Koma, ketoazidotisches E87.2

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

Alle Autoren dieses Artikels

Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024

This article in english

Synonym(e)

Coma diabeticum; diabetische Ketoazidose; diabetisches Koma; ketoazidotisches Koma

Erstbeschreiber

Aus dem Jahre 1711 finden sich Aufzeichnungen von Valentini, in denen er bei einem an Diabetes mellitus Erkrankten einen apfel- oder veilchenartigen durchdringenden Geruch des Körpers und des Urins beschrieb, der am ehesten dem Azetongeruch entspricht. Joseph Kaulich (1830 – 1886) bestätigte 1860 diese Beobachtung und benannte das klinische Bild als eine „Azetonämie“.

Im Jahre 1842 zeichnete als Erster William Prout (1785 – 1850) sämtliche Symptome eines diabetischen Komas auf(Schadewaldt 1975).

Adolf Kußmaul (1822 - 1902) hat 1874 erstmals die besondere Atmung beim Coma diabeticum beschrieben, die dann später nach ihm benannt wurde und als Kußmaul Atmung bekannt ist (Kluge 2003).

Howard Root beschrieb 1945, dass die bis 1940 bestehende Sterblichkeitsrate der diabetischen Ketoazidose von 12 % durch hohe Insulingaben auf 1,6 % gesenkt werden konnte (Dhatariya 2017).

Definition

Unter einem ketoazidotischen Koma versteht man eine lebensbedrohliche metabolische Komplikation des Diabetes mellitus, die durch einen absoluten Insulinmangel hervorgerufen wird und gekennzeichnet ist durch:

  • Hyperglykämie
  • metabolische Azidose
  • Zunahme der zirkulierenden Ketonkörper im Blut (Meyhöfer 2020)

Eine weitere Form des ketoazidotischen Komas zeigt zwar eine metabolischen Azidose und eine Zunahme der Ketonkörper, der Blutzuckerspiegel liegt aber < 200 mg / dl. Dies definiert die euglykämische Ketoazidose (EDKA).

(Modi 201])

 

 

Einteilung

Das ketoazidotisches Koma (DKA = diabetic ketoacidosis [Kasper 2015]) gehört zusammen mit dem hyperosmolares Koma (HHS = hyperglycemic hyperosmolar state [Kasper 2015]) zur Gruppe des hyperglykämischen Komas (Herold 2020).

Das ketoazidotische Koma selbst unterteilt sich in eine:

  • hyperglykämische diabetische Ketoazidose
  • euglykämische diabetische Ketoazidose

(Karslioglu 2019)

 

Bei der diabetischen Ketoazidose differenziert man zwischen unterschiedlichen Schweregraden:

  • leicht: pH < 7,3 Bikarbonat < 15 mmol / l
  • mittel: pH < 7,2 Bikarbonat < 10 mmol / l
  • schwer: pH < 7,1 Bikarbonat < 5 mmol / l

(Herold 2020)

Vorkommen/Epidemiologie

In den letzten 10 Jahren hat die Häufigkeit für das Auftreten einer diabetischen Ketoazidose zugenommen (Karslioglu 2019). Die Ketoazidose entwickelt sich aber nur selten bis hin zum Koma (Lohr 2002).

Die DKA ist mit 80 – 90 % das am häufigsten auftretende Koma (Waldhäusl 2013).

Die Inzidenz wird auf 6,4 – 14 Fälle pro 100.000 Einwohner bzw. 4,6 – 8 Fälle pro 1.000 Diabetiker geschätzt. Bei 20 – 30 % handelt es sich um die Erstmanifestation eines DM (Mehnert 2003).

Die DKA tritt bevorzugt beim Typ 1 DM auf, kann aber auch beim Typ 2 DM auftreten, dann überwiegend bei Patienten, die dem ketoseanfälligen Typ, auch als „Flatbush“ bezeichnet (Evans 2019), angehören wie z. B. Personen:

  • hispanischer, afroamerikanischer (Kasper 2015) oder karibischer Abstammung (Evans 2019).

Neben dem hyperglykämischen ketoazidotischen Koma findet auch zunehmend die euglykämische diabetische Ketoazidose (EDKA) Beachtung, welche ebenfalls sowohl beim Typ 1 DM als auch beim Typ 2 DM vorkommt (Nasa 2021).

