Erstbeschreiber
Bereits im Jahre 1904 wurde der Nachweis von Glukose im Urin bei Euglykämie von Folin beschrieben.
Das Konzept der „Nierenschwelle“ stammt von Sindoni und Shannon aus den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts (Wolf 2009).
Allgemeine Information
Als Nierenschwelle bezeichnet man das tubuläre Transportmaximum für Glukose (Wolf 2009), d. h. den Wert des Blutzuckers, bei dem es zu einer Glykosurie kommt (Wiehl 2014).
Die Nierenschwelle für Glukose liegt normalerweise beim Erwachsenen bei ca. 180 mg / dl Glukose im Blut (Herold 2020). Ab diesem Wert können die tubulären Transportmechanismen nicht mehr eine vollständige Rückresorption von Glukose aus dem Primärharn gewährleisten und es kommt zum Auftreten von Glukose im Urin (Wolf 2009).
Die physiologische Glukosurie liegt bei 15 mg / dl, die untere Nachweisgrenze eines Teststreifens bei ca. 30 mg / dl (Herold 2020).
Aber es gibt Abweichungen davon:
- Schwangerschaft:
In der Schwangerschaft liegt die Nierenschwelle für Glukose bei < 150 mg / dl (Herold 2020).
Um einen Gestationsdiabetes zu diagnostizieren, sollte als Screening immer ein oraler Glukosetoleranz- Test (oGTT) durchgeführt werden, da durch eine Glukosurie durchschnittlich lediglich 10 % der Gestationsdiabetikerinnen identifiziert werden können (Herold 2020).
- Kinder und Jugendliche:
Bei Kindern und Jugendlichen schwankt die Kapazitätsgrenze der Nierentubuli für die Rückresorption von Glukose, so dass die Nierenschwelle einen Spielraum zwischen 140 mg / dl – 160 mg / dl Blutglukose hat (Danne 2014).
Bei Patienten mit einer diabetischen Nephropathie kann die Schwelle deutlich höher liegen bei bis zu ca. 300 mg / dl. Man findet somit bei diesen Patienten trotz einer Hyperglykämie keine Glukosurie. Von daher sind Teststreifen nicht immer aussagekräftig und ein normoglykämisches Therapieziel lässt sich durch Harnzucker- Selbsttestung nicht kontrollieren.
Zur Frühdiagnose eines Diabetes mellitus sollte deshalb besser der Nüchtern- Blutzucker- Wert (NBZ) bestimmt werden (Herold 2020).
- Glukosurie bei Normoglykämie:
Auch der umbekehrte Fall einer Glukosurie bei Normoglykämie ist möglich. Hierbei handelt es sich um das selten vorkommende Krankheitsbild eines renalen Diabetes mellitus mit tubulärer Partialfunktionsstörung oder um die Einnahme von SGLT2- / (1)- Hemmern (Gliflozine wie z. B. Empagliflozin [Menche 2020]), die durch Inhibierung des Natrium- Glukose- Cotransporters die Nierenschwelle für Glukose senken (Kessing 2014; Herold 2020)
- Cortisol / ACTH:
Sowohl Cortisol als auch ACTH können die Nierenschwelle senken (Weissbecker 2013)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Danne T et al. (2014) Diabetes bei Kindern und Jugendlichen: Grundlagen – Klinik – Therapie. Springer Verlag 129
- Herold G et al. (2021) Innere Medizin. Herold Verlag 730
- Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education
- Kessing R (2014) SGLT2- Inhibitoren – Effektive Blutzuckerregulation über die Niere. Diabetes aktuelle 12 (07) 331 - 332
- Menche N (2020) Innere Medizin: Weiße Reihe. Elsevier Urban und Fischer Verlag 178
- Shannon J A et al. (1941): The measurement of glucose Tm in the normal dog. Am J Physiol 133: 752 - 761
- Sindoni A (1939): Blood sugar versus urine sugar. J Am Med Assoc 112: 2503 - 2504
- Weissbecker (2013) Stoffwechselwirkungen der Steroidhormone: Zweites Symposium der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie. Springer Verlag 74
- Wiehl M (2014) Diabetes mellitus Typ 2: Forcierte Ausscheidung von Glukose. Dtsch Arztebl 111 (3) A – 91
- Wolf S (2009) Klinisch-experimentelle Untersuchungen zur renalen Glukoseausscheidung und -rückresorption als Funktionen der Blutglukosekonzentration bei Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2: Eine Kritik am Konzept der „Nierenschwelle“. Dissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Medizin Der Medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.