VES I49.3

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Synonym(e)

premature ventricular contractions; PVC; vorzeitige ventrikuläre Kontraktionen; Vorzeitige ventrikuläre Schläge

Erstbeschreiber

Dem Kardiologen Bernhard Lown, geb. 1921 gelang im Jahre 1963 die erste erfolgreiche Kardioversion bei Vorhofflimmern (Weber 2018).

Die Klassifikation der ventrikulären Extrasystolen wurde von Bernhard Lown 1971 aufgestellt und nach ihm als „Lown- Klassifikation“ benannt (Weber 2018).

 

Definition

VES ist das Akronym für ventrikuläre Extrasystole. Unter einer ventrikulären Extrasystole versteht man eine vorzeitig ausgelöste Kontraktion der Ventrikel, die durch einen elektrischen Impuls ausgelöst wird, der NICHT aus dem Sinusknoten stammt, sondern vielmehr aus dem Purkinje- System der Kammern (Larsen 2022).

Im EKG sind VES erkennbar an der unterschiedlichen QRS- Morphologie und dem veränderten QRS- Vektor verglichen dem Grundrhythmus (Paul 2018).

Einteilung

VES werden unterteilt in:

Bei linksventrikulären ES ist der QRS- Komplex auf > 0,11 sec verlängert. Das EKG zeigt das Bild eines Rechtsschenkelblock- artigen deformierten QRS- Komplexes (Haas 2011).

Rechtsventrikuläre ES verbreitern den QRS- Komplex ebenfalls auf > 0,11 sec. Im EKG zeigt sich das Bild eines Linksschenkelblock- artigen deformierten QRS- Komplexes (Haas 2011).

  • Bündelstamm- VES

Die Bündelstamm- ES gehen als einzige ohne Verbreiterung des QRS- Komplexes einher. Ansonsten erfüllen sie aber die Kennzeichen der ES mit ungestörtem Sinusrhythmus und kompensatorischer Pause (Herold 2022).

  • Unifokale VES / Monomorphe VES:

Unifokale ES sind vom selben Herd ausgehende Extrasystolen. Sie zeigen deshalb im EKG die gleiche QRS- Morphologie (Kasper 2015). Sie können sowohl bei Herzgesunden als auch bei organischen Erkrankungen auftreten (Herold 2022).

  • Multifokale VES / Polymorphe VES

Bei den multifokalen ES finden sich verschiedene ventrikuläre Orte, von denen die ES ausgehen. Im EKG ist dies erkennbar an den unterschiedlichen QRS- Morphologien (Kasper 2015). Polymorphe ES treten ausschließlich bei organischen Herzmuskelerkrankungen auf und weisen auf einen Herzmuskelschaden hin (Herold 2022).

  • Volle kompensatorische Pause:

Bei Auftreten einer VES erfolgt eine retrograde Erregung der Vorhöfe. Diese löst in ca. 50 % der Fälle eine Entladung des Sinusknotens aus. Falls dieser Impuls nicht in den Sinusrhythmus eingreift, folgt der nächste Sinusreiz einem normalen Intervall. Dies bezeichnet man als volle kompensatorische Pause (Gertsch 2008).

  • Nicht volle kompensatorische Pause:

Falls die retrograde Erregung der Vorhöfe bei Auftreten einer VES in den Impuls des Sinusrhythmus eingreift, kommt es zu einem verfrühten Einsetzen des Sinusschlags. In diesem Fall spricht man von einer nicht vollen kompensatorischen Pause (Gertsch 2008).

S. a. o. „Volle kompensatorische Pause“

Beim Bigeminus finden sich monotope ES in Bezug zum normalen Rhythmus: Auf jede Normalaktion folgt eine VES:

Normalaktion (N) – VES (E) – NE – NE – NE. (Herold 2022)

  • Trigeminus:

Auch hierbei stehen polymorphe VES in Bezug zum normalen Rhythmus. Allerdings folgen hierbei auf jede Normalaktion zwei VES (Definition in Deutschland).

Definition des Trigeminus in Deutschland: NEE – NEE – NEE.

