HämobilieK83.8

Autor:Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Synonym(e)

Extravasation von Blut in den Gallenwegen

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Erstbeschreiber

Der erste Bericht einer Hämobilie stammt von Francis Glisson und wurde im Jahre 1654 veröffentlicht. Es beschreibt einen Adligen, der bei einem Duell einen Schlag in den rechten Oberbauch erlitt und letztendlich daran verstarb (Zhornitskiy 2019).

Die erste ante- mortale Beschreibung aus dem Jahr 1777 stammt von Antonie Portal (Zhornitskiy 2019).

Heinrich Irenäus Quincke beschrieb fast ein Jahrhundert später die klinischen Symptome einer Hämobilie, die als sog. „Quincke Trias“ bezeichnet werden (Zhornitskiy 2019).

Im Jahre 1948 taucht erstmals die Bezeichnung „Hämobilie“ auf (Zhornitskiy 2019).

Definition

Unter einer Hämobilie versteht man das Auftreten von extravasalem Blut (Berry 2019) innerhalb der Gallenwege, welches über die Papilla vateri in den Dünndarm entleert wird (Herold 2022).

Vorkommen/Epidemiologie

Die Hämobilie stellt eine seltene Erkrankung dar. Sie wird hauptsächlich iatrogen, traumatisch oder durch eine Neoplasie verursacht (Zhornitskiy 2019).

Bislang wurden 3 große Fallserien veröffentlicht. Die letzte dieser Fallserien aus dem Jahre 2001 von Green et al. zeigte bei 65 % ein iatrogenes und bei 6 % eine unfallbedingtes Trauma als Ursache für die Hämobilie vorlag (Zhornitskiy 2019). Somit ist – bedingt durch die Zunahme minimal invasiver Eingriffe (Navuluri 2016) - die ehemals häufigste Ursache, das unfallbedingte Trauma, an die zweite Stelle gerückt (Staszak 2019).

Ätiopathogenese

Eine Hämobilie kann iatrogen, traumatogen, neoplastisch, entzündlich, infektiös und vaskulär verursacht sein (Berry 2019) wie z. B. durch

- Traumata der Leber und / oder Gallengänge (Kasper 2015)

- iatrogene Verletzung

- Lithiasis der Gallenwege

- Tumoren der Gallenwege

- Leberpunktion (tritt in 3 % der Fälle auf [Nuvuluri 2016])

- Aneurysmen

- Blutung aus einer Pankreaspseudozyste (Herold 2022)

- Ruptur eines Leberabszesses

- hepatobiliärer Parasitenbefall (Kasper 2015)

Pathophysiologie

Eine extravasale Blutung in den Gallenwegen bewirkt durch die Unterschiede in Dichte und biochemischen Eigenschaften von Blut und Gallenflüssigkeit eine Phasentrennung dieser beiden im Gallenbaum. Sobald die Blutung stoppt, beginnt das in den Gallentrakt gelangte Blut zu gerinnen und behindert damit den Gallenabfluss (Berry 2019).

Manifestation

Am häufigsten manifestiert sich die Hämobilie innerhalb von 4 Wochen nach einer Gallengangsverletzung (Nuvuluri 2016).

Lokalisation

Das Blut bei einer Hämobilie kann sowohl venös als auch arteriell sein (Zhornitskiy 2019).

Klinisches Bild

Das typisch Quincke- Trias besteht aus :

- Schmerzen im rechten Oberbauch (Zhornitskiy 2019)

- okkultes Blut im Stuhl

- obstruktiver Ikterus (Kasper 2015)

Dieses findet sich aber lediglich bei ca. 22 – 35 % der Patienten. Es hat sich gezeigt, dass weitere Symptome, in Abhängigkeit der Ursache einer Hämobilie (Berry 2019), auftreten können wie z. B.:

- Meläna

- Hämatemesis

- Chlorurie

- weitere Laborveränderungen (Zhornitskiy 2019)

Diagnostik

Der V. a. eine Hämobilie sollte bei jedem Patienten mit z. B. unklarer Ursache einer gastrointestinalen Blutung, einem Gewalteingriff im Oberbauch, nach einer Gallengangsmanipulation bestehen. Die Diagnose selbst kann eine Herausforderung sein (Berry 2019).

Ein fäkaler Bluttest fällt bei einer Hämobilie positiv aus. Weitere Untersuchungen sind die Abdomensonographie (Herold 2022), computertomographische Angiographie (Zhornitskiy 2019), MRC, die ERC zur Inspektion der Papille und ggf. zur therapeutischen Blutstillung (Herold 2022), die EUS (Zhornitskiy 2019) und die Angiographie (Herold 2022).

 

Bildgebung

Abdomen- Sonographie

Sonographisch können sich Blutgerinnsel in den Gallenwegen auf Grund der ähnlichen Echogenität als Gallensteine darstellen (Berry 2019).

 

Computertomographische Angiographie (CTA)

Die CTA stellt eine nicht- invasive Methode zur Beurteilung bei V. a. eine Hämobilie dar (Zhornitskiy 2019) und ist i. d. R. inzwischen zur Diagnostik der 1. Wahl geworden (Berry 2019). Das Abdomen lässt sich damit intra- und extraluminal beurteilen (Zhornitskiy 2019).

