Synonym(e)
Definition
Mycobacterium leprae (von griech. mykes = Pilz, bakterion = Stäbchen) und das erst kürzlich entdeckte Mycobacterium lepromatosis (Han et al., 2008) sind die Erreger der Lepra bei Mensch und Tier (Schilling et al. 2019; Tió-Coma et al., 2019). Lepra ist eine komplexe Infektionskrankheit, die oft zu schweren, lebenslangen Behinderungen führt und immer noch eine ernsthafte Gesundheitsbedrohung in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen darstellt (World Health Organization 2019).
Auch interessant
Erreger
Bakterien der Art Mycobacterium leprae haben eine gebogene, stäbchenförmige Gestalt. Sie sind unbeweglich und bilden keine Sporen. Unter tropischen Bedingungen können die Bakterien außerhalb des menschlichen Körpers bis zu 9 Tage überleben. Im Körper verhalten sie sich ähnlich wie Mycobacterium tuberculosis. Sie liegen obligat intrazellulär und benötigen rund 10 bis 14 Tage, um sich zu teilen (E.-coli-Bakterien benötigen hierfür nur circa 20 Minuten). Die Abwehr des Organismus besteht ausschließlich in einer T-Zell-vermittelten Immunreaktion. Histopathologisch äußert sich die Infektion in der Organisation von epitheloidzelligen Granulomen.
Das Bakterium weist auf Grund seines enzymatischen Besatzes einen einzigartigen Tropismus für periphere Nerven, Haut und Schleimhautmembranen auf und kann somit diese Gewebe besonders gut infizieren und sich dort vermehren. M. leprae kann v.a. im Nasensekret infizierter Personen nachgewiesen werden.
Vorkommen
Prävalenzen: Trotz wirksamer Medikamente werden jährlich immer noch ca. 210.000 neue Fälle diagnostiziert, und diese Inzidenzrate ist über das letzte Jahrzehnt stabil geblieben (World Health Organization, 2019). Lepra-Erkrankungen werden durch schlechte soziale Lebensumstände begünstigt, da diese häufig auch mit ungünstigen hygienischen Bedingungen einhergehen. So treten Lepra-Fälle vor allem in den ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer Südostasiens, Chinas, Südamerikas und des tropischen Afrikas auf.
Übertragung: Die Eintrittspforte von Mycobacterium leprae in den menschlichen Organismus konnte bisher nicht zweifelsfrei identifiziert werden. Allerdings scheint das Hauptreservoir des Mycobacteriums der Mensch zu sein. Die aerosole Übertragung über die Atemwege wird allgemein als der wahrscheinlichste Weg der bakteriellen Verbreitung angenommen. Neben der bakteriellen Exposition wurden auch andere Risikofaktoren mit der Entwicklung von Lepra in Verbindung gebracht, wie z. B. genetische Polymorphismen, der klinische Typ des Lepra, Immunsuppression und Ernährungsfaktoren (Dwivedi et al.2019). Eine zoonotische Übertragung durch infizierte Gürteltiere wurde in der Literatur beschrieben.
Latenz: Es bestehen erhebliche Unterschiede in der Inzidenz von latenten und apparenten Infektionen einerseits sowie von nicht ansteckenden und ansteckenden Infektionen andererseits. Latente Infektionen können symptomfrei über Jahre oder womöglich sogar Jahrzehnte fortbestehen, aber auch jederzeit in die spontane Abheilung übergehen. Falls sie zur manifesten Erkrankung führen, beträgt die durchschnittliche Inkubationszeit ca. vier Jahre. In endemischen Gebieten sind beträchtliche Teile der Bevölkerung mit dem Erreger infiziert, wobei selbst die manifesten Erkrankungen in den frühen Stadien zu einem hohen Prozentsatz spontan ausheilen. Entscheidender Faktor ist die zellvermittelte Immunkompetenz des Infizierten. Erst eine relevante immunologische Defizienz bahnt der aktiven Infektion den Weg.
