Definition
Bei der Markschwammniere handelt es sich um eine angeborene Fehlbildung der Nieren mit:
- Malformation der terminalen Sammelrohre in den Markpyramiden und Papillen
- Bildung medullärer Zellen
Die Markschwammniere betrifft zu 75 % beide Nieren (Herold 2021)
Einteilung
Durch das Ausmaß der Veränderungen in der Niere kann das Risiko einer symptomatischen Nephrolithiasis abgeschätzt werden:
- Grad 1: Hierbei findet sich 1 Kelch unilateral. Das Risiko liegt bei 0,09 Episoden / Jahr
- Grad 4: Es sind mehr als 1 Kelch beidseits betroffen. Das Risiko liegt dann bei 0,34 Episoden / Jahr (Kuhlmann 2015)
Auch interessant
Vorkommen/Epidemiologie
Die Inzidenz der Markschwammniere liegt bei 1 : 5.000 (Herold 2021), die der asymptomatischen bei 1 : 200 (Hegele 2015).
Ätiopathogenese
Es handelt sich hierbei um eine angeborene Erkrankung. Der Erbgang ist unbekannt (Keller 2010). Laut Hofmann (2005) sind familiär weniger als 5 % betroffen. Man vermutet, dass Veränderungen der Flusseigenschaften in den Tubuli die Steinbildung begünstigen (Kasper 2015).
Manifestation
Beschwerden treten bei einer Markschwammniere meistens erst im 4. oder 5. Lebensjahrzehnt in Form rezidivierender Harnwegsinfekte oder Nephrolithiasis mit Hämaturie, Koliken, Pyurie etc. auf (Risler 2008).
Klinisches Bild
Die Diagnose wird oftmals als Zufallsbefund beim i. v. Urogramm oder CT gestellt. Symptome können sein:
- rezidivierende Nephrolithiasis
- rezidivierende Harnwegsinfekte
- Symptome der chronischen Niereninsuffizienz (selten) (Hegele 2015)
Diagnostik
Die Diagnose wurde früher durch die i. v. Urographie gestellt. Inzwischen erfolgt diese i. d. R. durch eine CT, wenngleich diese eine geringere Sensitivität zeigt (Kasper 2015).
Bildgebung
Sonographie:
- Hyperechogene Papillen darstellbar (Hegele 2015)
- Nephrolithiasis
- Nephrokalzinose (Herold 2021)
- dorsales Schallauslöschphänomen kann - je nach Ausmaß der Verkalkungen – bestehen
- die Markpyramiden erscheinen gesprenkelt und mit brillanten Echos durchsetzt (auch als sog. „Christbaumphänomen“ bezeichnet) (Hofmann 2005)
- Kalkablagerungen in den Papillenspitzen (Herold 2021)
CT :
- eine von den Kelchen ausgehende radiäre Strahlung
- in betroffenen Kelchen gruppierte röntgendichte Steine
- verbreiterte Pyramiden
- im Bereich der Papillen wie Trauben angeordnete Zysten (stellen erweiterte Sammelrohre dar) (Keller 2010)
i. v. Pyelographie: Die ektatischen Sammelrohre sind mit Kontrastmittel gefüllt und der Abfluss ist verzögert. Im fortgeschrittenen Stadium treten Verkalkungen entlang der Sammelrohre auf (Hegele 2015). Heutzutage wird die i. v. Pyelographie allerdings nur noch selten zur Diagnostik eingesetzt. An ihre Stelle ist die CT getreten (Kasper 2015).
Histologie
Histologisch finden sich im Bereich der Markpyramiden papillär dilatierte Sammelrohre, von denen Zysten mit einem Durchmesser von ca. 1 mm – 8 mm ausgehen. Diese Zysten sind mit dem ableitenden Harnsystem verbunden und können Blut, Leukozyten, Zelldetritus etc. enthalten. Oftmals lassen sich Verkalkungen bzw. eine Nephrokalzinose nachweisen (Risler 2008)
Differentialdiagnose
- Medullary cystic disease (MCD) (Hofmann 2005)
- distal- tubuläre Azidose
- primärer Hyperparathyreoidismus (Kuhlmann 2015)
Differentialdiagnose der bilateralen Verkalkungen
- Hyperparathyreoidismus
- Vit.- D- Intoxikation
- Sarkoidose
- Tuberkulose
- multiples Myelom
- Milch- Alkali- Syndrom (Hegele 2015)
Hinweis(e)
Bei Patienten mit Nephrolithiasis findet sich in 3 % - 5 % eine Markschwammniere, bei denen mit Kalziumsteinen steigt der Anteil sogar auf bis zu 20 % an (Kuhlmann 2015).
