Synonym(e)
Definition
Unter einem Hepatoblastom (HB) versteht man einen malignen Lebertumor im Kindesalter (Herold 2022).
Einteilung
Die Einteilung des HB in ein bestimmtes Krankheitsstadium als auch die Behandlungsprotokolle nehmen Bezug auf die sog. PRETEXT- Gruppe I – IV (pre- treatment- extension [von Schweinitz 2016]). Diese wird durch die Anzahl zusammenhängender tumorfreier Abschnitte der Leber bestimmt (Honda 2022).
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Vorkommen/Epidemiologie
Das Hepatoblastom zählt inzwischen bei Kindern – mit steigender Inzidenz - zu den häufigsten primären malignen Lebertumoren (Wu 2022). Die steigende Inzidenz ist teilweise auf die verbesserten Überlebenschancen Frühgeborener zurückzuführen (Honda 2022).
Die Inzidenz eines HB beträgt derzeit ca. 1 – 2 pro Million Kinder unter 15 Jahren (Nussbaumer 2022) und macht damit ca. 1 % aller malignen Erkrankungen bei Kindern aus (Song 2022). Es besteht eine männliche Disposition (von Schweinitz 2016), da das HB bei Jungen 1,2 – 3,3 x häufiger auftritt als bei Mädchen (Eberherr 2021).
Ätiopathogenese
Das HB entsteht vermutlich bereits durch Fehler in der Embryonalentwicklung, während Krebserkrankungen beim Erwachsenen auf erworbene Mutationen zurückzuführen sind (Eberherr 2021).
Die eigentliche Ätiologie des HB ist bislang unbekannt. Als prädisponierende Faktoren gelten bislang:
- Geringes Geburtsgewicht (insbesondere < 1.500 g)
- Mütterlicher Nikotinkonsum während der Schwangerschaft (wird bislang allerdings kontrovers diskutiert)
- Vorausgegangene Infertilitätsbehandlung (wird bislang ebenfalls kontrovers diskutiert) (Nussbaumer 2022)
Bestimmte angeborene Erkrankungen zeigen jedoch eine deutlich erhöhte Inzidenz von Hepatoblastomen. Zu diesen Erkrankungen zählen:
- Beckwith- Wiedemann- Spektrum
- Familiäre adenomatöse Polyposis
- Simpson- Golabi- Behmel- Syndrom
- Trisomie 18 (Nussbaumer 2022)
Bei Nachweis einer dieser genetischen Störungen werden Screening- Protokolle empfohlen mit regelmäßigen abdominellen Sonographien und Bestimmung des Alpha- Fetoproteins zur Früherkennung eines HB (Nussbaumer 2022).
Pathophysiologie
Das HB entwickelt sich aus primitiven Vorläuferzellen des Leberparenchyms, die entsprechend der jeweiligen Leberentwicklung differenziert werden können in:
- Fetal
- Embryonal
- Makrotrabekulär
- Cholangioblastisch (von Schweinitz 2016)
Außerdem können mesenchymale Strukturen vorhanden sein wie z. B.:
- Knorpel
- Osteoid
- Rhabdomyoblastenartige Strukturen
- Glatte Muskulatur (von Schweinitz 2016)
Manifestation
Ein Hepatoblastom manifestiert sich überwiegend in den beiden ersten Lebensjahren (Sharma 2017) mit ausgesprochenem Altersgipfel zwischen 6 Monaten und 3 Jahren (von Schweinitz 2016).
Lokalisation
Ein HB ist überwiegend im rechten Leberlappen lokalisiert. Nur in sehr seltenen Fällen finden sich das HB extrahepatisch (von Schweinitz 2016).
Klinisches Bild
Beim HB können folgende Symptome auftreten:
- Fieber
- Abgeschlagenheit
- Störung des Ess- und Trinkverhaltens
- Ikterus
- Tastbarer abdomineller Tumor
- Pubertas praecox
- Akutes Abdomen bei Ruptur des Tumors, allerdings nur selten auftretend (von Schweinitz 2016)
Diagnostik
Körperliche Untersuchung
Bei der körperlichen Untersuchung findet sich ein tastbarer, indolenter (Eberherr 2021) Tumor im Bereich des Abdomens (von Schweinitz 2016).