 

ERC(P)

Mit Hilfe der ERC lässt sich der Gallenbaum visualisieren. Tubuläre, amorphe oder zylinderförmige Füllungsdefekte mit Erweiterung der Hauptgallengänge oder des perihilären Ductus weisen auf eine Hämobilie hin. Die Untersuchungsmethode bietet gleichzeitig mögliche Therapieoptionen an (Zhornitskiy 2019). Mit Hilfe einer ERC lassen sich ca. 60 % der Hämobilien diagnostizieren (Berry 2019).

 

Endoskopischer Ultraschall (EUS)

Sollten die Befunde der ERC nicht eindeutig sein, so kann ein EUS zur Beurteilung von Gefäßanomalien und Blutgerinnseln im Gallengang eingesetzt werden (Zhornitskiy 2019).

 

Angiographie

Die Angiographie stellt nach wie vor den Goldstandard sowohl für die Diagnostik als auch für die Therapie bei V. a. eine Hämobilie dar. Da es sich hierbei jedoch um eine invasive Untersuchung handelt, wird diese i. d. R. nicht mehr als erste Methode zur Diagnostik eingesetzt, sondern erst dann, wenn das blutende Gefäß mit nicht- invasiven Methoden nicht darstellbar ist (Zhornitskiy 2019).

 

MRC

Die Magnetresonanz- Cholangiographie stellt zwar eine nicht- invasive Methode zur ERC dar, es fehlen hierbei aber die therapeutischen Optionen (Zhornitskiy 2019).

 

Labor

Typisch für eine Hämobilie sind:

- Leukozytose

- Anämie

- abnormale Serumtests der Leberwerte (Zhornitskiy 2019)

- Anstieg des Serum- Bilirubins

- Anstieg der alkalischen Phosphatase (Berry 2019)

Komplikation(en)

- obstruktiver Ikterus

- Gallengangsverschluss

- akute Cholangitis

- akute Cholezystitis

- Pankreatitis (Berry 2019)

Therapie allgemein

Kleinere Episoden einer Hämobilie können ohne chirurgische Maßnahmen abklingen (Kasper 2015). Hierbei sollte neben der intravenösen Flüssigkeitsgabe auch eine Korrektur der Koagulopathie erfolgen (Berry 2019).

In den meisten Fällen wird jedoch eine Ligatur des blutenden Gefäßes notwendig (Kasper 2015). Diese erfolgt typischerweise endoskopisch, radiologisch und nur selten chirurgisch (Berry 2019).

Die Behandlung sollte allerdings nicht alleine auf die Blutstillung ausgerichtet sein, sondern zusätzlich auch noch den Gallenfluss aufrecht erhalten (Zhornitskiy 2019).

 

Bestehen außerdem Symptome einer Cholangitis mit oder ohne Sepsis sind umgehend zusätzlich Breitbandantibiotika zu verabreichen (Berry 2019)

 

Transarterielle Embolisation (TEA)

Sofern es Hinweise darauf gibt, dass es sich um eine arterielle Blutung handelt, ist die Angiographie mit TEA die Therapie der 1. Wahl. Die Erfolgsraten liegen hiermit zwischen 80 – 100 % (Zhornitskiy 2019).

 

Stenteinlage

Eine weitere Therapieoption ist die Einlage arterieller und biliärer Stents. Diese haben sich inzwischen zu akzeptablen alternativen Therapien entwickelt (Cathcart 2017).

 

Operative Therapie

Ein chirurgischer Eingriff ist nur selten erforderlich, da die meisten Fälle einer Hämobilie durch die interventionelle Radiologie erfolgreich behandelt werden können. Zu den chirurgischen Behandlungsoptionen zählen:

- Ligatur der Leberarterie

- Entfernung eines Pseudo- Aneurysmas der Leberarterie

- Segmentektomie bzw. Lobektomie (Nuvuluri 2016)

Verlauf/Prognose

Eine Hämobilie kann potentiell letal verlaufen, sofern sie nicht rechtzeitig diagnostiziert und therapiert wird (Zhornitskiy 2019).

Die chirurgischen Erfolgsraten liegen bei ca. 90 %. Die Mortalitätsrate ist mit 10 % aber relativ hoch (Nuvuluri 2016).

 

Literatur

  1. Berry R, Han J, Kardashian A A, LaRusso N F, Tabibian J H (2019) Hemobilia: Etiology, diagnosis, and treatment. Liver Research 2 (4) 200 - 208
  2. Cathcart S, Birk J W, Tadros M, Schuster M (2017) Hemobilia: An Uncommon But Notable Cause of Upper Gastrointestinal Bleeding. J Clin Gastroenterol. 51 (9) 796 - 804
  3. Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 455, 568
  4. Kasper D L, Fauci A S, Hauser S L, Longo D L, Jameson J L, Loscalzo J et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2084
  5. Navuluri R (2016) Hemobilia. Semin Intervent Radiol. 33 (4) 324 – 331
  6. Staszak J K, Buechner D, Helmick R A (2019) Cholecystitis and hemobilia. J Surg Case Rep. (12) rjz350 DOI: 10.1093/jscr/rjz350.
  7. Zhornitskiy, A, Berry R, Han J Y, Tabibian J H (2019) Hemobilia: Historical overview, clinical update, and current practices. Liver Int. 39 (8) 1378 - 1388

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