Punta di svolta -Zeitenwende
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Für einen neuen Newsletter meiner Medizinischen Enzyklopädie hatte ich eigentlich zu dem Kapitel der „Primären Immundefekten“ recherchiert und wollte von der molekulargenetischen Zeitwende in der Diagnostik dieser spannenden Krankheitsgruppe berichten. Das werde ich nun um einige Tage verschieben. Der Krieg vor unserer Haustür hat mich zu diesem politischen Zwischenruf veranlasst.
„Zeitenwende“ nannte kürzlich der so still und blass daherkommende Bundeskanzler Olaf Scholz die Haltung der Bundesregierung zum Ukrainekrieg. Von einer Zeitenwende konnte man allerdings bisher nicht viel erkennen, und so muss ich gestehen dass ich nicht sonderlich gut auf einige Politiker unseres Landes zu sprechen bin. Unser Land ist in Gefahr. Kluges und entschlossenes Handeln wären vonnöten. Ich vermisse dies schmerzlich.
Sigmund Freud formulierte es kurz nach Ausbruch des ersten Weltkrieges im Jahre 1915 so: „offenbar ist der Krieg nicht abzuschaffen“. Eine bittere Erkenntnis. Sie kontrastiert mit der pazifistischen Grundhaltung der Deutschen nach zwei verlorenen Weltkriegen. Und so brennen die Kriegsnachrichten aus der uns so nahen Ukraine wie Salz in einer Wunde, sie erzeugen lähmende Angstgefühle. Angst hat aber in der Politik nichts zu suchen. Sie ist ein schlechter Ratgeber. Das hat uns die Geschichte gelehrt.
Wir werden an den 12. März 1938 erinnert, an den Überfall Hitler-Deutschlands auf Österreich, an das Münchener Abkommen am 30.9.1938 mit der Abtretung des Sudentenlandes und schließlich an den 1. September 1939 den Tag als Deutschland in Polen einmarschierte, ein Akt der letztlich zu dem entsetzlichsten Krieg aller Zeiten führte. Wir erinnern uns an die 2000 Jahre alte europäische Geschichte. Sie ist voll von Beispielen brutaler Angriffskriege, die im Nachhinein glorifiziert wurden. Nicht nur Hitler brachte Tod und Leid über die Menschen. Auch andere historische Gestalten der europäischen Geschichte von Caesar über Friedrich II, Katharina der Großen, Napoleon bis hin zu Stalin, haben menschenverachtende Angriffskriege geführt. Man nahm sich das was man nehmen konnte, ohne Rücksicht auf die territoriale Souveränität eines Staates.
Nun ist es der Russe Putin der sich dem Satz „La gloire de la patrie“, dem Ruhm des Vaterlandes, verschrieben hat. Er sieht sich als großen russischen Führer, als einen modernen Zaren, der das Land zu altem Glanz zurückführen will, um jeden Preis. Putin ein strammer Politiker der anderen Art, der oberkörperfrei durch die Taiga reitet, der sich sich bekreuzigt und betet und dabei einen brutalen Angriffskrieg auf einen vermeintlich schwachen Gegner befiehlt, ritualisiert durch den Segen der orthodoxen Kirche. Wir haben diesem russischen Präsidenten am 25.09.2001 im deutschen Bundestag andächtig zugehört, als er in deutscher Sprache über „die Gewährleistung der demokratischen Rechte und der Freiheit, über die Verbesserung des Lebensstandards und der Sicherheit des Volkes“ referierte. Und zum Schluss dieser Ansprache versicherte er mit wachem Blick auf die Zukunft: „Ich bin überzeugt: Wir schlagen heute eine neue Seite in der Geschichte unserer bilateralen Beziehungen auf und leisten damit unseren gemeinsamen Beitrag zum Aufbau des europäischen Hauses“.
Stehend hatte das hohe parlamentarische Haus applaudiert. Seine Mitglieder waren damals nur zu willig, diese Botschaft als neue politische Perspektive für ein gemeinsames und friedliches Europa zu verinnerlichen. Im Nachhinein betrachtet wurden alle die ihm glaubten, vorsätzlich und in schnöder KGB-Manier getäuscht. Putin hatte ihnen nur lächelnd den Puls gefühlt und dabei die hypotone Erschlaffung der Deutschen erspürt. Er traf auf naive und offenbar auch bestechliche Politiker, nicht nur in Deutschland, in halb Europa hat diese Naivität binnen 20 Jahren die „politische Sorglosigkeit im Umgang mit dem russischen Nachbarn“ salonfähig gemacht. Amerikanische Warnungen oder Forderungen nach Aufrüstung waren „verpönte Kriegshetze“, wo doch jetzt Gewalt als Mittel der Politik vehement negiert wurde. In unserer pazifistischen Grundstimmung verblichen die Erinnerungen an den Eisernen Vorhang, an die Berliner Mauer. Der „Russe als Feind“ kam selbst in den James Bond Filmen abhanden; der Wehrdienst wurde als unzeitgemäß abgestempelt, zu aufwändig zu teuer, „weg damit“!