Abdominelle Sonographie mit Farbdoppler
Hiermit lässt sich der Tumor i. d. R. gut darstellen (von Schweinitz 2016).
Diffusionsgewichtete MRT
Diese spielt insbesondere bei der präoperativen Beurteilung bezüglich der Erkennung von Satellitenläsionen eine große Rolle (Honda 2022).
Stanzbiopsie
Die diagnostische Stanzbiopsie wird bei V. a. ein HB dringend empfohlen. Bewährt hat sich hierbei die Biopsie unter Sonographie- bzw. laparoskopischer Kontrolle. Eine Feinnadelaspirationsbiopsie sollte nicht erfolgen, da diese zu wenig Gewebe zur Beurteilung des Tumors liefert (Murawski 2023).
Labor
Dieses ist im Serum bei ca. 80 – 90 % der Patienten erhöht und stellt den wichtigsten Tumormarker dar. Ein HB mit niedrigem AFP ist i. d. R. aggressiver und mit einer sehr schlechten Prognose verbunden (von Schweinitz 2016). Dabei ist zu beachten, dass Alpha- Fetoprotein in der ersten Zeit nach der Geburt noch stark erhöht ist und erst innerhalb der ersten 10 Wochen abfällt (Eberherr 2021).
Eine Thrombozytose ist nur sehr selten vorhanden (von Schweinitz 2016).
Beta- HCG
Beta- HCG kann bei ca. 20 % der Patienten erhöht sein (von Schweinitz 2016).
Histologie
Das HB weist einen hohen Grad an Heterogenität auf (Song 2022). Es finden sich zu 56 % histopathologisch epitheliale Subtypen und in 44 % gemischte epitheliale / mesenchymale Subtypen. Die epithelialen Subtypen werden noch unterteilt in fetale (31%), embryonale (19 %), makrotrabekuläre (3 %) und zu ebenfalls 3 % in kleinzellige undifferenzierte und cholangioblastische Subtypen (Eberherr 2021).
Das kleinzellige undifferenzierte HB ist prognostisch mit einem deutlich ungünstigeren Ergebnis verbunden (Murawski 2023).
Komplikation(en)
Metastasierung
Bei ca. 20 % der Patienten bestehen zum Zeitpunkt der Diagnose eines HBs bereits Metastasen. Am häufigsten finden sich Lungenmetastasen (Honda 2022). Außerdem können sich Metastasen im Gehirn und in den Knochen bilden (Eberherr 2021).
Therapie allgemein
Die Therapie eines Hepatoblastoms hat sich in den letzten drei Jahrzehnten deutlich verändert (Sharma 2017). Zu den therapeutischen Optionen zählen inzwischen sowohl die Chemotherapie als auch die Operation. Die Strahlentherapie hingegen hat sich als nicht wirksam erwiesen (von Schweinitz 2016).
Interne Therapie
Chemotherapie
Bei nahezu allen Patienten erfolgt zunächst eine neoadjuvante Cisplatin- basierte Chemotherapie (von Schweinitz 2016).
Manche Patienten sprechen gut auf die Chemotherapie an, andere zeigen – je nach Abhängigkeit der Tumorsignaturen - eine hohe Chemotherapie- Resistenz (Song 2022).
Insbesondere die neoadjuvanten Cisplatin- basierten Therapien haben dazu geführt, dass ca. 50 – 85 % der zunächst inoperablen HB letztlich resezierbar wurden (Honda 2022).
Operative Therapie
Sowohl die Resektion als auch die Lebertransplantation spielen heutzutage eine entscheidende Rolle bei der Therapie eines HB. Dabei werden insbesondere die Möglichkeiten der technologischen Fortschritte bei der Entwicklung von 3D- Bildverarbeitungssoftware und die virtuelle Stimulation einer Hepatektomie genutzt (Honda 2022).
Chirurgische Resektion
Um eine sichere und vollständige Resektion auch ausgedehnter Lebertumoren zu erreichen, wurde das ALLPS- Verfahren entwickelt, das auch bei einem Hepatoblastom Anwendung findet (Honda 2022).