Definition des Trigeminus in den USA: NNE – NNE - NNE (Herold 2022)

  • 2 : 1- Extrasystolie:

Hierbei tritt nach 2 normalen Schlägen eine Extrasystole auf. Tritt die VES nach jedem 3. Normalschlag auf, spricht man von 3 : 1- Extrasystolie.

NNE – NNE – NNE bzw. NNNE – NNNE – NNNE (Herold 2022)

Hierbei treten 2 VES hintereinander auf. NEE – N – N (Herold 2022)

  • Triplet:

Bezeichnet das Auftreten von 3 VES hintereinander (Haas 2011) NEEE – N - N

Treten im EKG mindestens drei oder mehr VES hintereinander auf – ohne dass ein Normalschlag dazwischen liegt - , so spricht man von Salven.

NEEE – N – N - (Herold 2022)

  • R auf T- Phänomen:

Falls eine VES sehr frühzeitig auftritt, besteht die Gefahr, dass die VES in die vulnerable Phase von T fällt. Dadurch kann Kammerflimmern ausgelöst werden (Herold 2022).

  • Klassifikation der VES nach Lown im Langzeit- EKG:

- Einfache VES

- Grad 0: Keine VES

- Grad I: Monomorphe VES< 30 / h

- Grad II: Monomorphe VES > 30 / h

- Komplexe VES

- Grad III a: Polymorphe VES

- Grad III b: Ventrikulärer Bigeminus

- Grad IV a: Couplets

- Grad IV b: Salven

- Grad V: R auf T- Phänomen (Herold 2022)

Heutzutage wird die Lown- Klassifikation allerdings nicht mehr verwendet (Braun 2022)

 

Vorkommen/Epidemiologie

Ventrikuläre Extrasystolen stellen die häufigste Form einer Arrhythmie dar (Gertsch 2008). Sie treten bei der Allgemeinbevölkerung bei 3 – 20 % auf. Nicht selten werden sie zufällig bei routinemäßigen Tests festgestellt (Klewer 2022).

 

Der Anteil idiopathischer VES liegt bei ca. 10 %. Die Inzidenz nimmt mit zunehmendem Alter zu, wobei die altersangepasste Inzidenz symptomatischer VES bei Frauen höher ist als bei Männern (46,2 vs. 20,5 pro 100.000). Bei ca. 1 / 3 dieser Patienten kommt es zum Auftreten nicht anhaltender ventrikulärer Tachykardien (NSVT) und / oder supraventrikulären Reentry- Tachykardien (SVT). (Muser 2021)

 

Der häufigste Ursprungsort idiopathischer VES ist mit ca. 80 % (Muser 2021) der rechte ventrikuläre Ausflusstrakt mit Linksschenkelblock- artiger Konfiguration des QRS- Komplexes (s. a. „Lokalisation“).

(Kasper 2015)

Die Inzidenz des plötzlichen Herztodes durch das Auftreten von VES liegt bei < 0,1 % / Jahr (Ector 2021).

Ätiopathogenese

- Myokardischämie

- Hypoxie

- Anomalien der Elektrolyte (insbesondere Hypokaliämie)

- erhöhter Sympathikotonus (Kasper 2015)

- Digitalisintoxikation (hierbei treten insbesondere Bigeminus und Trigeminus auf [Herold 2022])

- Hyperthyreose (Haas 2011)

- angeborene Herzfehler

- entzündliche Herzerkrankungen

- Herztumoren (Paul 2018)

- bestimmte Medikamente wie z. B. Katecholamine, Chinidin, Atropin, Antiarrhythmika, Theophyllin

- Intoxikation mit Alkohol, Barbituraten (Wolff 2012)

- idiopathisch (Ip 2017)

 

Risikofaktoren für VES sind:

- zunehmendes Alter

- arterielle Hypertonie

- wenig körperliche Aktivität

- Rauchen

- Übergewicht (Marcus 2020)

Pathophysiologie

Bei den VES kommt es zu einer vorzeitigen Kontraktion der Kammern. Die Depolarisation erfolgt zuerst in der Kammer, in welcher die VES entstanden ist und danach erst in der anderen Kammer (Kasper 2015). Ausgelöst werden kann die vorzeitige Erregung durch:

- eine gesteigerte Automatie

- eine getriggerte Automatie

- einen Reentry- Mechanismus (Haas 2011)

Im EKG zeigt sich ein dissoziierter und deformierter Kammerkomplex (Roskamm 2013), da die Erregungsausbreitung vom ventrikulären Fokus weg durch das ventrikuläre Myokard langsamer ist. Dies führt zu einem QRS- Komplex, der typischerweise auf > 0,12 s verbreitert ist (Kasper 2015). Die Verbreiterung und Deformierung sind um so ausgeprägter, je weiter distal der Ursprung der VES liegt (Haas 2011).