 

 

Ätiopathogenese

Die häufigste Ursache der diabetischen Ketoazidose stellt mit ca. 45 % eine akute Infektion dar (erhöhter Insulinbedarf), gefolgt von ungenügender exogener Insulinzufuhr mit ca. 20 %, Erstdiagnose eines DM und Alkohol- bzw. Drogenproblemen (Karslioglu 2019).

  • Infektionen der:
    • Atemwege
    • Magen- Darm- Trakt
    • Urogenitaltrakt (Adeyinka 2021)
  • ungenügende exogene Insulinzufuhr durch z. B.:
    • unzureichende Verordnung von Insulin
    • technische Fehler bei der Abmessung oder bei der Injektion (Herold 2020)
    • Angst vor Hypoglykämien
    • Angst vor Gewichtszunahme (Karslioglu 2019)
  • fehlende exogene Insulinzufuhr:
    • Erstmanifestation eines bis dahin unbekannten Diabetes mellitus
    • Unterbrechung der Insulingabe bei Insulinpumpen
    • falsche Lagerung des Insulins (zu heiß oder zu kalt)
    • unzureichende Behandlung (Tabletten statt Insulin bei Insulinbedürftigkeit)
    • unterlassene Injektion
    • Defekte des Pen (Herold 2020)
  • erhöhten Insulinbedarf:
    • Unfall
    • Operation
    • gastrointestinale Erkrankungen
    • bei Infektionen (s. o.)
    • Fehler bei der Diät
    • Gravidität
    • Hyperthyreose (Herold 2020)
    • Behandlung mit Kortikosteroiden, Saluretika (Herold 2020), Beta- Blocker (Ellinger 2007)
    • akuter Myokardinfarkt (Herold 2020)
    • Stress (Ellinger 2007)
    • Pankreatitis (Haak 2018)

 

Euglykämische Ketoazidose:

Verursacht werden kann die EDKA durch:

  • Behandlung mit SGLT2- Inhibitoren (Karslioglu 2019)
  • Vermutung genetischer Faktoren beim Typ 2 DM, sog. Flatbush (s. „Vorkommen“) (Evans 2019)

Als mögliche Ätiologien werden diskutiert:

  • Schwangerschaft (Pathophysiologie unklar)
  • kürzliche Verwendung von Insulin
  • erheblicher Alkoholkonsum
  • verminderte Kalorienzufuhr
  • Störungen der Glykogenspeicher
  • chronische Lebererkrankungen (Modi 2017)
  • Kokainmissbrauch (Abdin 2016)

Pathophysiologie

Bei der DKA liegen sowohl ein relativer als auch ein absoluter Insulinmangel vor.

Das führt dazu, dass es trotz der erhöhten BZ- Werte zu einer hepatischen Glukoneogenese und einer Lipolyse kommt. 

Bei Letzterer bilden sich Ketonkörper wie z. B. Aceton, Acetessigsäure und Beta- Hydroxybuttersäure. Die Säuren bewirken einen Abfall des pH- Wertes, vergrößern die Anionenlücke und führen zu einem Verbrauch von Bikarbonat (Reitgruber 2021).

Sowohl durch die Hyperglykämie als auch durch die hohe Konzentration der Ketonkörper kommt es zu einer osmotischen Diurese, die mit Verlusten von Chlorid, Kalium, Kalzium, Magnesium, Natrium und Phosphat verbunden ist. 

Die osmotische Diurese führt außerdem zu einer Hypovolämie mit Abnahme der glomerulären Filtrationsrate (Karslioglu 2019).

Klinisches Bild

Bei der diabetischen Dekompensation differenziert man zwischen drei verschiedenen klinischen Formen:

  • 1. Kardiovaskuläre Form:

Hierbei bestehen z. B. ein Volumenmangel, Schock etc.

  • 2. Pseudoperitonitische Form:

Bei dieser Form zeigen sich peritoneale Reizerscheinungen mit Magen- und Darm- Atonie (Gefahr der Magenüberblähung!)

  • 3. Renale Form:

Diese führt zu einem akuten Nierenversagen.