Bei Lungenmetastasen, die nicht vollständig auf Cisplatin ansprechen, sollte eine zusätzliche chirurgische Resektion der verbliebenden Metastasen erfolgen (Horiike 2020).
Lebertransplantation
Eine Lebertransplantation ist insbesondere von Bedeutung bei einem nicht chirurgisch entfernbaren HB (Eberherr 2021).
Da man weiß, dass der Tumor auch bei fehlenden bildgebenden Befunden histologisch noch vorhanden sein kann, stellt die Lebertransplantation auch hierbei eine wichtige Option bei der Behandlung dar (Honda 2022).
Verlauf/Prognose
In den letzten drei Jahrzehnten hat sich die Prognose eines HB deutlich verbessert. So stieg die Überlebensrate durch innovative Fortschritte sowohl der Chemotherapie als auch der Chirurgie inzwischen von ehemals 30 % auf inzwischen 80 % (Honda 2022).
Die Prognose hängt letztlich von der Möglichkeit einer radikalen chirurgischen Resektion ab, selbst bei aggressiver Metastasenresektion kann so die Prognose gut sein (Honda 2022).
Die 5- Jahresüberlebensrate nach einer Lebertransplantation ist von bislang 50 % auf inzwischen 90 % gestiegen. Selbst bei bereits bestehenden Lungenmetastasen kann durch eine Cisplatin- basierte Chemotherapie in bis zu 50 % eine vollständige Remission der Metastasen erreicht werden (Honda 2022).
Prophylaxe
Eine wirkliche Prophylaxe gibt es bislang nicht (von Schweinitz 2016).
Bei Nachweis bestimmter genetischer Störungen wie z. B. Beckwith- Wiedemann- Spektrum, familiärer adenomatöser Polyposis, Simpson- Golabi- Behmel- Syndrom und Trisomie 18 werden Screening- Protokolle empfohlen mit regelmäßigen abdominellen Sonographien und Bestimmung des Alpha- Fetoproteins zur frühzeitigen Entdeckung eines HB (Nussbaumer 2022).
Nachsorge
Bei der Nachsorge sind die Tumormarker Alpha- Fetoprotein und Beta- HCG die wichtigsten Verlaufsparameter. Die Nachsorge im ersten p. o. Jahr mit körperlicher Untersuchung und Bestimmung des AFP im Serum sollte zunächst alle 6 Wochen erfolgen, alle 3 Monate eine Sonographie des Abdomens und eine Röntgen- Thorax Aufnahme in 2 Ebenen.
Im 2. und 3. Jahr sollten die Sonographie und das Röntgen des Thorax alle 3 Monate durchgeführt werden und ab dem 4. Jahr alle 6 Monate (von Schweinitz 2016).
Nach 5 Jahren sind lediglich jährliche Kontrollen bezüglich möglicher Langzeitfolgen der Chemotherapie in Form von Bestimmung der:
- Leberwerte
- Kreatinin
- Phosphat
- EKG
- Echokardiogramm
- Audiogramm
Die letzten beiden Untersuchungen nur dann, wenn Anthracyclin gegeben wurde (von Schweinitz 2016)
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Eberherr C S (2021) Charakterisierung therapeutisch und prognostisch relevanter Faktoren beim Hepatoblastom. Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Humanbiologie an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München.
- Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 562
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- Horiike M, Sogabe M, Jwa S, Tokimasa S, Kubo S (2020) Successful temporary resection of a ruptured hepatoblastoma without preoperative chemotherapy: A case report presenting a novel surgical strategy. Int J Surg Case Rep 431 - 434
- Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education
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- Song H, Bucher S, Rosenberg K,Tsui M, Burhan D, Hoffman D, Cho S J, Rangaswami A, Breese M, Leung S, Ventura M V P, Sweet- Cordero E A, Huang F W, Nijagal A, Wang B (2022) Single-cell analysis of hepatoblastoma identifies tumor signatures that predict chemotherapy susceptibility using patient-specific tumor spheroids.Nat Commun. 13 (1) 4878
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