Lokalisation

VES entstehen unterhalb der Bifurkation des His- Bündels (Herold 2022), überwiegend im peripheren oder proximalen His- Purkinje- System (Wolff 2012).

VES können ausgehen von:

- einem Herd der Myokard- oder Purkinje- Zellen, der zur Automatie fähig ist

- von einer getriggerten Automatik

- von einem Wiedereintritt durch Bereiche mit Narben

- einem kranken Purkinje- System (Kasper 2015)

  • Linksschenkelblock- artige Konfiguration

Die Abfolge der ventrikulären ES hängt vom Ausgangsort der ventrikulären Erregung ab. Von daher kann man an Hand der QRS- Morphologie auf Hinweise hinsichtlich des Ursprungsortes innerhalb der Ventrikel schließen. Bei Arrhythmien, die ihren Ursprung im rechten Ventrikel oder im Septum haben, wird ein Großteil des linken Ventrikels erst spät aktiviert. Im EKG erkennbar an einer prominenten S- Welle in V1 und der Linksschenkelblock- artigen Konfiguration des QRS- Komplexes (Kasper 2015).

  • Rechtsschenkelblock- artige Konfiguration

Bei Arrhythmien, die ihren Ursprung in der Wand des linken Ventrikels haben, zeigt sich eine ausgeprägte positive Ablenkung in V1 und eine Rechtsschenkelblock- artige Konfiguration des QRS- Komplexes (Kasper 2015).

  • Nach unten gerichtete Achse

Diese findet sich bei, wenn als Erstes der kraniale Ventrikel erregt wird. Im EKG finden sich dominante R- Wellen in den Ableitungen II, III und AVF (Kasper 2015).

  • Nach oben gerichtete Achse

Die nach oben gerichtete Achse mit dominanten S- Wellen in II, III und AVF deutet auf einen Beginn der Aktivierung in der unteren Wand hin (Kasper 2015).

  • Ektopie

Hinweise auf eine Ektopie sind im EKG nachweisbare glatte, ununterbrochene Konturen der VES mit scharfen QRS- Abweichungen. Breite Kerben hingegen und undeutliche QRS- Abweichungen deuten auf eine Erkrankung des Myokards hin (Kasper 2015).

  • Diskordante T- Welle

Hierbei ist der Ausschlag der T- Welle dem Ausschlag des QRS- Komplexes entgegen gerichtet (Haas 2011)

  • Kombinationssystole / Fusionsschlag

Der QRS- Komplex erscheint als eine Mischung zwischen einer VES und einem Sinusschlag. Die Depolarisation der Ventrikel erfolgt somit teils von der VES, teils vom Sinusschlag (Haas 2011).

  • His- Bündel- Extrasystole

Die VES erscheint als vorzeitig ein einfallender QRS- Komplex, der verschmälert ist und dem eine kompensatorische Pause folgt (Haas 2011).

 

Klinisches Bild

Der überwiegende Teil der Betroffenen nimmt keinerlei Symptome wahr. Ansonsten können folgende Symptome bestehen:

- Palpitationen:

Von ca. 30 % der Betroffenen werden Extrasystolen als Palpitationen bemerkt. Diese geben Herzstolpern oder Aussetzer als Symptome an. Nur ein Teil davon fühlt sich durch die Extrasystolen krank (Herold 2022).

- Schwächegefühl, Schwindel:

Diese entstehen durch langanhaltende Phasen eines Bigeminus mit Absinken des Herzzeitvolumens (Braun 2022).

- Dyspnoe:

Da Extrasystolen eine unbewusste Reaktion des autonomen Nervensystems verursachen, können Palpitationen eine Angstreaktion bis hin zur Panikattacke bei Betroffenen auslösen. Diese klagen dann u. U. über Dyspnoe, Enge in der Brust etc. (Meismann 2021).

