Definition
Postoperativ kann es durch den Postaggregationsstoffwechsel während der Operation zu einer Temperaturerhöhung kommen. Normalerweise normalisiert sich die Temperatur am 2. - 3. p. o. Tag (Herold 2022).
Falls es zu Temperaturerhöhungen über diesen Zeitraum hinweg kommt, insbesondere in Begleitung mit einer Leukozytose, ist davon auszugehen, dass das Fieber andere Ursachen hat und umgehend abgeklärt werden sollte (Herold 2022).
Einteilung
Postoperatives Fieber kann auftreten als:
- 1. Reaktion auf den Postaggregationsstoffwechsel:
In den ersten postoperativen Stunden kann es durch den Postaggregationsstoffwechsel zu subfebrilen Temperaturen zwischen 37,5 – 38,0 Grad C oder auch zu geringem Fieber zwischen 38,1 – 38,5 Grad C kommen (Schwenk 2020). In der Regel tritt eine Normalisierung der Körpertemperatur am 2. - 3. Tag ein, bei Kindern mitunter aber auch erst später (Schumpelik 2010).
- 2. Postoperative Komplikation:
Fieber > 38,5 Grad C - insbesondere in Begleitung mit einer Leukozytose (Herold 2022) - deutet immer auf eine Komplikation hin (Schwenk 2020) und sollte umgehend abgeklärt werden (Herold 2022).
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Vorkommen
Bei allgemein- oder viszeral-chirurgischen Eingriffen tritt bei bis zu 70 % der Patienten Fieber als neuroendokrine Stressreaktion auf (Lippert 2017).
Nach Hysterektomien z. B. findet sich bei 15 – 38 % der Patientinnen p. o. Fieber (Kaufmann 2013).
Ätiologie
Die Ursachen für postoperatives Fieber differieren sehr stark und sind abhängig vom Zeitpunkt des Auftretens und der Höhe des Fiebers:
- perioperatives Fieber:
- neuroendokrine Stressreaktion als Ausdruck eines inflammatorischen Geschehens (Schwenk 2020)
- septische Operation
- Atelektasen der Lunge
- Reaktionen auf Medikamente und Bluttransfusionen
- Schädel- Hirn- Trauma
- neurochirurgische Operationen
- maligne Hyperthermie (Eisoldt 2006)
- Fieber innerhalb der ersten 2 p. o. Tage:
- Wundinfekte
- Postaggregationsstoffwechsel
- (Aspirations-) Pneumonie
- Sepsis
- Resorptionsfieber (Eisoldt 2006)
- Fieber nach mehr als 2 Tagen p. o.
- Wundinfekt
- Infektion des ZVK
- intraabdominelle Abszesse
- Peritonitis durch Anastomoseninsuffizienz
- Cholezystitis (Stressgallenblase)
- Sinusitis
- Kolitis
- Pneumonie (Eisoldt 2006)
Pathophysiologie
Der Hypothalamus steuert die Körpertemperatur. Neurone im präoptischen vorderen und im hinteren Hypothalamus empfangen Signale zur Temperatursteuerung aus:
- peripheren Nerven (diese übermitteln Informationen der Kälte- und Wärmerezeptoren der Haut)
- Blut, welches die Region umspült (Kasper 2015)
Zu einer Veränderung des Sollwertes können pyrogene Zytokine und exogene Pyrogene führen (Smid 2018).
- 1. Pyrogene Zytokine (veraltete Bezeichnung: endogene Pyrogene):
Diese entstehen im Körper bei inflammatorischen Prozessen (Smid 2018). Zu ihnen zählen z. B. IL- 1, IL- 6, Tumor- Nekrose- Faktor (TNF), Interferone (insbesondere Interferon alpha) (Kasper 2015).
In der frühen postoperativen Phase auftretendes Fieber ist Ausdruck dieses inflammatorischen Geschehens. Zytokine werden durch die operativ bedingte Gewebeschädigung freigesetzt und führen zu einer erhöhten Körpertemperatur (Sökeland 2007).
- 2. Exogene Pyrogene:
Diese stammen aus mikrobakteriellen Toxinen wie z. B. grampositiven und gramnegativen Bakterien sowie Viren etc.
Sie spielen eine Rolle bei p. o. Fieber durch Komplikationen (Smid 2018).
Die Zytokine führen zu einer Anhebung des hypothetischen Sollwertes im Hypothalamus. Dieses aktiviert die Neuronen im vasomotorischen Zentrum und führt über eine Vasokonstriktion in den Extremitäten zu einer Verringerung des Wärmeverlustes durch die Haut. In diesem Stadium kann es zu Schüttelfrost kommen, um dadurch die Wärmeproduktion der Muskeln zu erhöhen. Auch die Leber trägt zur Wärmeproduktion bei, ebenso das Anziehen wärmerer Kleidung, Wärmflasche etc. bei Frösteln. Die Prozesse der Wärmeproduktion und Wärmeerhaltung laufen so lange weiter bis das Blut, das durch die Neuronen des Hypothalamus fließt, der Temperatur der neuen Thermostateinstellung entspricht. Ist diese Temperatur erreicht, hält der Hypothalamus die vorgesehene Temperatur (Kasper 2015).
Diagnostik
Postoperatives Fieber als Reaktion auf den Postaggregationsstoffwechsel bedarf keiner weiteren Abklärung.
