Definition
Die ixodiden Zeckenarten der Gattung Hyalomma (Riesenzecke) haben eine große medizinische und veterinärmedizinische Bedeutung in Bezug auf die Gesundheit und wirtschaftliche Beeinträchtigung in tropischen und subtropischen Regionen (Bakheit MA et al. 2012).
Vorkommen
Die natürliche Verbreitung der Hyalomma-Arten ist auf den asiatischen, afrikanischen und europäischen Kontinent beschränkt (Sands et al. 2017). Von den 27 gültigen Hyalomma-Arten sind fünf Arten weit verbreitet und auf allen drei Kontinenten nachgewiesen, sieben Arten sind auf Asien beschränkt, fünf auf Afrika, neun auf Asien-Afrika und eine auf Afrika-Europa. Neuerdings wurden Hylommma-arten auch in Deutschland nachgewiesen. Sie wurden wahrscheinlich von Zugvögeln nach Deutschland eingeschleppt. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) wurden die ersten Exemplare 2007 entdeckt. Im Jahr 2018 wurde erstmals eine große Anzahl dieser Tropenzecke in Deutschland dokumentiert. 2024 wurde eine größere Zahl an Hyalomma marginatum in Oberitalien (Friaul-Veneto) gemeldet. Viele Hyalomma-Arten sind beim Menschen nachgewiesen und gelten als zooanthrophil, d. h. sie befallen gelegentlich auch Menschen. Abgesehen von vielen nicht gemeldeten Fällen von Zeckenbissreaktionen durch Hyalomma-Zecken sind einige Fälle gut dokumentiert, nämlich durch H. marginatum (Keirans JE et al. 2001) und H. truncatum (Mathison BA et al.2015).
Bemerkung: Da Hyalomma-Arten in Deutschland und Italien nicht heimisch sind, werden sie von Ärzten, diagnostischen Mikrobiologen und Parasitologen bei der Identifizierung von Zecken, die von in den USA behandelten Patienten entfernt wurden, in der Differentialdiagnose möglicherweise nicht berücksichtigt. Aufgrund ihrer morphologischen Merkmale (längliche Mundwerkzeuge, Augen vorhanden, Festons vorhanden) werden sie häufig fälschlicherweise als Amblyomma identifiziert werden. Viele Hyalomma-Arten haben eine charakteristische Streifung der Beine, wobei die Beine dunkel mit weißen Flecken an den Gelenken sind.
Bemerkung: Wie bei anderen Ektoparasiten kann eine ausführliche Reiseanamnese wichtig sein, um eine definitive Diagnose von Zecken zu erhalten und das Risiko von durch Vektoren übertragenen Krankheiten zu bewerten.
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Pathophysiologie
Etwa 50 % der Arten können Krankheitserreger befallen und übertragen, vor allem das Virus des Hämorrhagischen Krim-Kongo-Fiebers (CCHF) beim Menschen und Theileria annulata bei Rindern (Theilerosis). Abgesehen davon sind Hyalomma-Arten auch für die Aufrechterhaltung und Übertragung vieler anderer Viren, Bakterien und Protozoen-Erreger auf Tiere und Menschen bekannt.
