Pulsus paradoxus

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Erstbeschreiber

Die Beschreibung und Bezeichnung eines paradoxen Pulsus findet sich erstmals 1873 in einem Manuskript von Adolf Kussmaul: Ueber schwielige mediastino-pericarditis und den paradoxen puls.Kussmaul beschreibt darin den paradoxen Puls als einen leichten und unregelmäßigen Puls, der während der Einatmung verschwindet und beim Ausatmen wieder erscheint. Erste schriftliche Hinweise auf die Verringerung des Pulsvolumens während der Inspiration gab es aber schon 1669 von Lomer bei einer Patientin mit konstruktiver Perikarditis.

 

Definition

Während der Einatmung dehnt sich aufgrund des erhöhten Venenrückflusses der rechte Ventrikel aus. Das interventrikuläre Septum wird dadurch in den linken Ventrikel vorgewölbt und verringert seine Größe (sog. umgekehrter Bernheim-Effekt). Durch die erweiterten Lungen sammelt sich vermehrt Blut an und die Rückkehr zum linken Ventrikel vermindert sich. Das wiederum bewirkt eine Abnahme des Schlagvolumens des linken Ventrikel. Zusätzlich wird noch während der Inspiration der Druck auf die Aorta übertragen

Auf Grund dieser Mechanismen kommt es während der Inspiration auch bei Gesunden zu einem Abfall des systolischen Blutdrucks.

Bei einem Pulsus paradoxus kommt es aber während der Inspiration zu einem pathologischen Abfall des systolischen Blutdrucks von mehr als 10 mmHg.

Ätiologie

Bei folgenden Krankheitsbildern kann es zum Auftreten eines Pulsus paradoxus kommen:

 

  • restriktive Kardiomyopathie
  • Perikardtamponade (häufigste Ursache)
  • Perikarderguss
  • rechtsventrikulärer Myokardinfarkt
  • kardiogener Schock
  • Pericarditis constrictiva calcarea (Panzerherz)
  • Spannungspneumothorax
  • Lungenembolie
  • schwerer Asthmaanfall
  • obstruktive Lungenerkrankungen
  • anaphylaktischer Schock (während der Injektion von Urokinase: Ward G L 1992)
  • Obstruktion der oberen Vena cava
  • Volvulus des Magens
  • Zwerchfellhernie
  • extreme Fettleibigkeit

Klinisches Bild

Durch den pathologischen Abfall des systolischen Blutdrucks während der Inspiration kann es einer Erhöhung des Jugularvenendrucks kommen (sog. Kussmaul-Zeichen) mit Stauung der Vena jugularis. Dieses Zeichen ist ein Hinweis auf eine epikardiale Konstriktion.

Außerdem findet sich während der Inspiration eine deutliche Abschwächung bis hin zum Verschwinden des palpablen peripheren Pulsus. Während der Expiration ist der Puls wieder normal stark zu palpieren. Die Auskultation der Herztöne ist während der In- und Expiration unauffällig.

 

Diagnose

Es gibt verschiedene Arten, einen Pulsus paradoxus zu messen, sowohl apparativ als auch mechanisch.

Messung des Pulsus paradoxus mit einer Blutdruckmanschette:

Der Patient sollte nicht zu tief atmen, aber schon so tief, dass Brustbewegungen erkennbar sind.

Man misst dann den Blutdruck und pumpt die Manschette ca. 20 mm Hg über den systolischen Druck hinaus auf. Anschließend wird die Manschette in langsamem Tempo (ca. 2 – 3 mm Hg pro Herzschlag) entlüftet, bis der Korotkow-Ton während der Expiration zu hören ist. Danach wird der Druck, bei dem der Korotkow-Ton gleich gut sowohl bei der Ex- als auch bei der Inspiration zu hören ist, gemessen. Sofern die Differenz zwischen beiden Werten 10 mm Hg übersteigt, liegt ein Pulsus paradoxus vor.

Arterielle Wellenformanalyse

Zur Diagnostik eines Pulsus paradoxus kann auf der Intensivstation die zur Verfügung stehende arterielle Wellenform des Überwachungsgerätes verwendet werden. Hierbei werden Änderungen des systolischen Blutdrucks während der Ein – und Ausatmung visualisiert.

Pulsoxymetrie-Wellenformanalyse

Diese Technik findet z. B. bei Neugeborenen mit Herztamponade Anwendung.