Europa hat lange tatenlos dem aggressiven Treiben des Putin-Clans zugeschaut. Deutschland und Italien haben sich zu allem Übel noch schnurgerade in eine 50% bzw. 38% Abhängigkeit zum russischen Gas hineinmanövriert. Auch die Nordstream-2-Affäre passt zu dieser Haltung. Scholz wiederholte gar zu lange unverdrossen das SPD-Mantra eines „privaten“ und damit unpolitischen Deals bei Nordstream-2, obwohl er es hätte besser wissen müssen. Sein Mentor Schröder wurde finanziell korrumpiert. Die Parteigenossin Manuela Schwesig ersann listig eine Umweltstiftung um das amerikanische Embargo für dieses Projekt zu umgehen. Wie kann man nur, so wie Scholz die Energieversorgung eines Landes als unpolitisch bezeichnen? Wie dumm muss man sein um dies zu glauben.
Jetzt sind wir 2022 mit bald 60 Tagen brutalster Invasion konfrontiert, und unser Bundekanzler vertritt nach wie vor die Meinung, dass die ökonomische Sicherheit wichtiger sei, als jede Regel oder jede Moral in der Politik. Italien signalisierte inzwischen, dass es kein Veto gegen ein Embargo oder zügige Waffenlieferungen einlegen wird, wenn Deutschland sich so entscheide und die EU im Konsens handele. Ursula von der Leyen drängt auf schnelles Handeln, weil gemordet und deportiert wird. Sir Richard Shirreff, Natogeneral a.D., bezeichnete „nutzlose Diskussionen, jetzt als Fehlentscheidungen“. Auf Twitter und in Interviews sagte er „das Zurückdrängen der russischen Offensive sei nur mit rasanten adäquaten Waffenlieferungen zu bewerkstelligen, da Unzufriedenheit und schlechte Organisation im russischen Heer große Probleme bereiteten. Dies würde nicht nur Menschenleben retten, sondern Europa wertvolle Zeit verschaffen um sich den neuen Herausforderungen dieser Zeit stellen zu können“. Er muss es gut wissen!
Warum verlängern unsere Politiker durch unnütze Diskussionen, durch Zaudern die Bedrohung Europas? Warum dehnen sie einen Krieg aus, der täglich Vernichtung, Verletzte, Gefangene, Verstümmelte, Deportierte, Tote und Millionen an Flüchtlingen gebärt? Ist diese Haltung in Europa politisch zu verantworten? Wird damit tatsächlich Schaden von der Bundesrepublik Deutschland abgewendet? Ist es sinnvoll, die Bevölkerung im eigenen Land, auf dem Arbeitsmarkt in den Schulen und Kommunen, mit Millionen von Flüchtlingen zu konfrontieren, denen wir “eilfertig“ unsere Solidarität zusichern? Sind wir heute überhaupt in der Lage neben derzeitigen und zukünftigen COVID-Belastungen unserer Sozialsysteme, diesen Menschen den Schutz und die Hilfe zu bieten, die wir aktuell versprochen haben?
Ich betrachte die derzeitigen Haltung der Bundesregierung als politisch und moralisch falsch. Es ist geradezu aberwitzig den Feind aller Demokratien täglich finanziell zu unterstützen. Ein Russland, das wie eine Krake das schwarze Meer besetzt und im Mittelmeer mit Atom-U Booten und Kreuzern vor der italienischen Küste auftaucht. Putin ist ein hoch-gefährlicher, von russischer Größe schwadronierender Gegner aller westlicher Demokratien. Es ist schlichtweg naiv, zu ignorieren dass unter dem schwarzen Meer Milliarden Kubikmeter Naturgas liegen, die Putin weder Rumänien, noch der Ukraine gönnt. Bei diesem Krieg geht es Russland um Gas, Geld, Weizen, Industriegebiete und um eine strategische Expansion im Schwarzes Meer und im Mittelmeer. Es geht um Geld und Macht. Wer an das russische Märchen der bedrohlichen NATO Ost Erweiterung glaubt, ist Opfer russischer Propaganda.