(Herold 2020)

 

Das ketoazidotische Koma entwickelt sich sehr plötzlich, innerhalb von Stunden oder wenigen Tagen (Lohr 2002) - im Gegensatz zum hyperosmolaren Koma, das einen schleichenden Beginn zeigt (Herold 2020).

 

Bei der DKA reicht das Spektrum der Symptomatik von einer leichten ketoazidotischen Stoffwechselentgleisung bis hin zum lebensbedrohlichen diabetischen Koma, wobei die Ausprägung der Symptome mit dem Schweregrad der Ketoazidose korreliert (Haak 2018).

Im Prodromalstadium der DKA bestehen meistens Polyurie (primär; durch osmotische Diurese [Berndt 2015]), Polydipsie und ein diffuser Bauchschmerz mit Übelkeit (Lohr 2002).

Folgende Symptome können hinzukommen:

  • Dyspnoe
  • Tachypnoe (Reitgruber 2021)
  • Erbrechen (verursacht durch eine Ketose [Berndt 2015]
  • abdominelle Schmerzen bis hin zur sog. „Pseudoperitonitis diabeticum“

Diese wird ausgelöst durch die Hypokaliämie und Azidose (Berndt 2015).

  • mangelnder Appetit
  • Gewichtsverlust (durch Diurese, Katabolie [Berndt 2015])
  • reduzierter AZ 
  • allgemeine Schwäche
  • Zeichen der Dehydratation wie z. B.:
    • abhebbare, stehende Hautfalten
    • trockene Mundhöhle (Dehydratation verursacht durch osmotische Diurese [Berndt 2015])
    • Muskelkrämpfe (verursacht durch Flüssigkeits- und Elektrolytverlust [Berndt 2015])
    • Blutdruckabfall (ebenfalls durch Flüssigkeits- und Elektrolytverlust verursacht [Berndt 2015])
    • Oligo- Anurie (sekundär)
  • Kussmaul- Atmung zur Kompensation der Azidose 
  • Azetongeruch der Ausatemluft 
  • Versagen der Reflexe
  • Gastroparese (verursacht durch die Hyperglykämie [Berndt 2015])

Beim mittleren Schweregrad einer DKA kommt noch eine allgemeine Schläfrigkeit hinzu, die bei schweren Verlaufsformen mit einem Bewusstseinsverlust einhergeht(Haak 2018).

 

Bei Patienten mit euglykämischer Ketoazidose sind Polyurie und Polydipsie i. d. R. nicht so stark ausgeprägt. Hier stehen eher Tachykardie und Tachypnoe mit oder ohne Fieber im Vordergrund (Karslioglu 2019).

Diagnostik

Da die klinischen Symptome mitunter nicht immer eindeutig sind, ist bisweilen das auslösende Krankheitsbild wie z. B. Infektion, Apoplex, Myokardinfarkt etc. klinisch führend (Haak 2018).

Körperliche Untersuchung 

  • Hinweise auf eine Exsikkose
  • Tachypnoe
  • Kußmaul- Atmung
  • Tachykardie
  • Azetongeruch
  • pseudoperitonitische Symptome

(Reitgruber 2021)

Glasgow- Koma- Skala: Der Schweregrad der Bewusstseinsstörung wird mit der Glasgow- Koma- Skala bestimmt, bei der die Punktzahl zwischen 3 und 15 Punkten liegen kann (Herold 2020).

 

 

Labor

Die DKA wird biochemisch definiert als:

  • Blutglukose > 250 mg / dl (13,9 mmol / l)

plus

  • Ketonämie 

und / oder 

  • Ketonurie

und / oder

  • arterieller pH < 7,35

oder

  • venöser pH < 7,3
  • Serum- Bikarbonat < 270 mg / dl (15 mmol / l)

(Haak 2018)

 

Verdächtig auf eine DKA sind:

  • Ketonkörper im Urin oder Blut
  • Hyperglykämie

Falls diese Werte pathologisch sind, empfiehlt es sich zur weiteren Diagnostik, folgende Werte zu bestimmen:

  • arterielle und venöse Blutgasanalyse
  • Blutbild
  • Kalium
  • Serum- Kreatinin
  • CRP (Haak 2018)

Die American Diabetes Association (ADA), der Joint British Diabetes Societies for Inpatient Care und der American Association of Clinical Endocrinologists empfehlen die direkte Messung des Acetoacetats im Urin oder des β-Hydroxybutyrats im Blut (Karslioglu 2019).