Klinisches Bild
Fallbericht- (Mathison BA et al. 2015): Ein bisher gesunder 59-jähriger Mann stellte sich in der Praxis seines Hausarztes vor, nachdem er am Vortag eine Zecke an der unteren Rückenpartie entdeckt hatte. Er hielt die Zecke zunächst für einen Hautbiss und entfernte sie vorsichtig. Nachdem er sie als mögliche Zecke identifiziert hatte, steckte er sie in eine Plastiktüte mit einer angefeuchteten Serviette und legte sie in den Kühlschrank. Der Patient war von einer Fotoreise aus Äthiopien zurückgekehrt, wo er etwa fünf Tage vor der Vorstellung mehrere ländliche Städte und Dörfer besucht hatte. Nach seiner Rückkehr in die USA hatte er einige Zeit in Kalifornien verbracht, war aber weder gewandert noch gezeltet. Der Patient berichtete über selbstlimitierende Kopfschmerzen am Vortag und Schüttelfrost während des Rückflugs. Ansonsten war er asymptomatisch und hatte keine Arthralgien oder Myalgien. Bei der Untersuchung war der Patient fieberfrei und machte einen gesunden Eindruck. Der Bereich um die Einstichstelle war erhaben, fest und empfindlich, umgeben von einem geröteten, konzentrischen Ausschlag von 3 cm Durchmesser. Der Fall wurde telefonisch mit dem örtlichen Spezialisten für Infektionskrankheiten besprochen. Angesichts der milden Symptome des Patienten wurde eine Serologie nicht empfohlen, es sei denn, die Symptome würden sich verschlimmern. Wegen des Risikos einer Rickettsieninfektion durch diese Zeckenart wurde der Patient mit 100 mg Doxycyclin zweimal täglich für insgesamt 21 Tage behandelt.
Klinisches Bild
Zeckenbisse werden oft nicht erkannt, können aber Juckreiz, Schmerzen, Entzündungen, Rötungen und Schwellungen an der Bissstelle verursachen. Hyalomma-Arten sind auch an der sog. Otoakariasis (Kasaragod SK et al. 2022). Darunter versteht man das (seltene) Vorkommen von Zecken und Milben im Gehörgang. Die häufigsten Symptome sind Juckreiz, Otalgie und ein Fremdkörpergefühl, seltener Tinnitus und Otorrhoe.
CCHFV-Virus (Krim-Kongo-Hämorrhagisches Fieber): Beim Menschen fungieren Hyalomma-Zecken als Überträger des CCHF-Virus (Lorenzo Juanes HM 2023).Weltweit wurde CCHFV bei 15 Hyalomma-Arten durch PCR/RT-PCR-Identifizierung und/oder durch Inokulation von Zeckenextrakt in Mäusen nachgewiesen, nämlich bei, H. aegyptium, H. anatolicum, H. asiaticum, H. dromedarii, H. excavatum, H. impeltatum, H. impressum, H. lusitanicum, H. marginatum, H. nitidum, H. rufipes, H. schulzei, H. scupense, H. truncatum und H. turanicum. (Mindestens acht Hyalomma-Arten wie H. marginatum, H. dromedarii, H. rufipes, H. anatolicum, H. asiaticum, H. truncatum, H. turanicum und H. impeltatum wurden als potenzielle Vektorkompetenz für den Erwerb, die Aufrechterhaltung und die Übertragung von CCHFV erkannt (Lorenzo Juanes HM 2023). Die gemeldete Sterblichkeitsrate liegt bei 3 % bis >30 %. Die Krankheit ist in Afrika, Asien, Osteuropa und im Nahen Osten endemisch. Einige sporadische Ausbrüche wurden auch im Kosovo, in Albanien, im Iran und in der Türkei verzeichnet. Vor kurzem wurde die westliche Ausbreitung des Virus in Europa durch den Nachweis von CCHFV in Zecken und autochthonen menschlichen Fällen in Spanien beobachtet. In den letzten zehn Jahren wurden die meisten Ausbrüche aus Pakistan, Iran, Sudan, Indien und Bulgarien gemeldet.
Bhanja-Virus: In Saudi-Arabien wurde über verschiedene zoonotische Viren aus verschiedenen Hyalomma-Arten wie Sindbis in H. dromedarii und H. impeltatum berichtet. Das Bhanja-Virus, ein Mitglied der Familie Phenuiviridae (Ordnung: Bunyavirales), wird durch den Biss von Arthropoden, einschließlich Zecken, auf Wirbeltiere übertragen. Es wurde zunächst aus Hemaphysalis intermedia und später aus verschiedenen Hyalomma-Arten isoliert, die für sporadische Fälle von fiebrigen Erkrankungen und Enzephalitis beim Menschen verantwortlich sind.
