Erstbeschreiber
Synonyme
Dünne Basalmembrankrankheit; TBMD; dünne Basalmembranerkrankung; dünne Basalmembran- Nephropathie; Thin Basement Membrane Disease; TBMN; Nephropathie mit dünner glomerulärer Basalmembran; benigne familiäre Hämaturie; Typ- IV- Kollagen- assoziierte Nephropathie;
Erstbeschreiber
Im Jahre 1966 beschrieben als Erste McConville und McAdams eine Gruppe von Kindern mit Mikro- Hämaturie, von der auch andere Familienmitglieder betroffen waren. Typischerweise fand sich bei ihnen jedoch keine Nephropathie. Sie prägten als Erste den Begriff „Benigne familiäre Hämaturie“. Mit Einzug der Elektronenmikroskopie in den 1970er Jahren konnten bei diesem Krankheitsbild Veränderungen der glomerulären Basalmembran beschrieben werden (Plenova 2017).
Nach den 1970er Jahren wurde der Begriff des „Dünnmembransyndroms“ eingeführt (Plenova 2017).
Im Jahre 2018 wurden unter dem Oberbegriff der „Typ- IV- assoziierten Erkrankungen“ folgende Diagnosen zusammengefasst:
- benigne familiäre Hämaturie
- Syndrom der dünnen Basalmembran
- klassisches Alport- Syndrom (Brunkhorst 2021)
Definition
Bei der familiär bedingten Hämaturie (TBMN) handelt es sich um eine hereditäre Erkrankung mit autosomal- dominantem Erbgang, die zu einer isolierten glomerulären Mikro- Hämaturie führt (Herold 2022). Der Begriff TBMN ist aus der Histopathologie abgeleitet (Comic 2022).
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Einteilung
TBMN zählt zur phänotypisch und genetisch vielschichtigen Erkrankung der Typ- IV- Kollagen- assoziierten Nephropathie. Diese umfasst neben der TBMN verschiedene Phänotypen wie z. B. das Alport- Syndrom und die fokale segmentale Glomerulosklerose = FSGS. Der Vererbungsgang der Typ- IV- Kollagen- assoziierten Nephropathie ist sowohl autosomal- dominant als auch X- chromosomal (Comic 2022).
Vorkommen/Epidemiologie
Die TBMN stellt die häufigste Ursache der familiären, mikroskopischen Hämaturie dar. Die Inzidenz liegt bei ca. 1 % (Plenova 2017).
Ätiopathogenese
Bei der TBMN handelt es sich um eine hereditäre Erkrankung. Selten treten sporadische Fälle auf, bei denen eine De- novo- Mutation vorliegt (Plenova 2017). Die Penetranz der Hämaturie liegt bei ca. 70 % (Savige 2013).
TBMN wird i. d. R. durch eine heterozygote COL4A3- oder COL4A4 - Mutation verursacht (Savige 2013). Die Mutation kann außerdem eine spät einsetzende fokale segmentale Glomerulosklerose (FSGS) oder ein autosomal- dominantes Alport- Syndrom (ADAS) verursachen (Hirabayashi 2022).
Pathophysiologie
Die Mutationen im Kollagen- Typ- 4A3- Gen, 4A4- Gen und 4A5- Gen führen zu einer mechanischen Instabilität der glomerulären Basalmembran. Es kommt zu einer charakteristischen Lamellierung und Aufsplitterung der Membran (Brunkhorst 2021).
Die Dicke der glomerulären Basalmembran ist altersabhängig und variiert zwischen einzelnen Laboratorien. Eine Dicke von < 150 nm gilt vereinbarungsgemäß als verdünnt (Plenova 2017).
Klinisches Bild
Bei den betroffenen Patienten bestehen keinerlei Symptome. Oftmals findet sich als Zufallsbefund eine rezidivierende und persistierende Hämaturie (Plenova 2017). Typischerweise fehlen jedoch Proteinurie, Verschlechterung der Nierenfunktion und arterielle Hypertonie (Kasper 2015).