Die Markschwammniere tritt auch bei Patienten mit Hemihypertrophie- Syndrom auf, bei denen das Risiko einen Wilms- Tumor zu entwickeln, erhöht ist. Hierbei sind regelmäßige Sonographie- Kontrollen erforderlich (Hofmann 2005).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Bartels H (2013) Raumforderungen der Niere im sonographischen Bild: Textbuch und Atlas. Springer Verlag 121
- Beetz R et al. (2011) Kinderurologie in Klinik und Praxis. Thieme Verlag 256
- Berwanger B et al. (2002) Alström- Syndrom: Eine Differenzialdiagnose zum Bardet- Biedl- Syndrom. Eine Differentialdiagnose zum Bardet- Biedl- Syndrom. Monatsschrift Kinderheilkunde (150) 58 – 61
- Braune K (2017) Charakterisierung von ALMS1 (Alstrom syndrome 1)-Transkripten in Hodgkin-Lymphom-Zellen. Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin (Dr. med.) vorgelegt der Medizinischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
- Danne T et al. (2016) Adipositas, Diabetes und Fettstoffwechselstörungen im Kindesalter. Walter de Gruyter Verlag 5
- Deeg K H et al. (2014) Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie. Thieme Verlag 864 – 866
- Engelskirchen R et al. (2006) Asphyxierende Thoraxdysplasie (Jeune- Syndrom): Erfolgreiche mehrzeitige Korrektur. Monatszeitschrift Kinderheilkunde (12)
- Entezami M et al. (2002) Sonographische Fehlbildungsdiagnostik: Lehratlas der fetalen Ultraschalluntersuchung. Ausgewählte Syndrome und Assoziationen. Thieme Verlag 245
- Forsythe E et al. (2013) Bardet- Biedl- syndrome. Eur J Hum Genet 21, 8 – 13. https://doi.org/10.1038/ejhg.2012.115
- Ganten D et al. (2013) Monogen bedingte Erbkrankheiten 2 : Handbuch der Molekularen Medizin. Springer Verlag 291 - 292
- Gimpel C et al. (2019) Bildgebende Diagnostik bei Kindern mit Nierenzysten und Zystennieren. Monatszeitschrift Kinderheilkunde (167) 530 - 538
- Hegele A et al. (2015) Urologie: Intensivkurs zur Weiterbildung. Thieme Verlag 117 – 121, 124 – 129
- Heinrich M et al. (2019) Kinderchirurgie: Basiswissen und Praxis. W. Zuckschwerdt Verlag 192 – 193
- Herold G et al. (2021) Innere Medizin. Herold Verlag 630 - 634
- Hofmann V et al. (2005) Ultraschalldiagnostik in Pädiatrie und Kinderchirurgie. Georg Thieme Verlag 439, 453 - 454
- Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 1850 - 1856
- Kasper D L et al. (2016) Harrisons Innere Medizin. Georg Thieme Verlag 2279 - 2285
- Keller C K et al. (2010) Praxis der Nephrologie. Springer Verlag 43 – 51, 53 - 54
- Kemper M et al. (2020) S2k- Leitlinie Nierenzysten und zystische Nierenerkrankungen: Nierenzysten und zystische Nierenerkrankungen bei Kindern. AWMF Register Nr. 166 / 003
- Knaup K X et al. (2019) Autosomal-dominante tubulointerstitielle Nierenerkrankungen (ADTKD). Der Nephrologe. DOIhttps://doi.org/10.1007/s11560-019-0318-y
- Korinthenberg R et al. (2009) Neuropädiatrie: Evidenzbasierte Therapie. Urban und Fischer Verlag 19
- Kuhlmann U et al. (2015) Nephrologie: Pathophysiologie - Klinik – Nierenersatzverfahren. Thieme Verlag 64, 653 - 665
- Lerchbaumer M H (2018) „Die Bosniak-Klassifizierung von Nierenzysten im kontrastmittelunterstützten Ultraschall (CEUS) vergleichend zur Computertomographie und Magnetresonanztomographie“ Inauguraldissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doctor medicinae (Dr. med.) vorgelegt der Medizinischen Fakultät Charité - Universitätsmedizin Berlin
- Manski D (2019) Das Urologielehrbuch. Dirk Manski Verlag 231 – 236
- Michels G et al. (2010) Klinikmanual Innere Medizin Springer Verlag 504 - 505
- Risler T et al. (2008) Facharzt Nephrologie. Elsevier Urban und Fischer Verlag 372 – 373, 752 - 754
- Schmidt F et al. (2006) Rosiglitazon- Langzeittherapie bei Patienten mit Alström- Hallgren- Syndrom. Diabetologie und Stoffwechsel 1 (3) 168 - 172
- Sohn C et al. (2013) Ultraschall in Gynäkologie und Geburtshilfe. Thieme Verlag 243 - 244
Disclaimer
Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.