Ich möchte deshalb heute, bei allen wachen Kolleginnen und Kollegen dafür plädieren, sofort und für zwei Jahre jeden Bekannten und Verwandten, jeden verantwortungsvollen Bürger aufzurufen, den Komfortgürtel etwas enger zu schnallen. Das Absenken der Zimmertemperaturen um 1-2 Grad spart Millionen an Kubikmetern Gas ein. Das Abschalten der Gartenbeleuchtung oder eine hälftige Stadtbeleuchtung spart ebenfalls zig Kubikmeter. Jeder einzelne kann hier etwas tun.
Wir Bürger dieses Staates sind nicht naiv und auch nicht vergesslich, denn wir haben längst verstanden dass wir ernsthaft angegriffen wurden. Wir sind seit Jahren, Opfer von Cyberkriminalität aus Russland, haben politisch befohlene Nowitschok- und Plutonium- Morde stillschweigend hingenommen. Europa wurde mehrfach von russischen Politikern atomar bedroht. Offensichtlicher als die Machthaber an der Moskwa konnte man nicht zeigen, dass Skrupellosigkeit bestens funktioniert, wenn man westliche Bequemlichkeit mit einem Schuss nuklearer Angst würzt. Wir sind seit längerem in politische Abhängigkeit geraten und sind inzwischen auch, und das muss klar gesehen erkannt und ausgesprochen werden, zur wirtschaftlichen und militärischen Konfliktpartei geworden.
Die Botschaften aus dem Kreml basieren auf Lügen, vermischt mit Hohn und Spott, während die Ukraine erst zerstört und dann geteilt werden soll. Es wird der Ukraine ergehen, so wie es dem zweigeteilten Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg erging oder Korea oder Vietnam. Von unserer Russophilie wurden wir durch die Bilder aus der Ukraine über Jahrzehnte hinweg schockartig geheilt.
Tatsächlich waren es unsere Medien und die Reporter aus allen Ländern, die der Wahrheit eine eigene Stimme gegeben haben. Die westlichen Geheimdienste veröffentlichen viele Details. In den letzten Wochen konnte jeder aufmerksamer Beobachter des Ukrainekrieges, leider in ruheloser Sorge, die Zerstörungen und den Mord an der Bevölkerung verfolgen. Minen, Granaten in Waschmaschinen, Sprengsätze in Spielzeugen auf der Straße. Sie alle erfüllen im juristischen Sinne den Tatbestand des Mordes. Und für ihre Mordtasten wurden soeben exakt jene Bataillone mit einem hohen russischen Orden geehrt, die in Butscha wüteten! Das ist skrupellos und zynisch. Die Bilder zeigten uns gefesselte Zivilisten, tote Radfahrer, gepeinigte, lebenslang traumatisierte Kinder, Menschen die fassungslos auf die Ruinen Ihrer Häuser blicken, in denen sie noch vor 7 Wochen noch wohnten. Diese Menschen haben für diese Werte ein ganzes Leben gearbeitet. Die Errungenschaften mehrerer Generationen haben sich innerhalb von Sekunden in rauchende Beton-Skelette verwandelt. Die gestern noch wertvollsten Dinge wurden zu Müll, vermischt mit Glasscherben, Granatsplittern, Minen und verwesenden Leichenteilen. Unsere bisherige naive Sorglosigkeit wurde binnen weniger Wochen in den Tränen ukrainischer Zivilisten ertränkt. Wir selbst stehen da, verhöhnt, erpresst, nuklear bedroht.
Und allmählich fällt uns wieder ein, dass sich alle Kriegsherde der Welt mit russischer Beteiligung schon immer durch eine besondere, historisch inzwischen gut dokumentierte Brutalität gekennzeichnet haben. Deutlicher werden uns die früheren Warnsignale bewusst, die aus Georgien, Armenien, Tschetschenien, Syrien, die Annektion der Krim, der Krieg im Donbass, und aus Lybien kamen. Eskalationsstufen einer brutalen russischen Expansionspolitik. Aber alles war weit weg von uns. Wir haben uns in unserer Tagesordnung nicht stören lassen. Business as usual!