- (Kardiale) Synkope:

Falls es bei Patienten mit VES zu einer Synkope oder Präsynkope kommen sollte, kann diese auf eine orthostatische Hypotonie, eine reflexvermittelte neurokardiogene Synkope oder aber auf eine Herzerkrankung bzw. ein genetisches Syndrom hindeuten. Falls der V. a. Letztere besteht, ist das Risiko für einen plötzlichen Herztod erhöht. In diesem Fall sollte eine KH- Einweisung mit Überwachung und ausführlicher Diagnostik erfolgen (Kasper 2015).

Verursacht werden können Synkopen oder Präsynkopen durch Salven oder durch Auslösen einer ventrikuläre Tachykardie bei VES (Haas 2011).

Diagnostik

Die Diagnose einer VES wird i. d. R. zunächst im Ruhe- EKG festgestellt. Es empfiehlt sich daraufhin zur weiteren Lokalisierung die Aufzeichnung mit einem 12- Kanal- EKG (Kasper 2015).

In der Familienanamnese sollten insbesondere eventuell vorliegende Kardiomyopathien oder plötzliche Todesfälle erfragt werden (Kasper 2015).

Anschließend sollte ein Langzeit- EKG zur weiteren Verifizierung erfolgen. Die weitere Diagnostik besteht aus Ergometrie, Echokardiographie (Herold 2022) und ggf. einer Kardio- MRT (Braun 2019).

 

Bildgebung

12- Kanal- EKG

Im EKG finden sich typischerweise:

- P- Welle fehlt (in den überwiegenden Fällen)

- Verbreiterung der schenkelblockartig deformierten (Haas 2011) QRS- Komplexe

- vorzeitig einfallende QRS- Komplexe (Braun 2022)

- diskordante T- Welle

- Kombinationssystole / Fusionsschlag (Haas 2011) s. a. „Lokalisation“

- anschließende kompensatorische Pause (Braun 2022)

Langzeit- EKG

Im Langzeit- EKG kann die Häufigkeit von VES geklärt werden (Haas 2011). Meistens finden sich tagsüber mehr VES als nachts (Braun 2022).

Es kann ein Nachweis bzw. Ausschluss etwaiger Salven und ventrikulärer Tachykardien erfolgen, ebenso eine Erfolgskontrolle der antiarrhythmischen Therapie (Haas 2011).

Belastungs- EKG

Dieses sollte bei Patienten mit V. a. anstrengungsbedingte VES und bei V. a. eine koronare Herzkrankheit durchgeführt werden (Kasper 2015). Grundsätzlich sind VES, die unter Belastung oder in der Erholungsphase zunehmen, als schwerwiegender einzustufen (Haas 2011).

Echokardiographie

In der Echokardiographie sind insbesondere zu beurteilen:

- ventrikuläre Funktion

- Hinweise auf Kardiomyopathie

- Hinweise auf eine ventrikuläre Hypertrophie

- Hinweise auf Erkrankungen der Herzklappen (Kasper 2015)

Kardiale Magnetresonanztomographie

Die MRT dient der Beurteilung der Herzstruktur, Herzfunktion und der Charakterisierung des Myokardgewebes (Muser 2021).

Die Untersuchung sollte mit spätem Gadolinium- Enhancement erfolgen, um eventuell vorhandene ventrikuläre Narben darstellen zu können. Außerdem sollte eine artherosklerotische Koronararterienerkrankung ausgeschlossen werden (Kasper 2015).

 

Labor

Falls VES gehäuft auftreten, sind folgende Blutuntersuchungen sinnvoll:

- Serumelektrolyte

- CK / CK- MB

- Troponin I

- TSH

- Medikamentenspiegel insbesondere bei Einnahme von Digitalis und Theophyllin

- Drogenscreening (Haas 2011)

Differentialdiagnose

- Aberrant übergeleitete SVES (Haas 2011)

Bei aberrant übergeleiteten SVES tritt eine verbreiterte QRS- Morphologie auf. Hierbei läuft die SVES über den AV- Knoten und trifft auf einen noch refraktären Tawara- Schenkel. Durch diese Blockierung findet eine abnorme Ausbreitung der Erregung in die Ventrikel statt, die zur verbreiterten QRS- Morphologie führt (Kalkreuth 2013).

