GLP1-Rezeptoragonisten

Zuletzt aktualisiert am: 05.11.2024

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Synonym(e)

Incrétide

Definition

Unter einem GLP- 1- RA (glucagon- like peptide- 1) versteht man ein künstlich hergestelltes insulinotropes (Herold 2020) Peptid mit niedrigem Hypoglykämierisiko, das die Wirkung des körpereigenen Inkretin GLP- 1 nachahmt (Häussler 2012). Es handelt sich dabei um hormonale Stimulationsfaktoren, die vom Darm zur Insulinsekretion freigesetzt eingesetzt werden (Herold 2020).

Pharmakodynamik (Wirkung)

Im menschlichen Körper bilden neuroendokrine L- Zellen im Darm und A- Zellen im Pankreas Proglucagon GLP- 1. Dieses Enzym wird durch Dipeptidyl- Peptidase- 4 (DPP- 4) abgebaut. GLP- 1 zählt zusammen mit dem „gastric inhibitory polypeptide“ (GIP) zu den Inkretinen (Herold 2020).

Die Wirkung des Enzyms GLP- 1 besteht in:

  • Glukose- abhängiger Stimulation der Sekretion von Insulin
  • Verzögerung der Magenentleerung
  • Hemmung der Freisetzung von Glukagon (hemmt den Appetit und führt zur Gewichtsabnahme) (Herold 2020)

Die chemischen Analoga GLP- 1- RA binden sich mit hoher Affinität an die GLP- 1- Rezeptoren. Sie werden aber, im Gegensatz zu GLP- 1 nicht durch DPP- 4 inaktiviert. Dies bewirkt eine:

  • Hemmung der Sekretion von Glukagon
  • Steigerung der Sekretion von Insulin
  • Verzögerung der Magenentleerung
  • Nachlassen des Appetits
  • Gewichtsverlust (Herold 2020)
  • bevorzugte Senkung des postprandialen BZ (Kasper 2015)

Zusätzliche Wirkung von Liraglutid:

  • Reduktion der kardiovaskulären Mortalität
  • Nephroprotektion (Herold 2020)
  • Reduktion der Gesamtmortalität (Bahrmann 2018)

Zusätzliche Wirkung von Dulaglutid:

  • Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse um 12 % im Vergleich zu Placebo laut REWIND- Studie (Sonnet 2020)

Indikation

Typ 2 DM mit metabolischem Syndrom

  • manifesten kardiovaskulären Erkrankungen
  • kardiovaskulären Risikofaktoren
  • renalen Begleiterkrankungen (Diederich 2020) in Kombination mit Metformin und / oder Sulfonylharnstoffe (SH) und / oder Insulin, sondern diese Medikamente alleine nicht ausreichen, um den Blutzucker entsprechend zu senken (Herold 2020).

Seit 2018 wird von der American Diabetes Association (ADA) und der European Association for the Study of Diabetes (EASD) der präferentielle Einsatz von GLP- 1- RA oder SGLT- 2- Inhibitoren neben der Behandlung mit Metformin, Sulfonylharnstoffen, Insulin empfohlen (Diederich 2020).

Vor Beginn einer etwaigen Insulintherapie beim Typ 2 DM – insbesondere bei einem erhöhten Body Mass Index - sollte die Behandlung mit GLP1- RA erwogen werden (Bundesärztekammer 2021).

Patienten sollten vor Therapiebeginn über die Symptome einer akuten Pankreatitis aufgeklärt werden (Bundesärztekammer 2021).

Dosierung und Art der Anwendung

Byetta ®: ca. 30 min vor den Hauptmahlzeiten initial 2 x 5 µg / d s.c. Nach ca. 4 Wochen ist eine Dosiserhöhung auf 2 x 10 µg / d s.c. möglich

Victoza ®: initial 1 x / d  0, 6 µg / d s.c., anschließende Steigerung bis auf 1,2 µg / d s.c., Maximaldosis 1, 8 µg / d s.c.

Bydureon ®: 1 x wöchentlich 2 mg s.c.

Trulicity ®: 1 x wöchentlich 0,75 – 1,5 mg s.c. (Herold 2020)

Die 1 x wöchentliche Gabe ultralang wirksamer GLP1- RA wie z. B. Dulaglutid ist laut Studien der täglichen Gabe von Liraglutid nicht unterlegen (Dungan 2014).

Dosierung und Art der Anwendung

Die Einnahme erfolgt in Abhängigkeit von den Mahlzeiten und als Kombinationstherapie mit z. B. Metformin und / oder Sulfonylharnstoffe (SH) und / oder Insulin. Bei Patienten, die Insulinsekretagoga erhalten, kann wegen der Gefahr einer Hypoglykämie unter der Behandlung mit GLP1- RA eine Reduktion der Insulinsekretagoga erforderlich werden (Kasper 2015).