Was ist nun die Aufgabe der deutschen Regierung zusammen mit unseren europäischen und amerikanischen Verbündeten um ein effizientes, sofort wirksames politisches und militärisches Stoppsignal zu setzen? Die „Helden“ einer Demokratie reiten natürlich nicht halbnackt durch die Taiga. Gut so! Aber was haben wir als Antwort auf diese Frage erhalten? Es waren diese Sätze:
„Deutschland kann die NATO im Bündnis zurzeit nur extrem limitiert unterstützen.“
"Die Bundeswehr steht blank da"
"Schwere Waffen können wir nicht liefern"
„Das Abschalten der Gaslieferungen, könnte die deutsche Wirtschaft in eine dramatische Rezession führen“
Von klugen, fähigen, demokratischen Politikern erwarte ich in Kriegszeiten Rückgrat und Kraft zur Entscheidung auch wenn sie unliebsam sind. Eine demokratische Führung mit Stringenz, jammert nicht über sinkende Wirtschaftskonjunktur oder ein blankes Heer, das sie selbst verschuldete. Eine demokratische Führung schweigt nicht, auch nicht zu den Fehlern der Vergangenheit. Sie tritt in einen Dialog mit der Bevölkerung und erklärt, was in einer hochdramatischen, europäischen Gefahrenlage zu tun ist um diesem Krieg zu begegnen, um ihn zu beenden. Die vor 54 Tagen ausgesprochene russische Warnung: „Sollte sich Europa oder die Nato in die russische Militär-Intervention zur Nazi-Säuberung der Ukraine einmischen, oder die drogenabhängige und korrupte Regierung Kiews stützen und Russland attackieren, so besteht ein relevantes Risiko einer nuklearen Eskalation“. Eine derartige Drohung benötigt eine sofortige Antwort politischer Klugheit. Europa ist nicht irgendwer!
Wer dies nicht kann oder will, gehört nicht in eine politische Führungsposition. Politiker sind dazu da, sich bestmöglichst aufzustellen, sich zu informieren, die Geschichte mit der Gegenwart zu vergleichen, das Land zu beschützen und dem Volk zu dienen. Hätte ich das Unternehmen Katholisches Universitätsklinikum Bochum als Geschäftsführer so geleitet wie manche Politiker es mit unserer Republik tun, wäre mir das Personal weggelaufen, die Patienten ebenfalls. Das Klinikum wäre unweigerlich in die Pleite gerutscht.
Erinnern Sie sich an den Aufschrei unserer Außenministerin Baerbock nach einem Gespräch mit ihrem russischen Amtskollegen Lawrow? „Der hat mich eiskalt angelogen“. Frau Baerbock ist noch jung, das sehen wir alle. Was sie aktuell so schockierte, wussten wir aber schon lange, seit Jahrzehnten. Lügen und Täuschung sind Wesensmerkmale der russischen Politik, der Nationalsozialisten und all der Diktaturen, die Böses im Schilde führen. Jeder Politiker, Historiker, jeder Geschichtslehrer oder Soldat sollte dies wissen und berücksichtigen.
Aber auch wir als mündige Bürger haben diese Signale in unserer pazifistischen Grundstimmung gerne verdrängt und es uns in einer warmen Ecke unseres Hauses bequem gemacht. Aus der Sofa-Perspektive spüren wir jetzt beschämt, dass unsere russischen „Freunde“ die Europäische Union als eine „Quantité négligable“ bewerten und sogar über unsere Energieabhängigkeit spotten. Die „Steinmeier´schen Argumente“ des Brückenbauens, das „Merkel´sche Sitzfleisch“ und das „Scholz´sche stoische Schweigen“ gewürzt mit unserer moralisierende, bequemen Untätigkeit; nein dafür ist kein Platz mehr.
Die Bilanz zeigt, die Zeitenwende ist zwingend geboten, denn offenbar gibt es in der kleinen und in der großen Wirklichkeit keine Ausrottung des Bösen. Schmerzhaft erleben wir gerade, dass in den europäischen Demokratien, die über Jahrzehnte geschaffenen demokratischen Werte durch äußere und innere Prozesse bröckeln. Von außen erodieren autokratische Mächte wie Russland und China den Kern unserer Wertegemeinschaft. Sie infiltrieren unsere Politik, ob wir dies wollen oder nicht. Verwundbare Länder erleben Unterdrückung, Terror und brutalste Kriege. Die autokratischen Systeme selbst nähren sich vom Streit der Demokratien untereinander, von Kriegen, denen dann der Aufbau neuer totalitärer Überwachungsdiktaturen folgt. Genauso lautete die Botschaft in George Orwells düsterer Vision “1984“.