Komplikation(en)

- (Reversible) Kardiomyopathie (Latchamsetty 2019)

Bei idiopathischen VES ist das Auftreten einer Kardiomyopathie möglich, wenn im Langzeit- EKG > als 15 % der Herzaktionen VES sind. Die Kardiomyopathie ist reversibel, falls eine erhebliche Reduktion der VES gelingt (Braun 2022).

Ist dies aber nicht der Fall, kann es zu einer fortschreitenden linksventrikulären Dysfunktion und Herzinsuffizienz kommen (Muser 2021).

- Abnahme der Ventrikelfunktion

- Kammerdilatation (Latchamsetty 2019)

- der Risikofaktor für das Auftreten einer Herzinsuffizienz steigt bei zunehmender Häufigkeit der VES

- plötzlicher Herztod (Marcus 2020)

 

Bei organischen Herzerkrankungen wie z. B. dem akuten Myokardinfarkt können VES Vorboten lebensbedrohlicher Arrhythmien bis hin zum Kammerflimmern sein. Als Vorboten gelten:

- gehäufte polytope und polymorphe VES

- Bigeminus

- Couplets

- Salven

- R auf T- Phänomen (Herold 2022)

s. a. „Einteilung“

 

Therapie allgemein

  • - VES bei organisch Gesunden:

Organisch Gesunde bedürfen i. d. R. bei Auftreten von VES keiner Therapie. Falls es jedoch zu einer zunehmenden Einschränkung der kardialen Funktion kommen sollte, wie dies z. B. bei der seltenen Tachykardie- induzierten Kardiomyopathie der Fall ist oder falls der Patient über subjektive Beschwerden klagt, sind therapeutische Maßnahmen sinnvoll (s. w. u.).

(Herold 2022)

 

  • - VES bei organisch nachgewiesenen Herzerkrankungen:

Hierbei differenziert man zwischen kausaler und symptomatischer Therapie (Herold 2022).

Die kausale Therapie ist die wichtigste und hinsichtlich der Prognose entscheidendste Form der Behandlung. Bei vorliegender KHK z. B. ist es die Revaskularisierung (Herold 2022).

S. a. „Interne Therapie“.

 

Interne Therapie

Die symptomatische Therapie besteht aus:

- Überprüfung des Kalium- und Magnesiumhaushaltes

Bei Defiziten empfiehlt sich die Substitution bis auf hochnormale Serumwerte (Herold 2022).

  • Antiarrhythmische Therapie:

- Indikationen für Antiarrhythmika sind:

       - erhöhtes Risiko eines plötzlichen Herztodes durch z. B. Kammerflimmern

       - komplexe VES bei Patienten mit Einschränkung der linksventrikulären Pumpfunktion bzw. schweren myokardialen Grunderkrankungen (Herold 2022)

       - symptomatische idiopathische VES (Muser 2021)

Bei Patienten mit idiopathischen VES besteht die Indikation für eine antiarrhythmische Therapie bei

- häufig auftretenden VES, d. h. > 15 % der Herzaktionen sind VES

- echokardiographischem Nachweis einer linksventrikulären Funktionsstörung

- Auftreten von Warn- Arrhythmien, d. h.:

       - Auftreten salvenartiger VES mit Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit

       - Auftreten von Synkopen (Braun 2022)

Bei Auftreten dieser Warn- Arrhythmien besteht durch einsetzendes Kammerflimmern immer die Gefahr eines plötzlichen Herztodes (Braun 2022).

Bei diesen Patienten ist der Einsatz von Klasse- I- Antiarrhythmika oder Betablockern als Basismaßnahme angezeigt (Braun 2022).

Antiarrhythmika der 1. Wahl sind Betablocker ohne intrinsische sympathomimetische Aktivität für Patienten mit eingeschränkter Pumpleistung und Z. n. Myokardinfarkt (Herold 2022).