Bei V. a. Infektionen sollten außerdem Blutkulturen entnommen werden (Haak 2018).

 

 

Differentialdiagnose

  • akutes Abdomen bei Peritonitiszeichen (Herold 2020)
  • euglykämisches diabetisches Koma
  • hyperosmolares Koma (keine Kussmaulsche Atmung, kein Azetongeruch der Ausatemluft, Blutzucker > 600 mg / dl etc.[Plewa 2021])

Bei einer plötzlichen Bewusstlosigkeit kommen differentialdiagnostisch in Frage:

  • Kardiovaskulär z. B.:
    • Schock
    • Kollaps
    • Adam- Stokes- Anfall
    • Kreislaufstillstand (Herold 2020)
  • Zerebrale Störungen z. B.:
    • Subarachnoidalblutung
    • subdurales / epidurales Hämatom
    • hypertone Massenblutung
    • Sinusthrombose 
    • Meningitis
    • Enzephalitis
    • Enzephalomalazie
    • Schädel- Hirn- Trauma
    • Epilepsie
    • generalisierter Krampfanfall (Herold 2020)
  • Endokrine Störungen z. B.:
  • Toxisch z. B.:
    • exogene Vergiftungen durch
    • Alkohol (das Krankheitsbild der alkoholischen Ketoazidose [AKA] ist sehr ähnlich [Plewa 2021]
    • Drogen, insbesondere Heroin
    • Psychopharmaka
    • Sedativa
    • endogene Vergiftungen durch 
    • Coma hepaticum
    • Urämie (Herold 2020)
  • Anoxämisch z. B.:
    • Hyperkapnie bei respiratorischer Globalinsuffizienz
    • Erstickung (Herold 2020)
  • Laktatazidotisches Koma z. B.:
    • schwere Hypoxie
    • Leigh- Enzephalopathie (selten [Danne 2016])
    • NW einer Therapie mit Biguaniden
    • Infusion mit Fruktose bei Fruktoseintoleranz 
  • Psychisch z. B.:
    • Hysterie (Herold 2020)

Komplikation(en)

  • venöse Thromben
  • akutes Atemnotsyndrom
  • Hirnödem (entwickelt sich häufig bei Kindern, wenn die DKA abklingt; sowohl die Ätiologie als auch die Therapie des Hirnödems sind bislang nicht eindeutig geklärt)
  • obere gastrointestinale Blutung (Kasper 2015)
  • hyperchlorämische Azidose (durch zu große Mengen an NaCl- Lösung [Berndt 2015])
  • Hypokaliämie (überwiegend Folge einer verzögerten Supplementierung von Kalium)
  • Hyperkaliämie (selten, meistens sind Patienten mit Nierenfunktionsstörungen betroffen)
  • Myokardinfarkt
  • Lungenödem (Karslioglu 2019)

Die Rate an Komplikationen ist bei Patienten mit Z. n. Ketoazidose auch noch nach dem Krankenhausaufenthalt erhöht,so tritt z. B. ein Apoplex 1,55 x häufiger auf als bei Patienten ohne vorausgegangene Ketoazidose (Karslioglu 2019).

Therapie allgemein

Bei einem klinischem V. a. eine mittlere oder schwere DKA sollten Patienten umgehend stationär eingewiesen werden zur intensivmedizinischen Behandlung. Bei einer leichten Form kann u. U. eine ambulante Behandlung möglich sein (Haak 2018).

