Gliflozine

Autor: Dr. med. S. Leah Schröder-Bergmann

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Zuletzt aktualisiert am: 22.08.2024

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Synonym(e)

Glucosuria; SGLT2- Hemmer; SGLT2- Inhibitoren

Definition

Gliflozine zählen zu den neueren inkretinbasierten Medikamenten, die zur Behandlung eines Typ 2 DM eingesetzt werden können (Diederich 2020). Im Jahre 2012 kam in Deutschland zunächst Dapagliflozin auf den Markt. Es ist zugelassen für die Mono- und Kombinationstherapie. Zwei Jahre später wurde Canagliflozin zugelassen. Wegen des fehlenden Zusatznutzens wurde Canagliflozin aber im selben Jahr wieder aus dem Handel genommen (Schwabe 2017). 

Ebenfalls im Jahre 2014 wurde als dritter Vertreter der Gliflozine Empagliflozin in Deutschland zugelassen (Schwabe 2015).

 

 

Allgemeine Information

Pharmakodynamik (Wirkung)

Die Wirkung der Gliflozine ist völlig unabhängig von der Insulinsensitivität und der Insulinsekretion (Kasper 2015). Die Wirkung beruht auf:

  • einer Hemmung des Natrium- Glukose- Cotransporters 2 (sodium dependent glucose transporter = SGLT2) im proximalen Tubulus der Nieren 
  • das führt zur verminderten renalen Re- Absorption von Glukose
  • und dadurch bedingter Senkung der Nierenschwelle für Glukose mit gesteigerter Glukosurie und Senkung des Glukosespiegels im Blut (Herold 2020 / Kasper 2015 / Diederich 2020)
  • kardioprotektive Wirkung bei Diabetikern und Stoffwechselgesunden (Stiefelhagen 2021)
  • Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse 
  • Reduktion kardiovaskulärer Mortalität (Diederich 2020)

In einer Studie (EMPA- REG) konnte bei der Behandlung mit Empagliflozin eine deutliche Senkung kardiovaskulärer Ereignisse nachgewiesen werden, die in dem Ausmaß durch andere SGLT2- Hemmer nicht erreichbar ist (Herold 2020). 

Die Senkung kardiovaskulärer Ereignisse beträgt bei Patienten mit arteriosklerotischen Vorerkrankungen 24 % . Sie ist damit höher als bei Patienten mit kardiovaskulären Risikofaktoren, aber ohne arteriosklerotische Schäden, wo sie 16 % beträgt (Holzgreve 2019).

Laut neuester Studien kann Empagliflozin nicht nur die systolische Herzinsuffizienz, sondern auch die diastolische Herzinsuffizienz günstig beeinflussen. Für Letztere stand bislang keine evidenzbasierte Therapie zur Verfügung (Stiefelhagen 2021).

  • nach initialer kurzfristiger Reduktion der Nierenfunktion setzt eine nephroprotektive Wirkung ein (Diederich 2020)

Bei Patienten mit renalen Vorerkrankungen wurde die Funktionsverschlechterung um 46 % reduziert, bei Patienten ohne renale Vorerkrankungen um 44 % (Holzgreve 2019).

  • Reduktion von oxidativem Stress
  • Senkung des Harnsäurespiegels (Schwabe 2017)

Indikation

  • Typ 2 DM als Mono- oder Kombinationstherapie (Herold 2020)

Seit 2018 empfehlen die American Diabetes Association (ADA) und die European Association for the Study of Diabetes (EASD) beim Typ 2 DM und gleichzeitig bestehenden kardiovaskulären Risikofaktoren bzw. renalen Begleiterkrankungen die präferentielle Behandlung mit SGLT2- Inhibitoren (Diederich 2020).

Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion (HFrEF): Zulassung für Empagliflozin (senkt die kardiale Morbidität) und Dapagliflozin (senkt zusätzlich die kardiale Mortalität)

(Stiefelhagen 2021)

  • Unverträglichkeit bzw. Kontraindikation von Metformin (Schwabe 2017)

 

Dosierung und Art der Anwendung

Dosierungsempfehlung:

  • Empagliflozin 10 mg 1 x / d (Maximaldosis 25 mg / d)
  • Dapagliflozin 10 mg / d (Maximaldosis 10 mg / d [Bundesärztekammer 2021])

(Herold 2020)

Der Patient sollte auf die Notwendigkeit einer ausreichenden Hydratation hingewiesen werden (Diederich 2020).