  • Calziumkanalblocker:

Sollten Betablocker nicht den gewünschten Erfolg erbringen, ist eine Therapie mit nicht- Dihydropyridin- Calziumkanalblockern angezeigt. Die Dosierung sollte in der niedrigsten wirksamen Dosis angewendet werden, außer bei Patienten mit Z. n. Myokardinfarkt bzw. bestehender Herzinsuffizienz. Hier sollte die maximal tolerierte Dosis titriert werden (Muser 2021).

Falls sowohl mit Betablockern als auch mit Calziumkanalblockern kein therapeutischer Erfolg erzielt werden kann, empfiehlt sich die Therapie mit Natriumkanalblockern wie z. B. Flecainid bzw. Propafenon. Bei bestehender koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz oder schwerer linksventrikulärer Hypertrophie sind Natriumkanalblocker allerdings kontraindiziert (Muser 2021).

Bei Patienten mit VES- induzierter Kardiomyopathie hat sich Amiodaron als sinnvoll erwiesen, da diese die Symptome und die linksventrikuläre Funktion verbessern (Muser 2021)

Bei Patienten mit strukturellen Herzerkrankungen wie z. B. Herzinsuffizienz, KHK sind Klasse I Antiarrhythmika kontraindiziert, da es bei ihnen zu einer Verschlechterung der Prognose kommen kann. Ebenso zeigen Amiodaron und Sotalol keinen prognostischen Vorteil, sie führen sogar bei Patienten mit NYHA III zu einer Verschlechterung der Prognose. In all diesen Fällen ist ein implantierbarer Kardioverter- Defibrillator (ICD) zu empfehlen (Herold 2022).

  • Überprüfung des Digitalisspiegels:

Bei digitalisierten Patienten sollte der Digitalisspiegel kontrolliert. Der therapeutische Serumspiegel liegt für

- Digoxin: generell 0,8 – 2,0 ng / ml, bei Herzinsuffizienz 0,5 – 0,8 ng / ml

- Digitoxin: generell 9 – 30 ng / ml, bei Herzinsuffizienz keine Angaben (Karow 2021)

- Calcium: Ca2+ verstärkt die Wirkung von Digitalis und fördert somit die Toxizität (Karow 2021)

- Kalium: Eine Hyperkaliämie erhöht die Gefahr eines AV- Blocks (Lemmer 2007).

Eine etwaige Digitalisintoxikation kann folgendermaßen therapiert werden:

Sofortiges Beenden der Digitaliszufuhr.

Förderung der Elimination von Digitalis durch:

Antidotbehandlung mit Fab- Antikörperfragmenten wie z. B. DigiFab (Böhm 2000). Dosierung:

- bei bekannter Menge an Digitalis: 80 mg Antidigoxin- Fab binden 1 mg Digoxin, so dass der Digoxin- Spiegel um 1ng / ml sinkt und bei Digitoxin um 10 ng / ml (Flake 2021)

- bei unbekannter Menge an Digitalis: Bolus von 160 mg als Kurzinfusion in 5 %iger Glukose über 20 Min., danach 20 mg / h über 12 h (Flake 2021)

Bei kürzlich stattgehabter Intoxikation z. B. in suizidaler Absicht:

- Entgiftungsmaßnahmen in Form von:

       - Magenspülung bei einem Zeitintervall < 1 h

       - Gabe von Aktivkohle

- bei Intoxikation mit Digitoxin:

       - zusätzlicher Einsatz von Austauscherharzen wie z. B. Colestipol oder Colestyramin

- Hämoperfusion:

       - wirkt allerdings nicht bei einer Vergiftung mit Digoxin

       - Hämodialyse und Peritonealdialyse sind zur Glykosidelimination nicht geeignet (Böhm 2000)

- Symptomatische Therapie der Digitalisintoxikation in Form von:

       - temporärem Schrittmacher

       - Atropin bei Bradykardie (Herold 2022) Dosierung: 1mg Atropin i. v. (Böhm 2000)

- bei ventrikulären Extrasystolen, Tachykardien und Kammerflattern Einsatz von:

       - Magnesium 20 mval i. v. (2 mval = 1 mmol / l (Hartig 2004)

       - Phenytoin 100 mg i. v.

       - Lidocain 100 mg i. v.