 

Zur intensivmedizinischen Therapie können notwendig werden:

  • Blasenkatheter für die Bilanzierung
  • zentralvenöser Katheter zur ZVD- Messung 
  • Magensonde bei der pseudoperitonitischen Form (Herold 2020)

 

Überwacht werden sollten:

  • halbstündlich:
    • Blutdruck 
    • Herzfrequenz (Haak 2018)
  • stündlich:
    • Blutzucker
  • alle 2 h:
    • Base- excess
    • Bicarbona
    • Natrium
    • Kalium 
    • Glasgow Coma Skala
    • Blutgasanalyse mit pH- Wert (Herold 2020 / Haak 2018)

 

Prophylaxe erforderlich hinsichtlich:

 

 

Interne Therapie

Bei der DKA werden folgende Therapieprinzipien empfohlen:

  • Initiale Volumengabe von 1 l isotoner Lösung (z. B. 0,9 % NaCl) innerhalb der ersten Stunde zur Stabilisierung des Kreislaufs. Anschließend sollten Flüssigkeit und Elektrolyte in Abhängigkeit von Begleiterkrankungen, Alter, Größe und Gewicht verabreicht werden (die Zufuhr von 6 l / 24 h kann u. U. dabei erforderlich werden [Haak 2018]).

Bei Patienten mit bekannter Herzinsuffizienz besteht die Gefahr eines Lungenödems durch zu rasche Infusionsgeschwindigkeit. Hier sollte deshalb nur langsam infundiert werden (Herold 2020).

 

  • Kalium:

Eine Hypokaliämie muss vor der Insulinbehandlung ausgeglichen werden, da durch Insulin das Kalium nach intrazellulär verschoben wird und dadurch die Gefahr eines hypoglykämischen Kammerflimmerns besteht (Herold 2020).

  • Substitution von Kalium bei einem pH von > 7,1:
    • bei Kalium > 4 - 5 mmol /l Substitution von 10 – 15 mmol / l
    • bei Kalium 3 – 4 mmol / l Substitution von 15 – 20 mmol / l
    • bei Kalium < 3 mmol / l Substitution von 20 – 25 mmol / l (Herold 2020)

Pro 1.000 ml NaCl 0,9 % sollten jeweils maximal 40 mmol Kaliumchlorid infundiert werden (Haak 2018). Kontraindikation für die Kaliumgabe ist die Anurie (Herold 2020).

Kommt es unter der Insulintherapie zu einer Hypokaliämie von < 3 mmol / l, sollte die Insulinzufuhr – falls möglich - unterbrochen werden (Herold 2020).

Der Zielwert des Serumkaliums sollte bei > 3,5 mmol / l liegen (Kasper 2015).

 

Die Insulinzufuhr sollte über einen Perfusor laufen.

Bei einer Exsikkose kann Insulin nur schlecht wirken, deshalb ist eine primäre Volumengabe erforderlich, um einen guten Effekt des Insulins zu erreichen (Reitgruber 2021).

Im Schockzustand sollten die Patienten ausschließlich mit Normalinsulin behandelt werden, die Wirkdauer beträgt 20 – 40 Min., die Halbwertszeit liegt bei < 10 Min. (Herold 2020).

Die Blutglukosekonzentration sollte um 50 mg / dl / h (2,8 mmol / l) gesenkt werden, aber während der ersten 24 Stunden nicht tiefer als 250 mg / dl, um ein Hirnödem und Schäden der Retina zu vermeiden (Herold 2020). 

Ab einer Blutglukosekonzentration von 300 mg / dl (16,7 mmol / l) sollte parallel eine Infusion mit 10 %iger Glukose laufen zur Vermeidung

- eines zu raschen Blutglukoseabfalls (Haak 2018)

- einer Lipolyse mit Anstieg der freien Fettsäuren (Herold 2020).

Es empfiehlt sich bei den meisten Patienten eine „low- dose“ Insulintherapie, d. h.:

- initialer Bolus von 0,10 – 0,15 IE / kg KG i. v. und anschließend über die Dosierpumpe ca. 5 IE Normalinsulin / h i. v. (Herold 2020)

Falls innerhalb von 2 h der Blutzucker nicht abfällt, benötigt der Patient auf Grund einer Insulinresistenz höhere Dosen Insulin. Um diese Resistenz zu durchbrechen, sollte die Insulindosis verdoppelt werden. In seltenen Fällen kann es vorkommen, dass darüber hinaus eine noch höhere Insulinmenge benötigt wird (Herold 2020).

 

  • Bikarbonat:

Bikarbonat ist erst ab einem pH- Wert < 7,0 und nur bis zur Korrektur auf pH 7,1 zu substituieren (Haak 2018), da ohnehin unter der Insulintherapie die Lipolyse gehemmt wird. Die Dosierung sollte zur Vermeidung einer Hypokaliämie lediglich bei 25 % des errechneten Bedarfs liegen (Herold 2020). Mit einer zu hohen Dosis an Bikarbonat steigt außerdem das Risiko für ein Hirnödem (Kasper 2015).