Putin wählte den Zeitpunkt seiner Tod-bringenden, dreisten Aggression ganz bewusst. Nach der Winterolympiade der Chinesen gab es das Zeitfenster mit demokratischen Wahlen in mehreren europäischen Ländern, mit einem innenpolitisch zerstrittenen Italien, mit einem scheinbar altersschwachen amerikanischen Präsidenten und einem angeschlagenen Boris Johnson, den Brexit und innenpolitische Probleme beschäftigen. Aus Putins Analyse bedeutete dies: Wenn nicht jetzt, wann dann? Auch politisch hat Putin in den westlichen Demokratien ganze Arbeit geleistet. In Ungarn, Frankreich oder Italien wurden nachweislich die Nationalisten Orban, Le Pen und Matteo Salvini finanziell geködert, in Deutschland die AFD, von Herrn Schröder ganz zu schweigen. Ziel ist der völlige Niedergang der europäischen Idee. Russland ist in diesem Konzert, wie wir inzwischen wissen, Taktgeber der einzelnen neo-faschistischen Bewegungen, die Streit und Oppositions-Strömungen mitten im Wohlstand und Frieden entzünden. Wer sich nicht dagegen wehrt, ist entweder nicht gut informiert, oder der westlichen Demokratiekultur überdrüssig geworden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
heute gilt es die Werte die sich in Europa in den vergangenen 75 Jahren etabliert haben, energisch zu verteidigen. Wir müssen unsere freiheitliche Staatsform wieder hegen und lieben, statt sie zu zerstückeln. Sie ist zu einer „Specie in pericolo“ einer bedrohten Art geworden. Wie alles Schöne und Wertvolle, ist auch die Freiheit ein begehrenswertes aber auch fragiles Gut. Die Alternativen aber sind: Unfreiheit, Sprachlosigkeit, Unterdrückung, innerer und äußerer Terror jeglicher Art.
Auch der Frieden, taugt nur dann als Symbol, wenn alle Völker Abrüstung betreiben, die Bedeutung des Friedens verinnerlichen. Es kann leider der „Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt“. Diese Botschaft aus Wilhelm Tell, Kapitel IV, 3 trifft auch in Zeiten einer nuklearen Bedrohung den Nagel auf den Kopf. Sich von psychologischen Ängsten zu befreien, habe ich bei meiner Tätigkeit als Arzt gelernt. Ängste der Patienten kann man nur dann beseitigen, wenn man darüber spricht. Angst gehört zu unserer Seele, wie Freude, Trauer, Schmerz. Dies darf uns jedoch nicht davon abhalten den Mut zum Handeln zu haben. Angst ist sicherlich kein guter Ratgeber der Politik.
Und noch ein letztes Wort zu unserer freiheitlichen Demokratie: Sir Winston Churchill, der die freie Welt 1940 in einer elementaren Krise unbeugsam verteidigte, hat es so ausgedrückt: „Zweifellos ist die Demokratie eine schlechte Staatsform, aber sie ist immer noch weit besser als alle anderen Staatsformen die man von Zeit zu Zeit ausprobiert hat.“ Es ist Zeit dies zu erkennen und unerschrocken zu handeln. Auch der Italiener Mario Draghi gehört zu den Unerschrockenen. Ein kluger Staatsmann ist dieser Mario Draghi. Wir haben von ihm am 26. Juli 2012 bei der Global Investment Conference in London anlässlich der damaligen Finanzkrise folgendes vernommen:
„Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the Euro. And believe me, it will be enough.”
Und so hat Italien ohne Scheu gezeigt wozu eine wehrhafte Demokratie fähig ist. Im Handumdrehen wurde Eigentum von russischen Oligarchen im Werte von mehreren Milliarden Euro staatlich konfisziert. Übrigens werden diese Werte verwendet, um die geschundene Ukraine wieder aufzubauen. Chapeau - Herr Draghi für diese Haltung! Europa braucht heute solche Draghis.
Ich hoffe, dass der wertvolle Frieden, den ich persönlich 77 Jahre erleben durfte, das innere Bedürfnis fördert, alles dafür zu tun ihn zu erhalten. Wir sollten alles denkbar Mögliche unternehmen um den Menschen in der Ukraine beizustehen. Mein Slogan als Politiker würde frei nach Mario Draghi lauten:
„Germany and ist citizens are ready for any embargo. Europe has to do whatever it takes to protect human lives in Europe and preserve our democratic values. And believe us, it will be enough“.
Danke, wenn Sie diese Gedanken aus meiner gewählten Zweitheimat Italien lesen und weiterleiten. Besonders das Weiterleiten würde mich freuen.
Herzlichst, Ihr Peter Altmeyer