       - Defibrillation

       - Kardioversion (Böhm 2000)

Operative Therapie

  • Radiofrequenz- Katheterablation (CA) (Muser 2021)

Die CA ist i. d. R. effektiver als die Behandlung mit Antiarrhythmika (Ene 2019).

Indikationen sind:

- idiopathische VES, bei denen

       - monomorphe VES aus einem singulären Arrhythmie- Fokus bestehen (Braun 2022)

       - die antiarrhythmische Therapie unwirksam ist, nicht vertragen oder die Langzeitbehandlung nicht bevorzugt wird und zusätzlich der V. a. eine durch VES ausgelöste Kardiomyopathie besteht

       - häufige und symptomatische VES (Cronin 2020)

       - bei fokal ausgelöstem Vorhofflimmern durch VES, das sich als refraktär gegenüber Antiarrhythmika erwiesen ha (Cronin 2020)

Die besten Ergebnisse lassen sich mit der CA erzielen, wenn es sich um einen singulären Arrhythmie- Fokus handelt und dieser mit dem Ablationskatheter gut erreicht werden kann wie das z. B. bei Lage im rechts- oder linksventrikulären Ausflusstrakt der Fall ist (Braun 2022).

  • Implantation eines Defibrillators

Die Implantation eines Defibrillators dient der Verhinderung eines plötzlichen Herztodes (Braun 2022)

Indikation sind:

- Vorliegen mehrerer Extrasystolie- Foci

- Foci in der Nähe von Reizleitungssystemen

- Foci im Bereich der Herzspitze (Braun 2022)

- idiopathische maligne VES (Ip 2017)

 

Verlauf/Prognose

Bis in die 1980er Jahre (Ip 2017) glaubte man, dass ventrikuläre Extrasystolen ohne Hinweise auf eine strukturelle Herzerkrankung eine gute Prognose haben, selbst dann, wenn sie gehäuft auftraten (Rath 2005).

Inzwischen hat sich diese Sichtweise bezüglich idiopathischer VES verändert, da sich gezeigt hat, dass anfällige Patienten:

- ein malignes Potential entwickeln können, das über polymorphe ventrikuläre Tachykardien Kammerflimmern auslöst und in einem plötzlichen Herztod enden kann

- eine Kardiomyopathie induzieren kann (Ip 2017)

Muser (2021) hält das Auftreten von Synkopen bei Patienten mit idiopathischen VES für ein Warnsignal hinsichtlich polymorpher ventrikulärer Tachykardien bzw. Kammerflimmern. Ansonsten hält er die Langzeitprognose idiopathischer VES ohne strukturelle Herzerkrankung für gut.

In zwei kürzlich durchgeführten Metaanalysen, die fast 150.000 gesunde Probanden umfasste, wird von einem 1,7- fachen Risiko für schwere kardiale Ereignisse und einem 2,64- fachen Risiko für einen plötzlichen Herztod berichtet. Muser (2021) empfiehlt aber, diese Ergebnisse sorgfältig zu interpretieren, da in dieser Metaanalyse nur eine einzige Studie Anamnese, körperliche Untersuchung und Ruhe- EKG berücksichtigte (Muser 2021).

Patienten mit einer bereits bestehenden Herzinsuffizienz zeigen bei Auftreten von VES eine erhöhte Mortalität (Kasper 2015).

Bei Patienten mit einem frischen Myokardinfarkt besteht bei Auftreten von VES ein erhöhtes Risiko für Kammerflimmern (Herold 2022).

Die Therapie mit Antiarrhythmika führen bei Patienten mit Herzerkrankung nicht zu einer Verbesserung der Lebenserwartung (Kasper 2015).

 

Nachsorge

Patienten mit häufigen VES sollten regelmäßig überwacht werden hinsichtlich der VES- Belastung und der linksventrikulären Funktion (Cronin 2020).

Hinweis(e)

Allgemeine Information

Früher wurden idiopathische VES als ein gutartiges Phänomen angesehen. Inzwischen hat sich gezeigt, dass bei anfälligen Patienten idiopathische VES:

- ein malignes Potential entwickeln können und so Kammerflimmern auslösen können, das in einem plötzlichen Herztod enden kann

- eine durch die VES bedingte Kardiomyopathie induzieren kann (Ip 2017)

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024