Auch bei Patienten mit obstruktiver Atemwegserkrankung ist die Pulsoxymetrie-Wellenformanalyse eine nützliche und nicht-invasives Art, um kontinuierlich den Schweregrad eines Pulsus paradoxus bestimmen zu können.

Umgekehrter Pulsus paradoxus

Unter einem umgekehrten Pulsus paradoxus versteht man den Anstieg des systolischen Blutdrucks während der Inspiration. Signifikant ist dieser Druckanstieg bei Werten von über 15 mm Hg.

Das Phänomen wurde erstmals 1973 von Massumi RA et al. bei Patienten mit idiopathischer hypertrophischer subaortaler Stenose, isorhythmischem Ventrikelrhythmus und bei Patienten mit linksventrikulärem Versagen bei Überdruckbeatmung beschrieben.

Patienten, die mechanisch werden, zeigen durch die Überdruckbeatmung während der Systole ein Verschieben der Ventrikelwand nach innen, um die Entleerung des Ventrikels zu unterstützen. Dieser Mechanismus führt zu dem leichten Anstieg des systolischen Drucks.

Den umgekehrten Pulsus paradoxus kann man sich u.a. nutzbar machen, da er bei mechanisch beatmeten Patienten ein sensibler Indikator für eine Hypovolämie ist.

Pseudopulsus paradoxus

Schon Gauchat und Katz wiesen 1924 bei einem Patienten mit kompletten Herzblock darauf hin, dass bei bestimmten Besonderheiten irrtümlich ein Pulsus paradoxus diagnostiziert werden kann.

Sie legten deshalb Richtlinien fest, die bei der Diagnose des Pulsus paradoxus strikt einzuhalten sind, um Fehldiagnosen zu vermeiden:

  1. Der Puls muss an allen zugänglichen Arterien getastet werden
  2. Die Notwendigkeit tiefer Inspiration besteht nicht
  3. Es darf keine unregelmäßige Herztätigkeit vorliegen

Fehlen des Pulsus paradoxus

Es gibt auch Fälle, bei denen man normalerweise einen Pulsus paradoxus erwarten würde, dieser aber nicht eruierbar ist. Meistens hängt das damit zusammen, dass verschiedene Mechanismen der Kompensation eingesetzt werden und somit der Pulsus paradoxus verhindert wird.

Dies kann der Fall bei folgenden Erkrankungen sein:

  1. Sofern es bei einer Aortendissektion sowohl zu einer Herztamponade als auch einer Aorteninsuffizienz gekommen ist, füllt sich der linke Ventrikel während der Inspiration aus der Aorta. In diesem Fall fehlt der Pulsus paradoxus.
  2. Großer Vorhofseptumdefekt: Hierbei wird durch den Links-Rechts-Shunt der normale Anstieg des venösen Rückflusses während der Inspiration ausgeglichen.
  3. Isolierte Rechtsherztamponade: Kann bei Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz unter der Dialyse auftreten. Das Fehlen des Pulsus paradoxus ist hierbei ein Charakteristikum.
  4. Erhöhter linksventrikulärer diastolischer Druck.
  5. Veränderungen des intrathorakalen Drucks durch fehlende Beweglichkeit der Brustwand (z. B. schwere rheumatoide Spondylitis)
  6. Koexistenter Zustand der einen umgekehrten Pulsus paradoxus produziert.

Therapie

Die therapeutischen Maßnahmen richten sich nach der den Pulsus paradoxus auslösenden Grunderkrankung.

Prognose

Die Prognose ist abhängig von der Grunderkrankung.

 

Literatur
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  1. Bilchick K C et al (2002) Paradoxial physical findings described by Kussmaul: pulsus paradoxus and Kussmaul‘s sign. The Lancet 359: 1940-1942
  2. Gauchat H, Katz LN (1924) Observations on pulsus paradoxus. Arch Intern Med 33: 371-393
  3. Herold G et al. (2018) Innere Medizin. Herold Verlag SS 236, 362
  4. Khasnis A et al. (2002) Clinical sign in medicie: pulsus paradoxus. Journal of Postgraduate Medicine 48: 46-49
  5. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education SS 1445-1446
  6. Massumi RA et al (1973) Method and apparatus for measuring pulsus paradoxus. N Eng J Med 289: 1272-1275
  7. Ward G L et al. (1992) Pulsus paradoxus in anaphylactic shock due to urokinase administration. Chest 101: 589
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