Dhori-Virus: Außerdem verursachen die Thogoto- und Dhori-Viren (Familie: Orthomyxoviridae) beim Menschen schwere Erkrankungen die auch tödlich verlaufen können. In erster Linie handelt es sich um ein von Zecken übertragenes Virus, aber auch eine Übertragung durch Aerosole ist beim Menschen möglich. Dhori-Viren können beim Menschen eine ähnliche Krankheit wie die Vogelgrippe (H5N1) verursachen.
West-Nil-Virus: Das West-Nil-Virus wird zwar 0hauptsächlich durch Stechmücken übertragen jedoch auch durch Hylomma marginatum. Es verursacht leichte bis schwere Erkrankungen, auch Enzephalitiden. Die Überträgerfähigkeit von H. marginatum wurde experimentell nachgewiesen .
Togaviridae: Das Venezolanische Pferdeenzephalitis-Virus (Familie: Togaviridae) ist für die Verursachung schwerer Erkrankungen bei Pferden und Menschen verantwortlich. Hauptüberträger sind die Stechmücken, aber es wurde auch über eine experimentelle Übertragung des Virus durch H. truncatum berichtet.
Hinweis(e)
Zecken und zeckenübertragene Krankheiten (TTBD) sind weltweit die größten Hindernisse für die Steigerung der Produktivität der Viehbestände, wobei die Schwelle in den Entwicklungsländern viel höher ist. Die kumulativen globalen Verluste, die durch die Bekämpfung von TTBDs entstehen, werden auf 22-30 Milliarden US-Dollar pro Jahr geschätzt (Kumar B et al. 2020). Zu den direkten Auswirkungen des Zeckenbefalls auf die Wirte gehören Pyämie, Toxikose und Lähmungen, die einen kumulativen Verlust von schätzungsweise 500 Millionen US-Dollar jährlich verursachen. Darüber hinaus wurden die Produktionsverluste aufgrund von Zeckenbefall in Bezug auf Wachstum und Milchproduktion auf 8,9 ml Milch bzw. 1 g Lebendgewichtszunahme pro festsitzender weiblicher Zecke pro Tag geschätzt.
Wer eine auffällige „Riesenzecke“ finden sollte, sollte sie mit einem Klebestreifen auf Papier befestigt – zur Dokumentation an das Robert Koch-Institut senden: Robert Koch-Institut, ZBS 1, Stichwort "Zecke", Seestraße 10, 13353 Berlin.
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Gargili A et al. (2017) The role of ticks in the maintenance and transmission of Crimean-Congo hemorrhagic fever virus: a review of published field and laboratory studies. Antivir Res 144:93–119.
- Kasaragod SK et al. (2022) Unusual Presentation of Otoacariasis: A Prospective Study at Referral Teaching Hospital. Indian J Otolaryngol Head Neck Surg 74(Suppl 3):4345-4349.
- Keirans JE et al. (2001) Invasion: exotic ticks (Acari: Argasidae, Ixodidae) imported into the United States. A review and new records. J Med Entomol 38:850–861.
- Kumar B et al. (2020) A review on Hyalomma species infestations on human and animals and progress on management strategies. Heliyon 6:e05675.
- Lorenzo Juanes HM (2023) Crimean-Congo Hemorrhagic Fever, Spain, 2013-2021. Emerg Infect Dis 29:252-259
- Mathison BA et al. (2015) Introduction of the exotic Hyalomma truncatum on a human with travel to Ethiopia: a case report. Ticks Tick Borne Dis 6:152–154.
- Molaei G et al. (2019) First Report of the Introduction of an Exotic Tick, Amblyomma coelebs (Acari: Ixodidae), Feeding on a Human Traveler Returning to the United States from Central America. J Parasitol 105:571-575.
- Sands AF et al. (2017) Effects of tectonics and large scale climatic changes on the evolutionary history of Hyalomma ticks. Mol. Phylogenet Evol 114:153–165.