Bei Auftreten von Fieber durch postoperative Komplikationen jedoch sollten umgehend erfolgen:
- genaue Inspektion der Wunde insbesondere mit Hinblick auf Entzündungsparameter und Sekretaustritt
- bei Z. n. abdominellen Eingriffen Palpation und Auskultation des Abdomens
- Hinweise auf eine eventuell bestehende Abwehrspannung
- Auskultation der Lunge
- Kontrolle der Laborparameter (insbesondere C-reaktives Protein und Leukozyten)
- bei Auffälligkeiten sollten bildgebende Verfahren angewandt werden (Schwenk 2019)
Labor
Fieber durch postoperative Komplikationen:
- insbesondere sollten C- reaktives Protein (CrP) und Leukozyten überprüft werden
Die Leukozyten reagieren i. d. R. rascher als das CrP auf eine Infektion. Sowohl eine Leukozytose als auch eine Leukopenie sind als Alarmsignal zu deuten (Schwenk 2019).
- Urinuntersuchung bei Hinweisen auf einen Harnwegsinfekt (Schwenk 2019).
Histologie
Die häufigsten Erreger p. o. Fiebers sind:
- gramnegative Enterokokken wie z. B. E. coli, Klebsiellen
und vorzugsweise auf Intensivstationen:
- Pilze (Eisoldt 2006)
Differentialdiagnose
- Postoperatives Shivering
Dieses tritt unmittelbar postoperativ mit zunehmendem Wirkungsverlust der Anästhetika auf. Es ist auf eine perioperative Hypothermie zurückzuführen und sollte nicht mir Schüttelfrost verwechselt werden. Es handelt sich dabei um einen physiologischen Mechanismus zur Wärmeproduktion. Beim Shivering ist der Sauerstoffbedarf allerdings um ca. 40 % erhöht (Torossian 2019).
Therapie allgemein
- Symptomatische Therapie:
Bei allen Patienten mit Fieber sollten symptomatische Maßnahmen erfolgen in Form von:
- ausreichender Substitution von Flüssigkeit (Runge 2018). Der Flüssigkeitsbedarf steigt pro 1 Grad C um 0,5 - 1,0 l / 24 h (Herold 2022).
- Entfernen wärmender Decken und übermäßiger Bekleidung (Weihrauch 2022)
- ggf. Antipyretika
Hier eignen sich insbesondere Inhibitoren der Cyclooxygenase wie z. B. Paracetamol, Ibuprofen oder Acetylsalicylsäure
- nicht lebensnotwendige Medikamente sollten wegen der Möglichkeit eines drug- fevers umgehend abgesetzt werden (Herold 2022)
- Wadenwickel:
Diese sind bei bestehender Kontraindikation gegen Antipyretika immer indiziert. Bei allen anderen Patienten mit Erhöhung des Temperatursollwertes hat sich gezeigt, dass Wadenwickel – solange der Sollwert der Temperatur noch erhöht ist - nicht sehr effektiv sind, die periphere Vasokonstriktion und den Schüttelfrost sogar verstärken und i. d. R. subjektiv als unangenehm empfunden werden. In Studien zeigte sich die Kombination von Wadenwickeln und Antipyretika der alleinigen Antipyretikagabe nicht überlegen (Weihrauch 2022).
Lediglich bei Hyperthermien ohne Erhöhung des Temperatursollwertes sind Wadenwickel weiterhin indiziert (Weihrauch 2022)
Postoperatives Fieber als Reaktion auf den Postaggregationsstoffwechsel bedarf keinerlei Therapie, da es selbstlimitiert ist.
Postoperatives Fieber als Zeichen einer Komplikation kann – je nach Ursache - symptomatisch und / oder kausal behandelt werden.
- Schüttelfrost
Falls beim Patienten Schüttelfrost auftritt, ist dies typischerweise als ein Hinweis auf einen Katheter- assoziierten Infekt zu deuten, insbesondere durch zentrale Venenkatheter (ZVK) oder Blasenkatheter (Schwenk 2019).
Es sollten deshalb so früh wie möglich sämtliche Fremdkörper wie z. B. Sonden, Drainagen, zentrale Venenkatheter, Blasenkatheter etc. entfernt werden. Bisweilen reicht dies als therapeutische Maßnahme bereits aus. Ansonsten ist unter Berücksichtigung des Allgemeinzustandes und des Risikoprofils eine Antibiose erforderlich (Schwenk 2019).
Die symptomatische Therapie des Schüttelfrostes besteht in Gabe von Opioiden und niedrig dosierten Kortikosteroiden (Schwenk 2019).
- Akute Wundinfektion
Sollten sich beim postoperativen Fieber durch Komplikationen bei der Diagnostik Hinweise auf eine akute Wundinfektion zeigen, ist eine rasche zielgerichtete Intervention oder Re- Operation erforderlich (Schwenk 2019).
- Oberflächliche Wundinfektion
Oberflächliche Infektionen im OP- Gebiet können in den überwiegenden Fällen durch Entfernen des Nahtmaterials, regelmäßige Spülungen und Verbandwechsel adäquat behandelt werden (Schwenk 2019).
Falls bei der Diagnostik keine Ursache für das Fieber gefunden werden kann, sollte der Patient antipyretisch mit z. B. Metamizol 1 g und engmaschiger Beobachtung behandelt werden (Schwenk 2019).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
- Eisoldt S (2006) Fallbuch Chirurgie: 140 Fälle aktiv bearbeiten. Georg Thieme Verlag Stuttgart / New York 17
- Herold G et al. (2022) Innere Medizin. Herold Verlag 916
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