 

  • Natrium:

Die Substitution von Natrium erfolgt im Rahmen der Infusionstherapie (Herold 2020)

 

  • Phosphat:

Phosphat liegt meistens im Normbereich. Bei einem Wert < 0,5 mmol / l empfiehlt sich evtl. die Substitution von ca. 50 mmol / 24 h. Kontraindiziert ist Phosphat allerdings bei  Niereninsuffizienz (Herold 2020).

 

  • Magnesium:

Unter der Behandlung der DKA kann es zu einem Magnesiummangel kommen, der eine entsprechende Substitution erforderlich macht (Kasper 2015).

 

  • spezifische Therapie wie z. B.
    • Antibiotika etc.

 

  • Ursachenforschung (Haak 2018)

 

Die Komplikationsrate lässt sich senken durch:

  • niedrig dosierte Insulintherapie 
  • langsamen Ausgleich der Entgleisungen des Stoffwechsels (Herold 2020)

 

Das ZNS benötigt einige Zeit, um die durch das Koma ausgelösten Wasserverschiebungen zu normalisieren. Von daher kann es sein, dass der Patient trotz Normalisierung von Blutzucker, Elektrolyte, pH und Volumenausgleich weiterhin bewusstseinsgestört bleibt. Diese Störung verschwindet i. d. R. erst verzögert (Herold 2020).

Der Kostaufbau sollte mit einer leichten Kost beginnen. Eine kleine Menge Normalinsulin s. c. ist vor jeder Mahlzeit zu injizieren. Anschließend ist eine Neueinstellung des DM erforderlich (Herold 2020).

Verlauf/Prognose

Bei einer angemessenen, frühzeitigen Therapie ist die Letalität einer DKA gering und liegt bei < 1 %. Sie hängt eher mit den auslösenden Ursachen (Myokardinfarkt, Infektion etc.) zusammen als mit der DKA selbst (Kasper 2015).

Bei diabetischen Kindern hingegen ist die DKA nach wie vor die häufigste Todesursache (Waldhäusl 2013). 

Prophylaxe

Den Typ 1 Diabetikern wird empfohlen, zur Prophylaxe eines diabetischen ketoazidotischen Komas regelmäßigeTeststreifen- Messungen zum Nachweis von Ketonkörpern im Urin durchzuführen (Haak 2018).

Die Ursache des ketoazidotischen Komas sollte unbedingt geklärt und der Patient entsprechend geschult werden, um ein erneutes Auftreten zu verhindern (Karslioglu 2019).

Diabetiker sollten außerdem über die Symptome und auslösenden Faktoren einer DKA aufgeklärt werden, ebenso über das Verhalten hinsichtlich des Diabetes mellitus. Während einer Erkrankung oder auch bei Beeinträchtigung der oralen Nahrungsaufnahme sollte der Patient:

  • häufig den BZ messen
  • Ketone im Urin messen, sobald der BZ bei > 300 mg / dl (16,5 mmol / l) liegt 
  • reichlich Flüssigkeit zu sich nehmen
  • die Insulingabe fortsetzen
  • einen Arzt aufsuchen, sobald
    • eine unkontrollierte Hyperglykämie auftritt
    • es zu anhaltendem Erbrechen kommt
    • bei Dehydratation

(Kasper 2015)

 

Euglykämische Ketoazidose:

Hinsichtlich der euglykämischen Ketoazidose sollten Patienten über folgende Verhaltensweisen aufgeklärt werden:

  • Absetzen der SGLT2- Inhibitoren:
    • vor geplanten Operationen 
    • während akuter Krankheitsprozesse 
  • Dehydrierung unbedingt meiden
  • übermäßigen Alkoholkonsum ebenso (Karslioglu 2019)

Bei erhöhten Konzentrationen an Ketonen kann ein weiteres Fortschreiten u. U. mit folgender Strategie vermieden werden:

  • SGLT2- Inhibitoren sofort absetzen
  • Bolusinsulin injizieren
  • ca. 30 g Kohlenhydrate zuführen
  • Hydrierung mit Wasser 
  • Ketonwerte alle 3 – 4 Stunden kontrollieren (Karslioglu 2019).