 

Unerwünschte Wirkungen

Dieses ist bislang nur unter der Therapie mit Dapagliflozin beobachtet worden. Es tritt insgesamt nur sehr selten auf, kann aber auch Frauen betreffen [Bundesärztekammer 2021])

  • (atypische) Ketoazidose

Diese tritt ebenfalls nur selten auf. Sie ist bei BZ- Werten < 250 mg / dl bereits möglich und vor allem mit einer Dehydratation kombiniert (Herold 2020). Typischerweise sind im Urin oftmals keine Ketonkörper nachweisbar, die Blutglukose ist nur mäßig erhöht bzw. kann auch normal sein (Bundesärztekammer 2021).

  • bei bereits bestehender fortgeschrittener PAVK kann es zu einer Verschlechterung der Durchblutung kommen (Herold 2020)
  • Polyurie
  • Durst
  • Mundtrockenheit
  • Pruritus
  • Schwindel

(Bahrmann 2018)

  • potentielles Risiko für Frakturen erhöht (bei Empagliflozin)

(Bundesärztekammer 2021)

  • Hypoglykämie nur möglich bei einer Kombinationstherapie mit blutzuckersenkenden Antidiabetika (Diederich 2020)

 

Kontraindikationen

  • Typ 1 DM
  • Volumenmangel
  • Kontrastmittelgabe
  • Ketoazidose
  • Überempfindlichkeit gegenüber Gliflozine 

(Herold 2020)

  • diabetisches Fußsyndrom (Diederich 2020)
  • Beginn einer Therapie mit Dapagliflozin nicht bei > 75jährigen
  • Beginn einer Therapie mit Empagliflozin nicht bei > 85jährigen

(Bahrmann 2018)

  • wegen der Gefahr einer Ketoazidose:
    • vor Operationen absetzen
    • bei akuter Verschlechterung des Allgemeinzustandes absetzen (sick days [Bundesärztekammer 2021])

Die Amputationsrate ist unter Gabe von SRLT2- Inhibitoren erhöht (Diederich 2020).

Ab einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) von < 60 ml / min wird in den Leitlinien die Anwendung von Dapagliflozin und für Empagliflozin der Beginn einer Therapie nicht mehr empfohlen. Bei Patienten, die bislang Empagliflozin gut vertragen haben, kann die Behandlung in einer reduzierten Dosis von 10 mg / d bis zu einer GFR < 45 ml / min fortgesetzt werden (Bahrmann 2018).

 

Präparate

  • Dapagliflozin z. B. Forxiga ®
  • Empagliflozin z. B. Jardiance ®

(Herold 2020)

 

 

Hinweis(e)

Gliflozine zählt zu den neueren Medikamenten gegen Typ 2 DM, von daher sind die klinischen Erfahrungen noch begrenzt. Es laufen seit der Zulassung im Jahre 2013 Studien hinsichtlich kardiovaskulärer Ereignisse und der Häufigkeit eines Blasenkarzinoms (Kasper 2015).

Literatur
Für Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio Kopernio

  1. Bahrmann A et al. (2018) S2k- Leitlinie Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Alter. 2. Auflage AWMF-Registernummer: 057-017
  2. Bundesärztekammer (2021) Nationale Versorgungsleitlinien: Typ- 2- Diabetes. AWMF- Register- Nr. nvl-001
  3. Diederich S et al. (2020) Referenz Endokrinologie und Diabetologie. Georg Thieme Verlag Stuttgart 484, 492, 494
  4. Herold G et al. (2020) Innere Medizin. Herold Verlag 733
  5. Holzgreve H (2019) Der Stern der Gliflozine steigt weiter. MMW- Fortschritte der Medizin (161) 31 https://doi.org/10.1007/s15006-019-0445-4
  6. Kasper D L et al. (2015) Harrison‘s Principles of Internal Medicine. Mc Graw Hill Education 2414
  7. Schwabe U et al. (2015) Arzneiverordnungsreport 2015: Aktuelle Daten, Kosten, Trends und Kommentare. Springer Verlag 90
  8. Schwabe U et al. (2017) Arzneiverordnungsreport 2017: Aktuelle Daten, Kosten, Trends und Kommentare. Springer Verlag 304
  9. Stiefelhagen P (2021) Gliflozine auch gut für das Herz. MMW- Fortschritte in der Medizin (163) 13  https://doi.org/10.1007/s15006-021-0288-7
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