Diagnostik
Die TBMN wird i. d. R. zunächst klinisch vermutet. Eine Biopsie sollte lediglich bei Vorhandensein atypischer Merkmale wie z. B. Proteinurie > 1,0 g / d, bestehende Nierenfunktionsstörung etc. durchgeführt werden (Savige 2013).
Die Diagnose kann anhand des Nachweises einer ausgedünnten glomerulären Basalmembran bestätigt werden (Savige 2013). Der Normwert der Basalmembran liegt zwischen 300 – 350 nm, differiert aber zwischen einzelnen Laboratorien und nimmt im Alter ab. Eine Dicke von < 150 nm gilt vereinbarungsgemäß als verdünnt (Plenova 2017).
Von arbeitsintensiven und teuren Gentests sollte lediglich eine COL4A5- Mutation (Beweis für das X- chromosomale Alport- Syndrom) ausgeschlossen werden (Savige 2013).
Labor
Es finden sich genetische Defekte im Typ- IV Kollagen (Kasper 2015). Bei < als 10 % der Träger ist keine mikroskopische Hämaturie feststellbar, was auf eine unvollständige Durchdringung hindeutet (Plenova 2017).
Differentialdiagnose
Das Alport- Syndrom, eine seltene hereditäre Nephritis (Kasper 2015) mit X- chromosomalem oder autosomal- dominantem Erbgang (Hirabayashi 2022).
Hierbei bestehen neben der Hämaturie zusätzlich noch eine Proteinurie, arterielle Hypertonie, chronisches Nierenversagen und extrarenale Veränderungen. Im Vorschul- und Grundschulalter manifestiert sich die Alport- Syndrom zunächst ebenfalls als eine Verdünnung der Basalmembran (Plenova 2017).
Alport- Syndrom und TBMN sind klinisch und strukturell nicht zu unterscheiden. Die COL4A5 pathogene Variante zeigt mit > 90 % eine hohe Sensitivität und hohe Spezifität für das Alport- Syndrom (Savige 2013).
Therapie allgemein
Falls bei Patienten mit TBMN die prognostische schlechteren Indikatoren wie z. B. arterielle Hypertonie, Nierenfunktionsstörung, Proteinurie bestehen, ist die Therapie durch einen Nephrologen empfehlenswert (Savige 2013).
Medikamentös wird, um das Nierenversagen hinauszuzögern, mit ACE- Hemmern behandelt.
Verlauf/Prognose
Die Prognose der TBMN hielt man bislang für gut (Kasper 2015). In den letzten Jahren hat sich aber gezeigt, dass ein erheblicher Prozentsatz (ca. 33 %) der Patienten mit isolierter TBMN im fortgeschrittenen Alter eine Proteinurie und Verschlechterung der Nierenfunktion (Pecovnik 2021) bis hin zum autosomal- dominanten Alport- Syndrom entwickeln (Hirabayashi 2022).
Bei Patienten mit TBMN besteht nur bei wenigen im Alter > 50 Jahre ein Nierenversagen, beim Alport- Syndrom hingegen sind 90 % der < 40jährigen unter Dialyse (Comic 2022).
Prophylaxe
In letzter Zeit vermehren sich Berichte darüber, dass bei 20 – 30 % der heterogenen Träger einer TBMN bis zum Alter von 70 Jahren eine „End Stage Renal Disease (ESRD)“ entsteht und sich weitere extrarenale Manifestationen entwickeln. Von daher empfiehlt sich eine genetische Beratung betroffener Patienten (Plenova 2017).
Patienten mit TBMN sollten 1 x / a auf arterielle Hypertonie, Proteinurie und Nierenfunktionsstörung hin untersucht werden (Plenova 2017).
LiteraturFür Zugriff auf PubMed Studien mit nur einem Klick empfehlen wir Kopernio
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