Covid-Berufserkrankung - Das Geht Jeden Arzt Etwas An.
In den vergangenen Tagen erreichte mich dieser Beitrag meines sehr geschätzten Kollegen und Conassistenten Dr. Ingo Schindera aus Völklingen/Saarland, dem wir im Übrigen auch den Artikel über den Dermatologen Herrn Dr. Koch aus Düsseldorf verdanken, der wie wir inzwischen wissen, durch seinen Schwager, dem Maler Otto Dix berühmt wurde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
in den vergangenen Tagen erreichte mich dieser Beitrag meines sehr geschätzten Kollegen und Conassistenten Dr. Ingo Schindera aus Völklingen/Saarland, dem wir im Übrigen auch den Artikel über den Dermatologen Herrn Dr. Koch aus Düsseldorf verdanken, der wie wir inzwischen wissen, durch seinen Schwager, dem Maler Otto Dix berühmt wurde. Dr. Ingo Schindera hat aus einem persönlichen Ereignis heraus, das Thema „Covid-19-Infektion und Berufserkrankung“ aufgegriffen. Er kommt vom Fach. Als Hautarzt und ehemaliger Sonderreferent für Berufsdermatologie sollte uns seine Expertise zu diesem Thema genügen. Der Zusammenhang Corona und Berufskrankheit ist in unserem Newsletter vom Januar diesen Jahres schon einmal angeklungen.
_____________________________________________________________
Doch lesen wir was Kollege Ingo Schindera uns schreibt:
Von einer Krankenschwester in meinem Bekanntenkreis, die auf einer Covid-Station arbeitet und die selbst eine SARS-CoV-2 Infektion leichterer Art durchgemacht hat, erfuhr ich, dass sie weiterhin an Covid-19-Spätsymptomen leidet, die über die eigentliche Krankheitsphase hinausgehen: „Geschmacksverlust“, und eine für sie absolut untypische Antriebslosigkeit, die ich als Zeichen von Fatique gedeutet habe, lauteten ihre Beschwerden.
Tritt so ein Fall im Bekanntenkreis auf, so wird man naturgemäß emotional stärker tangiert, als es beim Lesen einer Kasuistik in einem medizinischen Journal der Fall wäre. Als ich von diesen Spätsymptomen hörte, war mir der berufskrankheitliche Zusammenhang sofort klar: Es besteht ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der erworbenen SARS-CoV-2 Infektion, dem Geschmacksverlust, dem Fatique-Syndrom und der beruflichen Tätigkeit. Dieser Tatbestand ist nach meiner Auffassung, ohne wenn und aber, dem Unfallversicherungsträger mittels einer Berufskrankheitenanzeige anzuzeigen! Dies hat man aber unterlassen! Ich meine zu Unrecht. Ungefragt schlagen die Wogen des ärztlichen Pflichtgefühls hoch, das trotz längerer Rentner-Latenz weiterhin vorhanden ist. Halt! wendet das Rentnerego ein „das geht dich doch nichts mehr an, du bist raus aus dem Beruf. Du stehst in keiner ärztlichen Verantwortung mehr“. Früher, als Hautarzt und Sonderreferent für Berufsdermatologie, hätte mich der Fall brennend interessiert, aber heute?
Ich entschied mich jedoch für das Handeln. Letztlich kann man seinen Beruf als Arzt und Dermatologe, den man Jahrzehnte mit Freude ausgeübt hat, nicht einfach wie ein altes Kleidungsstück ablegen. Und als ehemaliger Sonderreferent für Berufsdermatologie interessiere ich mich auch weiterhin für die Berufskrankheit Haut 5101. Hier möchte ich auf eine wesentliche, ja einschneidende Neuregelung aufmerksam machen, die besagt, dass zur Anerkennung einer Berufskrankheit Haut der Unterlassungszwang (Aufgabe der schädigenden Tätigkeit) nicht mehr besteht.
Geradezu elektrisiert hat mich der ausgezeichnete Artikel in der Beilage „Natur und Wissenschaft“ der FAZ. In dicken Lettern war die Überschrift zu lesen: COVID-19 im Beruf: War es ein Arbeitsunfall? Sollte mir etwas entgangen sein? In den zuständigen Organen der deutschen Dermatologen fand ich bis heute keinen Hinweis auf dieses doch wichtige Thema. In dem oben genannten Artikel war zu lesen: „Der Spitzenverband der gewerblichen Unfallversicherer (= gewerbliche Berufsgenossenschaften) und der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand (= Gemeindeunfallversicherungsverband) meldeten, dass bis Ende Januar 2021, 49.424(!) Anzeigen auf Erkrankungen einer Berufskrankheit durch Covid-19 eingegangen sind. Davon wurden bisher 27.789 Meldungen positiv beschieden. Das entspricht einer Anerkennungsrate von 56%(!). Und diese Rate könnte noch ansteigen, weil bisher noch nicht alle Meldungen bearbeitet worden sind." Im Stillen habe ich mich gefragt, wie viele Meldungen wohl von Dermatologen abgegeben wurden?
