerebrovaskulärer Insult, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und schwere Fälle von Krebs sind häufige Begleiterkrankungen (Wilk M et al. (2018).
Labor
Bakteriologische und mykologische Untersuchungen des Pustelinhalts meist negativ (teilweise Nachweis von Staphylococcus aureus, die von vielen autoren jedoch als Sekundärinfekte gedeutete werden).
Histologie
Unspezifisch: Hochsitzende, nicht follikuläre gebundene intraepidermale bis subkorneale Pusteln, Rarefizierung der Adnexe, mononukleäres Infiltrat.
Differentialdiagnose
Folliculitis decalvans: follikulär gebundener Prozess
Primär bakteriellefollikulitis : follikulär gebundener Prozess; mikrobiologischer Nachweis von Bakterien
Psoriasis pustulosa generalisata: Pustelbildungen stets auch außerhalb des Capillitiums
Tinea capitis superficialis: bei Erwachsenen selten
Perifolliculitis capitis abscedens et suffodiens: follikulär gebundener Prozess
Sterile eosinophile Pustulose (Ofuji): disseminierte, stark juckende und gerötete Papeln und Plaques mit Entwicklung steriler (follikulärer) Pusteln. Konfluenz zu größeren Herden ist möglich; auch anuläre und polyzyklische Herde mit zentraler Regression und peripherer Progression können auftreten. Histologisch eosinophile Dermatitis. Häufig auch Hämatoeosinophilie.
Externe Therapie
Ablösen der Krusten mit wässriger Chinolinol-Lösung (z.B. Chinosol 1:1000). Anschließend antientzündliche und abtrocknende Externa wie Glukokortikoid-haltige Tinkturen, z.B. 0,1% Triamcinolon-Tinktur oder 0,1% Betamethason-Tinktur (z.B. Betnesol V crinale) sowie feuchte Umschläge mit antiseptischen Zusätzen wie Kaliumpermanganat (hellrosa) oder Chinosol (1:1000).
Ggf. Versuch mit Tacrolimus (Protopic 0,1%) oder Calcipotriol (Psorcutan).
Interne Therapie
Zusätzlich zur externen Behandlung orale Zinktherapie (z.B. Zinkit 3, 3-4mal 1 Drg. oder 1 Brausetbl./Tag p.o.). Bei stark entzündlicher Ausprägung können kurzfristig Glukokortikoide intern wie Prednison (z.B. Decortin) 40-80 mg/Tag eingesetzt werden; zügige Dosisreduktion.
Bei Therapieresistenz DADPS, alternativ: Isotretinoin in üblicher Dosierung.
Experimentell: Ein Versuch mit Dimethylfumaraten könnte bei Therapieresistenz überlegt werden.
Verlauf/Prognose
Der klinische Verlauf ist protrahiert mit intermittierenden Besserungen und einer Tendenz zur Vernarbung und konsekutiver Alopezie (vernarbende Alopezie vom Pseudopélade-Typus - Wilk M et als. 2018).
Fallbericht(e)
65-jähriger hellhäutiger Mann mit, lichtgeschädigter atopischer Kopfhaut, bei Alopecia androgenetica; seit 1 Jahr bestehenden pustulösen, erosiven und verkrusteten Plaques auf der haarlosen Kopfhaut gesehen. Selten Juckreiz. Beim Darüberkratzen Schmerzhaftigkeit.
Anamnestisch gingen intensive (beruflich bedingte)UV-Belastungen sowie die Laser-chirurgische Entfernung mehrerer Basalzellkarzinome voraus.
Labordaten, einschließlich Autoimmunität, mehrere bakteriologische und mykologische Untersuchungen waren negativ.
Histo: Die Histopathologie war nicht diagnostisch und zeigte ein diffuses polymorphes Infiltrat in der Dermis.
Die Behandlung erfolgte mit topischen und systemischen Antibiotika und Steroiden sowie oralem DADPS. Der Therapieerfolg war nur mäßig gut. Daraufhin wurde mit Isotretinoin (0,75 mg/kg/Tag) begonnen, das innerhalb weniger Monate eine vollständige Heilung bewirkte. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 1 Jahr wurde kein Rückfall beobachtet.
Literatur
- Bieber T et al. (1987) Erosive pustulöse Dermatitis des Kapillitiums. Hautarzt 38: 687–689
- Burton JL (1977) Case for diagnosis. Pustular dermatosis of the scalp. Br J Dermatol 97: Suppl 15: 67-69
- Boffa MJ (2003) Erosive pustular dermatosis of the scalp successfully treated with calcipotriol cream. Br J Dermatol 148: 593-595
- Di Lernia V et al. (2016) Familial erosive pustular dermatosis of the scalp and legs successfully treated with ciclosporin. Clin Exp Dermatol 41:334-335.
- Ena P et al. (1997) Erosive pustular dermatosis of the scalp in skin grafts: report of three cases. Dermatology 94: 80-84
- Karanfilian KM et al. (2021) Erosive pustular dermatosis of the scalp: causes and treatments. Int J Dermatol 60:25-32.
- Laffitte E et al. (2003) Erosive pustular dermatosis of the scalp: treatment with topical tacrolimus. Arch Dermatol 139: 712-714
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- Theiler M et al. (2016) An Effective Therapy for Chronic Scalp Inflammation in Rapp-Hodgkin Ectodermal Dysplasia. Pediatr Dermatol 33: e84-e87.
- Wilk M et al. (2018) Erosive pustulöse Dermatose der Kopfhaut: Neubewertung einer zu wenig beachteten Entität. JDDG 16: 15-20