Pathophysiologie
Bei der gängigen Färbung nach Ziehl-Neelsen lässt sich das zunächst verwandte rote Färbemittel Carbolfuchsin nicht durch Salz- oder Schwefelsäure auswaschen, andere Substrate werden in der Folge mit Methylenblau angefärbt. Mycobacterium leprae besitzt eine gram-positive Zellwand aus mehrschichtigen Peptidoglykanen. Der Peptidoglykanschicht aufgelagert findet sich ein Polymer aus Arabinose und Galactose (Arabino-galactan), an das verschiedene langkettige Lipide, die Mykolsäuren, gebunden sind. Diese Besonderheit hat zur Folge, daß Mycobacterium leprae (auch andere Mykobakterien) mit der üblichen Gramfärbung praktisch nicht anfärbbar ist, sondern daß Farbstoffe nur durch die Einwirkung von Hitze und Phenol in die Bakterien eindringen. Entsprechend sind Mykobakterien auch schwerer entfärbbar; eingedrungener Farbstoff wird auch durch Behandlung mit einem Gemisch aus Säure und Alkohol nicht wieder ausgewaschen.
M. leprae ist ein obligater Parasit, der außerhalb des menschlichen Körpers offenbar bis zu zehn Tage überleben kann. Er lässt sich auf keinem bekannten Nährboden, wohl aber in der Pfote der immunsupprimierten Maus und im neunbändigen Armadillo, dem Gürteltier anzüchten. Das Gürteltier wie auch die bevorzugt bei Mensch und Maus betroffenen Körperregionen sind durch eine vergleichsweise niedrige Temperatur gekennzeichnet, welche das Wachstum von M. leprae begünstigt. Der Keim teilt sich nur etwa alle zwölf Tage und bildet keine Sporen.
Klinisches Bild
Die Inkubationszeit beträgt Monate bis Jahre
Folgende klinische Formen werden unterschieden (s.u. Lepra):
- Indeterminierte Lepra (L.indeterminata)
- Lepromatöse Lepra (L.lepromatosa)
- Tuberkuloide Lepra
- Bordeline Lepra
Diagnostik
Eine Kultivierung ist nicht möglich. Somit ist der klinische Befund sowie der Nachweis der säurefesten Stäbchen entscheidend.
Mikroskopischer Nachweis im Haut- oder Schleimhautgeschabsel nach Anfärbung n. Ziehl-Neelsen.
Der Nachweis der M. leprae-spezifischen DNA aus Hautproben mittels PCR-Diagnostik sichert die Diagnose.
Prognose
Für die Prognose ist Beurteilung der Menge der Mykobakterien von Bedeutung. Die Wertung erfolgt als „multibazillär“, erregerreich (Therapiedauer über 12 Monate) und „paucibazillär“, erregerarm (Therapiedauer 6 Monate)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Braet S et al. (2018) The repetitive element RLEP is a highly specific target for detection of Mycobacterium leprae. J Clin Microbiol 56:e01924-17.
- Cole ST et al. (2001) Massive gene decay in the leprosy bacillus. Nature 409: 1007–1011.
- Donoghue H D (2019). Tuberculosis and leprosy associated with historical human population movements in Europe and beyond - an overview based on mycobacterial ancient DNA. Ann Hum Biol 46: 120–128.
- Donoghue H D et al. (2001). PCR primers that can detect low levels of Mycobacterium leprae DNA. J. Med Microbiol 50: 177–182.
- Dwivedi VP et al. (2019) Diet and nutrition: an important risk factor in leprosy. Microb. Pathog 137:103714.
- Kumar B et al.(2017) „Clinical diagnosis of leprosy,” in International Textbook of Leprosy, eds D. M. Scollard and T. P. Gills. www.internationaltextbookofleprosy.org (entnommen Märzt 2021).
- Ridley DS et al. (1966) Classification of leprosy according to immunity. A five-group system. Int. J. Lepr. Other Mycobact. Dis 34: 255–273.
- Schilling AK et al.(2019) Detection of humoral immunity to mycobacteria causing leprosy in Eurasian red squirrels (Sciurus vulgaris) using a quantitative rapid test. Eur. J. Wildl Res. 65:49.
- Singh P et al.(2011) Mycobacterium leprae: genes, pseudogenes and genetic diversity. Future Microbiol 6: 57–71
- Tió-Coma M et al. (2019) Lack of evidence for the presence of leprosy bacilli in red squirrels from North-West Europe. Transbound Emerg Dis 67: 1032–1034.
- Tió-Coma et al. (2019) Detection of Mycobacterium leprae DNA in soil: multiple needles in the haystack. Sci. Rep. 9:3165.
- World Health Organization (2017). A Guide for Surveillance of Antimicrobial Resistance in Leprosy. New Delhi: World Health Organization, Region Office for South-East Asia.
- World Health Organization (2019). Global leprosy update, 2018: moving towards a leprosy-free world. Weekly Epidemiol Rec 94: 389–412.