 

 

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Abdin A A-A et al. (2016) Euglycemic Diabetic Ketoacidosis in a Patient with Cocaine Intoxication. Case Rep Crit Care 4275651. DOI:10.1155/2016/4275651
  2. Adeyinka A et al. (2021) Hyperosmolar Hyperglycemic Nonketotic Coma. StatPearls. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing LLC. Bookshelf ID: NBK482142PMID: 29489232
  3. Berndt M et al. (2015) Diabetisches Koma und perioperative Diabetestherapie. In: Marx N et al. Die Intensivmedizin. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 1 – 30 DOI 10.1007/978-3-642-54675-4_78-1 
  4. Danne T et al. (2016) Kompendium pädiatrische Diabetologie. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 315
  5. Dhatariya K K et al. (2017) Treatment of Diabetic Ketoacidosis (DKA)/Hyperglycemic Hyperosmolar State (HHS): Novel Advances in the Management of Hyperglycemic Crises (UK Versus USA). Curr Diab Rep 17, 33 https://doi.org/10.1007/s11892-017-0857-4
  6. Ellinger K et al. (2007) Kursbuch Notfallmedizin orientiert am bundeseinheitlichen Curriculum Zusatzbezeichnung Notfallmedizin. Deutscher Ärzte- Verlag 272 - 275
  7. Evans K (2019) Diabetic ketoacidosis: update on management. Clin Med. PubMed: 31530688. Online ISSN: 1473-4893DOI: https://doi.org/10.7861/clinmed.2019-0284
  8. Haak T et al. (2018) S3-Leitlinie Therapie des Typ-1-Diabetes. AWMF-Registernummer: 057-013 
  9. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 744 – 747
  10. Karslioglu E et al. (2019) Diabetic ketoacidosis and hyperosmolar hyperglycemic syndrome: review of acute decompensated diabetes in adult patients.BMJ 365 : l1114. doi: https://doi.org/10.1136/bmj.I1114
  11. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education  2417 – 2420
  12. Kluge F J et al. (2003) Klar denken, warm fühlen, ruhig handeln: Adolf Kußmaul (1822-1902) und seine Bedeutung für die Medizin im 21. Jahrhundert. Z Rheumatol 62: 484-490
  13. Lohr M (2002) Original- Prüfungsfragen mit Kommentar: GK 2 Pathophysiologie / Pathobiochemie. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 27 - 28
  14. Meyhöfer S et al. (2020) Diabetische Ketoazidose: Neue Strategien bei Diagnose & Behandlung. Diabetes aktuell 18 (01): 14 – 19 DOI: 10.1055/a-1090-3727
  15. Modi A et al. (2017) Euglycemic Diabetic Ketoacidosis: A Review. Curr Diabetes Rev. 13 (3) 315-321 doi: 10.2174/1573399812666160421121307
  16. Nasa P et al. (2021) Euglycemic diabetic ketoacidosis: A missed diagnosis. World J Diabetes 12 (5) 514 – 523 doi: 10.4239/wjd.v12.i5.514
  17. Plewa M C et al. (2021) Euglycemic Diabetic Ketoacidosis. StatPearls Publishing LLC. Bookshelf ID: NBK554570, PMID: 32119457
  18. Reitgruber D., Auer J. (2021) Schwere Blutzuckerentgleisungen. In: Internistische Intensivmedizin für Einsteiger. Springer, Berlin, Heidelberg. 761 – 768 https://doi.org/10.1007/978-3-662-61823-3_39
  19. Schadewaldt H (1975) Geschichte des Diabetes mellitus. Springer Verlag Berlin / Heidelberg 37
  20. Waldhäusl W K et al. (2013) Diabetes in der Praxis. Springer Verlag 246 – 247

Disclaimer

Bitte fragen Sie Ihren betreuenden Arzt, um eine endgültige und belastbare Diagnose zu erhalten. Diese Webseite kann Ihnen nur einen Anhaltspunkt liefern.

Abschnitt hinzufügen

Autoren

Zuletzt aktualisiert am: 21.08.2024