Eine kleine Umfrage bei meinen „Exkollegen“ ergab, dass keine(r) eine Covid-19-Erkrankung als Berufskrankheit gemeldet hatte. Ich höre schon den Einwand gegen meine Aktion: „die Umfrage ist nicht repräsentativ“. Natürlich war sie nicht repräsentativ. Dabei sind es gerade die Hautärzte, die neben den Allgemeinärzten in den Seniorenheimen häufig tätig sind. Dort, wie naturgemäß auch in ihrer Praxis, können sie sich infizieren.
Falls ihnen eine Konstellation bekannt ist, die auf eine Covid-19-Infektion Infektion während der ärztlichen Berufsausübung hindeutet, sollten Sie dies unbedingt der zuständigen Berufsgenossenschaft (BGW) anzeigen.
An dieser Stelle möchte ich, als ehemaliger Sonderreferent für Berufsdermatologie, Sie aufrufen, jede Covid-19-Erkrankung bei Ärzten, Krankenschwestern und Krankenpflegern, sowie beim Pflegepersonal in Altenheimen dem zuständigen Unfallversicherungsträger zu melden, entweder der BGW oder dem Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand. Melden Sie die Covid-19-Erkrankung auch auf die Gefahr hin, dass die Erkrankung bereits annonciert wurde, und Ihre Meldung zu einer Doppelmeldung führt. Hier gilt das Motto: „Besser doppelt gemeldet, als überhaupt nicht“.
Wie kommt man an den Vordruck „F 6000 Ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit“?
Entweder hat Ihre Software ein spezielles Programm „Berufsgenossenschaften“ oder Sie müssen sich den amtlichen Vordruck unter < www.bgw-online.de > Formulare herunterladen. Das Ausfüllen der Anzeige ist sehr einfach. Es hat sich in den letzten Jahrzehnten nichts geändert.
Die ersten acht Fragen sind Fragen zur Person. Frage 10,11 und 14 sind relativ wichtig: Die Antworten könnten im Fall einer Neuinfektion so aussehen:
10. Welche Berufskrankheit, Berufskrankheiten kommen in Betracht?
Antwort: Nummer 3101 (Infektionskrankheiten)
11. Krankheitserscheinungen, Beschwerden der versicherten Person, Ergebnis der
Untersuchung mit Diagnose (Befund-Unterlagen bitte beifügen). Angaben zur
Behandlungsbedürftigkeit.
Antwort: Morbilliformes Exanthem am Stamm, Juckreiz, Müdigkeit, positiver PCR-Test, Bettruhe, Quarantäne.
14. Welche gefährdenden Einwirkungen und Stoffe am Arbeitsplatz bzw. welche Tätigkeiten werden für die Entstehung der Erkrankung als ursächlich angesehen? Welche Tätigkeiten übt/übte die versicherte Person wie lange aus?
Antwort: Die Versicherte arbeitet als Krankenschwester, ist mit Covid-19-Patienten in Berührung gekommen und hat sich bei der beruflichen Tätigkeit infiziert.
Der Aufwand für die Erhebung der Daten, die für die Erstellung der Berufskrankheiten Anzeige erforderlich ist, wird von den Unfallversicherungsträgern nach der Gebühr Nummer 141 in Höhe von 17,96 Euro vergütet. Die nicht gerade üppige Vergütung hält manche(n) Kollegin(en) davon ab, eine BK-Anzeige zu erstatten. Bedenken Sie aber Ihre Fürsorgepflicht v.a., wenn es um Langzeitfolgen geht. Der Aufwand ist bei einiger Übung minimal und die Folgen können doch sehr erheblich sein.
Ihr
I.Schindera (ehemaliger Hautarzt aus Völklingen/Saar)
____________________________________________________________
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Das SARS-Covid-19 -Virus schleicht sich überall ein, tangiert täglich unser Privatleben, belastet unser berufliches Dasein und strapaziert das soziale Netzwerk dieses Staates in vielen Belangen. Die berufsärztliche Dimension von Covid-19 wird zunehmend deutlicher und ist insofern wichtig, als wir die Spätfolgen, möglicherweise auch die Dauerschäden der Corona-Infektion in Gänze noch nicht ausgeleuchtet haben. Insofern ist die Anzeige auf eine Berufskrankheit nach Nummer 3101 eine Pflichtübung die wir als wichtige Fürsorge für die Betroffenen begreifen sollten. Nochmals möchte ich Sie auf die einschneidende Neuregelung der Berufskrankheitenverordnung aufmerksam machen, dass zur Anerkennung einer Berufskrankheit Haut die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit keine Voraussetzung mehr ist. Diese Änderung dürfte erhebliche Auswirkungen auf zukünftige und auch bereits abgeschlossene Gutachten haben.
Ich danke Herrn Kollege Schindera im Namen unserer Kollegengemeinschaft für diesen Beitrag.
Ihnen wünsche ich ein geruhsames Osterfest jenseits der Gefahren die uns diese unsägliche und enervierende Pandemie bescheren kann
Ihr
P. Altmeyer