Unerwünschte Wirkungen

Hyperlipasämie (häufig)

Übelkeit (häufig)

Erbrechen (in bis zu 10 % [Ritzmann 2008])

Diarrhoen (meistens reversibel)

Pankreatitis (sehr selten; teilweise wurde eine klinische Behandlung erforderlich, Todesfälle sind bislang nicht beschrieben [Ritzmann 2008/Herold 2020)

Hypoglykämien: Die Gefahr der Hypoglykämie besteht durch GLP- 1- RA nicht, nur in Kombination mit anderen Antidiabetika (Herold 2020):

  • unter der Kombination mit Metformin in bis zu 39 % (entspricht auch der Zahl der mit Placebo behandelten Patienten)
  • unter der Kombination mit Sulfonylharnstoffen stieg das Risiko einer Hypoglykämie um ein Vielfaches an, deshalb sollte hierbei eine frühzeitige Dosisreduktion der Sulfonylharnstoffe erwogen werden

Bildung von Antikörpern gegen GLP1- RA: Die Bildung von AK fand sich bei knapp 50 % der Fälle. Die klinische Bedeutung ist bislang unklar. Bei Patienten mit ausgesprochen hohen AK- Titern wurde von einer reduzierten Wirkung bezüglich Exenatid berichtet (Ritzmann 2008).

Wechselwirkungen

Da GLP1- RA die Magenentleerung verzögern, kann die Resorption anderer Arzneimittel verzögert bzw. reduziert werden (Kasper 2015) wie z. B. bei:

  • Antibiotika
  • Kontrazeptiva
  • Medikamenten mit geringer therapeutischer Breite wie z. B. oralen Antikoagulantien (Ritzmann 2008)

Kontraindikation

terminale Niereninsuffizienz mit einer Kreatininclearance < 30 ml / min (Herold 2020)

bei höhergradiger Niereninsuffizienz mit einer GFR < 50 ml / min nicht zu empfehlen (Bahrmann 2018)

Z. n. Pankreatitis (Herold 2020)

Präparate

Kurzwirksame GLP1- RA:

  • Exenatid (Byetta®)

Langwirksame GLP1- RA:

  • Liraglutid (Victoza ®)

Ultralang- wirksame GLP1- RA:

  • Exenatid- LAR (Bydureon ®)
  • Dulaglutid (Trulicity ®)

Hinweis(e)

Bereits im Jahre 1902 zeigten Bayliss und Starling, dass die intestinale Mukosa über eine Substanz verfügt, die in der Lage ist, die exokrine Pankreasfunktion über die Blutbahn zu beeinflussen (Köthe 2011). Elrick et al. (1964) und McIntyre et al. (1965) beschrieben als Erste den sog. Inkretin- Effekt. Sie zeigten, dass die Insulinstimulierung nach einer oralen Glukosegabe wesentlich mehr Insulin freisetzt als nach einer i. v. Gabe, da durch Glukose, die in den Magen- Darm- Trakt gelangt, ein Hormon aus der Darmmukosa freigesetzt wird. Dies war bereits lange vermutet worden und La Barre prägte 1932 den Begriff „Incrétide“ (Schlegel 1974 / Schatz 2014 / Köthe 2011).

1992 wiesen Eissele et al. Inkretin in den L- Zellen des Jejunums, terminalen Ileums, Kolons und Rektums nach. Orskov et al. fanden es auch in den A- Zellen des Pankreas (Köthe 2011). Im Speichel der giftigen amerikanischen Gila- Krustenechse Heloderma suspectum (Köthe 2011) konnte das Polypeptid Exenatid nachgewiesen werden, welches dem menschlichen GLP- 1 (glucagon- like peptide- 1) gleicht (Ritzmann 2008) und ein potenter Agonist an GLP1- Rezeptoren ist (Köthe 2011). Biotechnologisch gewonnene Proteine wurden medikamentös erstmals im Jahre 2007 eingesetzt als Wirkstoff Exenatid. Im Jahre 2009 kam Liraglutid hinzu (Häussler 2012).

Literatur
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  1. Bahrmann A et al. (2018) S2k- Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter. 2. Auflage AWMF-Registernummer: 057-017
  2. Bundesärztekammer (2021) Nationale Versorgungsleitlinien: Typ- 2- Diabetes. AWMF- Register- Nr. nvl-001
  3. Diederich S et al. (2020) Referenz Endokrinologie und Diabetologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 494
  4. Dungan K M et al. (2014) One-weekly dulaglutide versus once-daily liraglutide in metformin-treated patients with type 2 diabetes (AWARD-6): a randomized, open-label, phase 3, non-inferiority trial, Lancet (384) 1349 – 1357
  5. Häussler B et al (2012) Arzneimittel - Atlas 2012: Der Arzneimittelverbrauch in der GKV. Springer Verlag 58 - 59
  6. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 735
  7. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2414 – 2415
  8. Köthe L D (2011) Über die Bedeutung der Zugabe von humanem Serum-Albumin zu exogenen GLP-1-Infusionen am Beispiel der Antagonisierbarkeit des GLP-1 [7-36-Amid]-Einflusses auf die erste Phase der Insulin-Sekretion nach intravenöser Glukosegabe durch den GLP-1-Rezeptor-Antagonisten Exendin [9-39] bei gesunden Menschen. Inaugural- Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Medizinischen Fakultät der Georg-August-Universität zu Göttingen
  9. Ritzmann P (2008) Exenatid. Pharma- Kritik- Jahrgang 29, Nr. 11 PK188 DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2007.188
  10. Schatz H et al. (2014) Diabetologie kompakt: Grundlagen und Praxis. Springer Verlag Berlin, Heidelberg 162
  11. Schlegel B et al. (1974) Verhandlungen der Deutschen Gesellschaft für innere Medizin: 80. Kongress gehalten zu Wiesbaden. Springer Verlag Heidelberg – Berlin 332
  12. Sonnet M (2020) Herzschutz inklusive. CME 17, 48 https://doi.org/10.1007/s11298-020-0855-8
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